- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 16/2008
- Apothekerhaftung für sch...
Recht
Apothekerhaftung für schädliche Arzneimittel
So wurden Apothekenleiter vor einigen Wochen anwaltlich – im Namen (vermeintlich) Vioxx®-geschädigter Patienten – aufgefordert, ein sog. Haftungsanerkenntnis abzugeben. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA rät indes nachdrücklich davon ab, diesem Begehren zu entsprechen. Diese Situation macht es dringend erforderlich, die in Rede stehende Apothekerhaftung für schädliche Arzneimittel juristisch eingehend zu durchleuchten.
A. Der Fall Vioxx®
Bei Vioxx® und Vioxx Dolor® (Rofecoxib) handelt es sich um Fertigarzneimittel, die als sog. "Rheuma-Mittel" der "Behandlung von Symptomen bei Reizzuständen degenerativer Gelenkerkrankungen (Arthrosen) oder rheumatoider Arthritis (chronischer Polyarthritis) bei Erwachsenen" dienen. Im Jahr 1999 wurde Vioxx® auch für den nationalen Markt zugelassen. Pharmazeutischer Unternehmer in Deutschland ist die MSD Sharp & Dohme GmbH, welche gesellschaftsrechtlich mit Merck & Co in den USA verbunden ist.
Im Unterschied zu den bis dahin auf dem Markt befindlichen Präparaten gegen Rheuma-Erkrankungen sollte es sich bei Vioxx® nach Angaben des Herstellers um ein Produkt "ohne nennenswerte Nebenwirkungen" handeln.
Vioxx® wurde am 30. September 2004 in Deutschland "freiwillig" vom Markt genommen. Im Oktober 2004 teilte die MSD Sharp & Dohme GmbH an die verschreibenden Ärzte sodann das Ergebnis der sog. APPROVe-Studie (Adenomatous Polyp Prevention on Vioxx®) mit. Es handelt sich dabei um eine über drei Jahre geführte, prospektive, randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studie. Darin heißt es u. a., dass "ein erhöhtes relatives Risiko bestätigter kardiovaskulärer Ereignisse, z. B. von Herzinfarkten und Schlaganfällen, beginnend nach dem 18. Monat der Behandlung bei Patienten, die Vioxx® eingenommen haben, im Vergleich zu denjenigen, welche mit Placebo behandelt wurden, beobachtet" worden sei.
Ungeklärt – und damit auch zentraler Gegenstand der Verfahren in den USA – ist, ab welchem Zeitpunkt Merck & Co respektive deren Tochterfirmen sowie Fachkreise Kenntnis von den evaluierten Risiken des Arzneimittels hatten. Die Klägervertreter in Deutschland behaupten, bereits im Jahr 2000 sei verstärkt auf die Bedenklichkeit hingewiesen worden. War dieses Risiko bekannt, so könnte dies auch eine Haftung des Apothekers begründen, der das Arzneimittel abgegeben hat. So vertreten die Patientenanwälte die Ansicht, dass den Apothekern "bei Durchführung einer gewissenhaften Produktbeobachtungspflicht in Form der Durchsicht von allgemein zugänglichen Fachpublikationen" bekannt war bzw. hätte sein müssen, dass die Abgabe des Arzneimittels "mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist, vor denen eindringlich zu warnen gewesen wäre". So waren bei mehreren Patienten weltweit schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen zum Teil mit Todesfolge aufgetreten, für welche der unterlassene Warnhinweis nach Ansicht der Klägervertreter mitursächlich war. Daraus folge eine Haftung des abgebenden Apothekers.
B. Das Haftungsrisiko des Apothekers
Eine Haftung der Apotheker für Arzneimittelschäden kann grundsätzlich sowohl durch vertrags- als auch deliktsrechtliche Normen begründet sein.
I. Grundlagen der Haftung
1. Relevante Normen
Erleidet der Patient/Kunde in der Apotheke durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Apothekers Beeinträchtigungen seines Körpers oder seiner Gesundheit, haftet der Apothekenbetreiber in der Regel gemäß § 280 BGB und § 823 BGB auf Schadensersatz sowie gemäß § 253 Abs. 2 BGB auf Schmerzensgeld.1 Zur ausreichenden Absicherung der Patientenansprüche fordern die meisten Berufsordnungen der Apotheker daher den Abschluss einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung.2
2. Apothekenrechtlicher Arzneimittelversorgungsvertrag
Der apothekenrechtliche Arzneimittelversorgungsvertrag ist ein gemischter Vertrag, der kauf- und behandlungsrechtliche Elemente in sich vereint.3 Kaufvertraglich ist der Apotheker verpflichtet, dem Patienten das Eigentum und den Besitz an dem Arzneimittel zu verschaffen. Daneben ist er zur "Beratung und Information" des Patienten verpflichtet, "soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist" (§ 20 ApBetrO); Information und Beratung des Patienten sind – als behandlungsrechtliches Element des Vertrages – heilberufliche Hauptleistungspflichten, die neben der kaufvertraglichen Hauptleistungspflicht Wirkung entfalten.
II. Art und Umfang der Beratungspflichten – Differenzierung
Art und Umfang der Beratungs-/Informationspflichten unterscheiden sich danach, inwieweit dem Apotheker in der erforderlichen Interaktion zwischen Arzt, Arzneimittel und Apotheker eine für seinen Berufsstand erforderliche Sorgfaltspflicht aufzuerlegen ist; so wäre es eine "zeitlich-fachliche Überforderung des Apothekers, die seiner Stellung im System der Kassenversorgung nicht entsprechen würde, wenn er jedes ihm vorgelegte Rezept auf dessen medizinische Richtigkeit überprüfen sollte".4 Nach der "sozialrechtlichen Kompetenzverteilung ist der Apotheker weder ein medizinischer Obergutachter noch eine Aufsichtsbehörde des Arztes".5 Das heißt, die Prüfungspflichten des Apothekers orientieren sich vor allem auch daran, in welchem Umfang bereits eine Prüfung durch den Arzt erfolgt ist. Damit kommt es auch darauf an, ob das Arzneimittel durch den Arzt verordnet wurde und ob der Apotheker das Produkt selbst hergestellt hat.
a) Rezeptierte, nicht in der Apotheke hergestellte Arzneimittel
Die Prüfung von "nicht in der Apotheke hergestellten Fertigarzneimitteln" ist in § 12 ApBetrO hinsichtlich ihrer Qualität geregelt. Nach dessen Absatz 1 gilt: "Fertigarzneimittel, die nicht in der Apotheke hergestellt worden sind, sind stichprobenweise zu prüfen. Dabei darf von einer über die Sinnesprüfung hinausgehenden Prüfung abgesehen werden, wenn sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Qualität des Arzneimittels begründen". Danach ist die Prüfungspflicht des Apothekers auf die Qualität begrenzt.6 Vom Apotheker kann nicht verlangt werden, "dass er Wirksamkeit sowie Neben- und Wechselwirkungen des Arzneimittels prüft".7
ApBetrO/SGB V
Die Einzelheiten richten sich in erster Linie nach § 17 ApBetrO. Nach dessen Absatz 5 S. 1 gilt: "Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen." Der BGH konkretisiert die daraus entstehenden Pflichten des Apothekers wie folgt:
"Er hat insoweit zunächst zu prüfen, ob die vorgelegte ärztliche Verordnung (§§ 73 Abs. 2 Nr. 7, 129 Abs. 1 SGB V) den formalen Anforderungen entspricht, sie beispielsweise den Namen, die Berufsbezeichnung und die Anschrift des verschreibenden Arztes, den Namen der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist und die abzugebende Menge der verschriebenen Arzneimittel enthält. Daneben hat er zu prüfen, ob das Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen ist (§§ 34, 93 SGB V). Schließlich muss er gemäß § 17 Abs. 8 ApBetrO einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegentreten, insbesondere den Empfänger der Medikamente informieren und beraten, um dazu beizutragen, Gefahren im Umgang mit Arzneimitteln zu verhüten oder zu mindern, wobei die ärztliche Therapie nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. auch § 20 ApBetrO)."
§ 20 ApBetrO sieht schließlich eine Informations-/Beratungspflicht vor, "soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist". § 21 ApBetrO wiederum greift die Arzneimittelrisiken auf und konstituiert für den Apothekeninhaber einen Maßnahmenkatalog. Danach hat der Apothekeninhaber oder der von ihm beauftragte Apotheker u. a. Informationen über Arzneimittelrisiken wie Qualitätsmängel, Nebenwirkungen und/oder Gegenanzeigen zu überprüfen und die "erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu veranlassen"; so sind Arzneimittel, die "nicht verkehrsfähig sind oder für die eine Aufforderung zur Rückgabe vorliegt", umzuarbeiten, zurückzugeben oder zu vernichten. Voraussetzung ist in allen Fällen die Kenntnis (bzw. schuldhafte Unkenntnis) von einem Umstand, welcher die Überschreitung der Schwelle zur Gefahr/zum Risiko in sich trägt.
Allgemeines Gefahrenabwehrrecht
Die Begriffe "Gefahr" und "Risiko" entstammen dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht, wobei das Risiko in der Regel unterhalb der Gefahrenschwelle angesiedelt wird. Unter einem Risiko versteht man herkömmlich die Möglichkeit des Eintritts einer nicht nur geringfügig nachteiligen Einwirkung auf ein rechtliches Schutzgut, soweit sie nicht praktisch ausgeschlossen erscheint.8 Die Intensität des Risikos wird mit dem Produkt aus Schadensgröße und Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt.9
Nicht zu den "rechtlich relevanten" Risiken zählen hingegen die sog. Restrisiken, die als "sozialadäquate Risiken" von der Gesellschaft zu tragen sind. Ein Restrisiko liegt vor, wenn ein Schaden nur deshalb nicht auszuschließen ist, weil trotz risikominimierender Maßnahmen letzte Gewissheit über den Ausschluss von Schadensmöglichkeiten aus prinzipiellen Gründen nicht möglich ist, mithin Umstände, die im Hinblick auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts als "praktisch ausgeschlossen erscheinen", also Ungewissheiten, die jenseits der "Schwelle praktischer Vernunft" liegen.
Ist das Ziel die Gewährleistung von Sicherheit im Umgang mit Arzneimitteln, so setzt dieses die Abwesenheit von unvertretbaren Gefahren/Risiken voraus. Dies bedeutet zugleich, dass "Unbedenklichkeit" keineswegs mit "absoluter Sicherheit" gleichzusetzen ist. Die Frage ist also, in welchen Fällen der Apotheker von der "Sicherheit" des (rezeptierten) Arzneimittels ausgehen darf.
Arzneimittelgesetz
Die Hauptrechtsquelle für die Arzneimittelsicherheit bildet das AMG (vgl. § 1). Der Marktzugang (Inverkehrbringen) – und damit die präventive Arzneimittelsicherheit – ist durch ein umfangreiches Zulassungsverfahren (§§ 21 ff.) äußerst restriktiv reglementiert. Der Hersteller eines Arzneimittels muss – in vorklinischen und klinischen Studien – nicht nur den Wirkungsnachweis erbringen, sondern auch dessen Unbedenklichkeit glaubhaft machen. Wenn ein Arzneimittel nach der Zulassung in den Verkehr gebracht und von vielen Patienten angewendet wird, können allerdings seltene, zuvor nicht aufgefallene Nebenwirkungen entdeckt werden, die nach dem überholten Kenntnisstand ein Risiko i. o. S. darstellen.
Um die vermeintliche Lücke im Sicherheitssystem zu schließen, werden umfangreiche Beobachtungspflichten im Produktsicherheitsrecht aufgestellt, allen voran im Bereich der Arzneimittelsicherheit (vgl. §§ 54 ff., 62 ff.). Die Marktüberwachung erfolgt nach einem Stufenplan, bei dem Dokumentations-/Melde-, Duldungs- und Mitwirkungspflichten der beteiligten Kreise mit Gefahrenabwehrmaßnahmen (der zuständigen Behörde) korrelieren – so sammelt das BfArM entsprechende Berichte von den Ärzten und pharmazeutischen Unternehmern und veröffentlicht sodann in regelmäßigen Abständen sog. "Risikoinformationen". Diese spiegeln nicht nur den Erkenntnisstand der zuständigen Bundesbehörde wider, sondern enthalten – ausdrücklich oder konkludent – eine Bewertung der Risiken. Damit sind zwei Konstellationen denkbar, die Einfluss auf den zu objektivierenden Kenntnisstand des Apothekers über risikobehaftete Arzneimittel nehmen können.
Der Apotheker ist verpflichtet, sich auf dem Stand der Wissenschaft zu halten. Veröffentlicht die zuständige Behörde (i. d. R. das BfArM) eine Risikoinformation über ein bestimmtes Produkt, hat sich der Apotheker hiervon Kenntnis zu verschaffen. Liegt der entsprechenden Information über den aktuellen Stand der (medizinischen) Wissenschaft auch eine Wertung zugrunde, so muss der Apotheker auf diese vertrauen dürfen; d. h. stuft die zuständige Behörde das Produkt – ausdrücklich oder konkludent – als "unbedenklich" ein, so besteht für den Apotheker kein Anlass für eine darüber hinaus gehende Produktbeobachtung. Hält die Behörde das Produkt hingegen für risikobehaftet/bedenklich, so löst dies zumindest eine weitergehende Nachforschungspflicht des Apothekers aus. Liegen noch keine abschließenden Erkenntnisse über die Möglichkeit eines Risikos vor, kann dies jedoch denklogisch nicht in risikobehaftet/bedenklich umgedeutet werden; gerade über das Risiko/die Bedenklichkeit liegen nach dem aktuellen Stand der (medizinischen) Wissenschaft ja gerade noch keine (brauchbaren) Erkenntnisse vor.
Liegt dagegen zu einem Risiko keine Information des BfArM vor, und existieren darüber hinaus keine allgemein der Fachwelt bekannten Informationen, ist der Apotheker nicht zur weiteren Recherche verpflichtet. Die zuständigen Behörden können "das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn (…) der begründete Verdacht besteht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen" (§ 69 Abs. 1 Nr. 4). Handelt es sich dabei dem Wortlaut nach ("können") auch um eine Ermessensentscheidung, so kommt dieser – wenn sie sich nicht schon alleine auf das "Wie" beziehen sollte – gleichwohl eine deutliche Indizwirkung zu: Solange das Arzneimittel keiner gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme unterliegt, muss der Apotheker davon ausgehen können, dass die zuständige Behörde das Arzneimittel unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft als "sicher"/unbedenklich einstuft. Um dieser Einschätzung der zuständigen Bundesbehörde und Entscheidungsträgerin der maßgeblichen Gefahrenabwehrmaßnahmen entgegen zu treten, müssten schon gravierende Gründe vorliegen; der Apotheker müsste "besseres Wissen" besitzen, das weder er noch ein potenzieller anderer Apotheker gleichen Kenntnisstandes melden will – freilich nicht nur eine tatsächlich äußerst ungewöhnliche Konstellation, sondern überdies auch eine, deren Nachweis im Einzelfall nahezu ausgeschlossen sein wird.
Darüber hinaus bietet sich auch hier ein Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an, der eine Ausnahme vom Grundsatz der eingeschränkten Prüfungspflicht des Apothekers nur annimmt bei "ganz offensichtlichen, objektiv klar erkennbaren" Umständen (hier: Verletzungen kassenärztlicher Pflichten, wobei er selbst in diesen Fällen zunächst Rückfrage beim Arzt nehmen muss: "Besteht der verschreibende Arzt auf uneingeschränkter Beachtung seiner Verschreibung, so ist der Apotheker regelmäßig berechtigt und verpflichtet, die ärztliche Verordnung auszuführen."10). In den übrigen Fällen darf der "gutgläubige" Apotheker darauf vertrauen, dass, solange keine Risikoinformationen von Seiten der zuständigen Behörden erfolgen, ein Arzneimittelrisiko, vor welchem er gegebenenfalls zu warnen hätte, nicht besteht. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich um rezeptierte, nicht in der Apotheke hergestellte Arzneimittel handelt.
b) Nicht rezeptierte und/oder in der Apotheke hergestellte Arzneimittel
Die Sachlage könnte jedoch anders zu beurteilen sein, wenn es um die Abgabe nicht rezeptierter und/oder in der Apotheke hergestellter Arzneimittel geht.
aa) Nicht rezeptiert
In der Konstellation nicht rezeptierter Arzneimittel übernimmt der Apotheker Aufgaben, die sonst der Arzt wahrnimmt, d. h. die "sozialrechtliche Kompetenzverteilung" entfaltet in der dualen Interaktion zwischen dem Apotheker und seinem Kunden keine Wirkung. Dementsprechend muss es grundsätzlich die Pflicht des Apothekers sein, auf die Wirkungen des Medikamentes hinzuweisen, über Kontraindikationen sowie Neben- und Wechselwirkungen aufzuklären.11
Einschränkungen ergeben sich zunächst aus den Umständen des Einzelfalls; so muss der Patient überhaupt gesprächsbereit sein (zum Mitverschulden des Patienten § 85 AMG i.V.m. § 254 BGB);12 selbiges muss für den bereits instruierten oder sonst informierten Patienten gelten.13
Fraglich ist auch, wie weit die Informationspflicht des Apothekers reicht. Im Ausgangspunkt ist hier Folgendes festzustellen: Tritt der Apotheker an die Stelle des Arztes, so können seine Pflichten denknotwendig nicht weiter reichen, als die entsprechenden Pflichten des Arztes; d. h. die zuvor dargelegten Pflichten der Apotheker in Bezug auf rezeptierte Arzneimittel erweitern sich maximal in dem Umfang, in dem den Ärzten entsprechende Pflichten zugewiesen sind.
Der Arzt hat den Patienten bei der Verschreibung eines Arzneimittels, dessen Verabreichung für den Patienten mit dem Risiko erheblicher Nebenwirkungen verbunden ist, zur Sicherung seines Selbstbestimmungsrechts über die Risiken aufzuklären (sog. Eingriffs- oder Risikoaufklärung);14 kommen schwerwiegende Nebenwirkungen eines Medikaments in Betracht, so ist neben dem Hinweis in der Gebrauchsinformation auch eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich.15 Unter bestimmten Voraussetzungen reicht der Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht aus; dieser muss nämlich dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermitteln.16 Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik, sondern vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Einsatz spezifisch anhaftet (z .B. länger als 18 Monate) und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (z .B. Todesfolge).17 Der BGH hat also klargestellt, dass der Warnhinweis in der Packungsbeilage unter bestimmten Voraussetzungen nicht ausreicht, vielmehr der verordnende Arzt den Patienten über die möglichen Nebenwirkungen aufzuklären hat. Dabei geht der BGH davon aus, dass auch die Verordnung eines Medikaments einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt, dessen Rechtswidrigkeit nur dann entfällt, wenn der Patient zuvor wirksam aufgeklärt wurde (§ 1 a der Berufsordnung der Ärzte). Dies wiederum setzt voraus, dass der Patient vom Arzt im Rahmen der Eingriffs- und Risikoaufklärung über sämtliche Risiken der ärztlichen Maßnahme informiert wird. Die Beweislast hierfür trägt der Arzt. In den vom BGH entschiedenen Fällen handelte sich allerdings um eine "typischerweise auftretende Nebenwirkung des Medikamentes", mithin um bekannte Risiken. Die Frage ist also (auch) hier, welcher Kenntnisstand maßgeblich sein muss.
Im Ausgangspunkt gilt: Eine Aufklärungspflicht setzt die positive Kenntnis spezifischer Gefahren in der medizinischen Wissenschaft voraus.18 Ob der jeweilige Angehörige eines Heilberufs tatsächlich hiervon Kenntnis hat, ist unerheblich. Er ist zur Kenntnisverschaffung verpflichtet, indem er die einschlägige Fachliteratur regelmäßig studiert.
Der BGH hat dazu schon früh die Weichen gestellt: "Aufklärung ist nicht schon dann erforderlich, wenn Nebenschäden der vorgesehenen Behandlung nicht mit absoluter Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind".19
"Maßgebend ist der Stand der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrungen, wie er sich im Zeitpunkt der jeweils zu beurteilenden ärztlichen Behandlung ergibt".20 Der Arzt hat die Behandlung so vorzunehmen, wie es von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet wird ("Facharztstandard"). Anders als im Strafrecht kommt es nicht auf einen individuellen Sorgfaltsmaßstab an, sondern dieser ist objektiviert ("Prinzip der Gruppenfahrlässigkeit”); persönliche Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen des handelnden Arztes bleiben bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs unberücksichtigt.
Besondere Vorsicht ist auch geboten, wenn zwar noch keine gesicherten genauen Erkenntnisse zur Schädlichkeit einer Behandlung vorliegen, wohl aber erste Anzeichen zu schädlichen Folgen.21 Zwar sind grundsätzlich nicht nur Publikationen des eigenen Fachs, sondern auch solche andere Fachbereiche zu beachten, sofern die Anwendung dort ebenfalls üblich ist.22 Allerdings wird die Schwelle zur rechtlichen Relevanz der Fachpublikationen nur überschritten, wenn "gewichtige Stimmen in der Literatur unwiderlegt darauf hinweisen, dass die Behandlungsart (Therapie durch Anwendung des Arzneimittels; Einf. d. Verf.) unter den gegebenen Umständen zu schweren Schäden führen kann".23
Darüber hinaus ist die Übertragbarkeit der ärztlichen Postulate auf den Apotheker im vorgezeigten System zu relativieren; es bestehen sachliche Unterschiede, die auch bei der rechtlichen Beurteilung eine Differenzierung einfordern: Die Aufklärungspflichten des Arztes beziehen sich in aller Regel auf Heilmittel, die ein höheres Risikopotenzial aufweisen und gerade deswegen verschreibungspflichtig sind (und dementsprechend besonderen Anforderungen unterworfen werden; vgl. § 48 AMG). In Rede steht jedoch die Aufklärungspflicht (des Apothekers) im Falle nicht rezeptierter und – im Umkehrschluss – damit Produkten geringeren Risikopotenzials. Der Grad der Gefährlichkeit bestimmt wiederum den Umfang der Aufklärungspflicht.24
Die Frage ist letztlich, ob der Arzt (Apotheker) über seine fortwährend bestehende Grundpflicht hinaus, den Stand seiner Kenntnis mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft abzugleichen, einen konkreten Anlass hatte, weitere Nachforschungen über die Risiken des konkreten Arzneimittels einzuholen. Dies kann nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Einzelfall (z. B. Vioxx®) beantwortet werden.25
bb) In der Apotheke hergestellte Arzneimittel
Für Arzneimittel, die in der Apotheke selbst hergestellt werden, greifen die nach § 6 ApBetrO vorgegebenen Prüfpflichten. Ein Vergleich mit dem Heilberuf Arzt bietet sich hier naturgemäß nicht an. In dieser Konstellation ist allerdings folgendes zu bedenken: Die Herstellung eines Produktes verlagert die Haftung primär in den Bereich der (sektorspezifischen) Produkthaftung, die in Deutschland das Produkthaftungsgesetz regelt. Dieses sieht eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung zugunsten der Verbraucher vor. Das heißt für die Inanspruchnahme des Apothekers auf Schadensersatz ist nicht erforderlich, dass dieser nachweislich schuldhaft eine Aufklärungspflicht verletzt hat. Die Haftung für Arzneimittelschäden gemäß § 84 AMG, welche – neben den Herstellungs- und Vertriebsfehlern – auch die Haftung bei Entwicklungsfehlern erfasst, ist dagegen in dieser Fallkonstruktion nicht anzunehmen, weil der Apotheker in der Regel keine zulassungspflichtigen Arzneimittel herstellen wird.
c) Rezeptiert "aut idem"
Eine besondere Haftungs-Konstellation liegt in den Fällen der sog. Verschreibung "aut idem" (wörtlich "oder das Gleiche") vor: Der Arzt räumt dem Apotheker durch den Vermerk "aut idem" bzw. Wirkstoffangabe auf einem Rezept die Möglichkeit ein, ein anderes als das namentlich verordnete Arzneimittel abzugeben. Mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) wurde das bis dahin geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis – zum Zwecke der Erschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven – umgekehrt:26 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in § 73 Abs. 5 SGB V und § 129 Abs. 1 b SGB V sehen nunmehr vor, dass eine Substitution nur dann ausgeschlossen wird, wenn der Arzt bereits ein preisgünstiges Arzneimittel verordnet hat, es mithin – aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten – keines Austausches mehr bedarf, oder der Arzt die Möglichkeit einer Aut-idem-Versorgung auf dem Verordnungsblatt ausdrücklich ausgeschlossen hat (§ 73 Abs. 5 S. 2 SGB V, § 129 Abs. 1 b SGB V) – die in § 73 Abs. 5 S. 1 SGB V vorgegebene Verpflichtung des Arztes zur Beachtung der Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 SGB V findet insofern ihre Grenze in den Grundsätzen des § 70 SGB V.
Die (Neu-) Regelung ist keineswegs unumstritten. So warnt etwa der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Kuno Winn, vor "unkalkulierbaren Haftungsrisiken" für Ärzte. Nach der aktuellen Rechtsprechung liege die Verantwortung und Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten ausschließlich beim verordnenden Arzt, der vor dem Einsatz vollumfänglich über etwaige Nebenwirkungen aufzuklären habe. "Damit steht jeder Arzt, der aut idem zulässt, voll im Haftungsrisiko – ohne zu wissen, welches Medikament der Apotheker dem Patienten aushändigt!"
Die besondere Problematik ergebe sich vor allem im Hinblick auf die – mit dem GKV-WSG geschaffenen – Neuregelungen für Rabattverträge. Beteilige sich der Arzt an einem zwischen der Krankenkasse und dem Hersteller geschlossenen Rabattvertrag, so müsse er grundsätzlich auch aut idem zulassen, und zwar auch dann, wenn im Zeitpunkt der Rezeptierung nicht abzusehen sei, welches Arzneimittel der Apotheker letztlich dem Patienten herausgebe.
Ob bei der Verschreibung aut idem tatsächlich eine ausschließliche, voll umfängliche Haftung des Arztes auch in Bezug auf seine (unterlassene) Aufklärung besteht, bedarf mit Blick auf die vorgenannten Grundsätze durchaus einer kritischen Hinterfragung. Denn der Arzt kann haftungsrelevant nur über diejenigen Risiken aufklären, die er "kennt oder hätte kennen müssen". Die spezifischen Risiken, insbesondere Nebenwirkungen, eines vom Apotheker alternativ ausgewählten Produktes, wird er in der Regel jedoch weder kennen noch – mangels Wissen, welches Medikament letztlich überhaupt abgegeben wird – kennen können. In der in Bezug genommenen "aktuellen Rechtsprechung" (BGH, Urt. v. 17. April 2007 – VI ZR 108/06) wurde überdies ein konkretes Medikament (Propafenon) durch ein anderes konkretes Medikament (Cordarex) ausgetauscht, d. h. der behandelnde Arzt wusste, um welches Medikament es sich handelte, und konnte sich daher über die konkreten Risiken ein Bild machen.
Bei der Frage einer Haftung des Apothekers im Falle des aut idem erschließen sich die normativen Grundlagen nach obigem Muster: Wird dem Apotheker die Möglichkeit zur Substitution eingeräumt und nimmt er diese wahr, so hat er über die (spezifischen) Risiken des Substituts aufzuklären. Unterlässt er diese Aufklärung, so kommt bei Verschulden die dargestellte vertragliche/deliktische Haftung in Betracht.
C. Die rechtliche Beurteilung im Fall Vioxx®
Damit lassen sich die Haftungsrisiken der Apotheker im Fall Vioxx® wie folgt festmachen:
I. Grundlagen der Haftung
Das Arzneimittel Vioxx® ist rezeptpflichtig, d. h. es handelt es um einen Fall eines "rezeptierten, nicht in der Apotheke hergestellten Arzneimittels". Die Apotheker hatten damit eine eigenständige, aber begrenzte Prüfungs- und ggfs. korrespondierende Warnpflicht. Eine besondere Warnung hätte bei "ganz offensichtlichen, objektiv klar erkennbaren" Umständen erfolgen müssen, auf Grundlage derer bei Abgabe des Arzneimittels die Schwelle zur Gefahr/zum Risiko für die Gesundheit des Patienten/Kunden überschritten sein würde. Die erforderliche Intensität ist anhand des Produkts aus Schadensgröße und Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die Produktbeobachtungspflicht orientiert sich an den Risikoinformationen der zuständigen Behörden (insbesondere des BfArM); Fachpublikationen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn gewichtige Stimmen unwiderlegt darauf hinweisen, dass die Behandlungsart unter den gegebenen Umständen zu schweren Schäden führen kann.
II. Verletzung einer Sorgfaltspflicht
Das BfArM hat am 1. Oktober 2004, mithin erst nach (!) der Marktrücknahme, eine Risikomeldung zum Arzneimittel Vioxx® herausgegeben. Darin heißt es u. a.: "Die Arzneimittelbehörden der EU-Mitgliedsstaaten haben in den Jahren 2002 bis 2003 unter Berücksichtigung der bis dahin vorliegenden Erkenntnisse ein Risikobewertungsverfahren zu allen zugelassenen Coxiben durchgeführt und sind dabei auch dem Verdacht auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko der Coxibe nachgegangen. Im Ergebnis dieser Bewertung ist der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee on Human Medicinal Products, CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde in London (EMEA) zu der Auffassung gekommen, dass bei Rofecoxib-haltigen Arzneimitteln zwar ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis besteht, die Produktinformationen aber zusätzliche Hinweise auf kardiovaskuläre Nebenwirkungen bzw. entsprechende Warnhinweise enthalten müssen."
Angesichts dieser "neuen Erkenntnisse hält das BfArM die Entscheidung der Fa. MSD im Interesse der Patientensicherheit für richtig. Es empfiehlt den Patienten, die zurzeit Rofecoxib einnehmen, wegen der weiteren Behandlung ihrer Erkrankung mit möglichen therapeutischen Alternativen ihren behandelnden Arzt aufzusuchen."
In einer – ebenfalls nach der Marktrücknahme erschienenen – gemeinsamen Pressemitteilung des BfArM, des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wurde auf Folgendes hingewiesen: "Nach der Marktrücknahme Rofecoxib-haltiger Arzneimittel wegen eines erhöhten Risikos für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Komplikationen bei Langzeitanwendung hat eine erneut aktuelle Bewertung von Sicherheitsdaten für die anderen zugelassenen Coxibe (Celecoxib, Etoricoxib, Valdecoxib und Parecoxib) auf europäischer Ebene begonnen. Eine Stellungnahme wird derzeit in den Fachgremien bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) in London erarbeitet und in Kürze vorgestellt." In diesem Zusammenhang wird "auf wichtige Anwendungsbeschränkungen und Sicherheitshinweise hingewiesen, die für alle Coxibe gelten und in den Produktinformationen (Packungsbeilagen) wiedergegeben sind. Es ist wichtig, dass Ärzte, Apotheker und Patienten die Hinweise in den Produktinformationen sowie die Risikoinformationen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in deren Leitlinien und im Deutschen Ärzteblatt bei der Verordnung, Abgabe und Anwendung von Coxiben berücksichtigen", heißt es weiter.
Die nationalen Verbraucherschutzorganisationen haben sich ebenfalls geäußert. In einem Testbericht über 213 Bewegungsapparat-Medikamente der Stiftung Warentest (Erscheinungsdatum: 10/2004) heißt es: "Die COX-2-Hemmer Celecobix und Rofecoxib werden als ‚auch geeignet’ bewertet. Ihre Wirkstärke ist mit der lang erprobter nichtsteroidaler Antirheumatika (…) vergleichbar. Um sie aber als geeignet einstufen zu können, müssen weitere Studien vorgelegt werden, die es erlauben, sie hinsichtlich ihrer Verträglichkeit abschließend zu beurteilen."
III. Rechtsfolge
Vor diesem Hintergrund könnte im Fall Vioxx® zwischen zwei Zeiträumen unterschieden werden, wobei sich dies, wie zu zeigen sein wird, im Ergebnis nicht auswirkt.
1. Vor der Marktrücknahme
Einstimmig ist der Tenor der Behörden und privaten Schutzorganisationen insofern, als dass vor dem Zeitpunkt der Marktrücknahme keinerlei relevante Erkenntnisse über Risiken des Arzneimittels Vioxx® vorlagen; Fachpublikationen gewichtiger Stimmen, die unwiderlegt darauf hinwiesen, dass Vioxx® zu schweren Schäden führen kann, sind nicht ersichtlich. Ein Verschuldensvorwurf für die Abgabe des Arzneimittels respektive fehlender Warnung vor dem 1. Oktober 2004 ist daher abwegig.
2. Ab der Marktrücknahme
Soweit es die Beurteilung der Sachverhalte ab der Marktrücknahme bzw. ab dem 1. Oktober 2004 betrifft, lassen sich verschiedene Ereignisse unterscheiden, die jeweils rechtlich zu beurteilen sind.
Die freiwillige Marktrücknahme als solche kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Risikohaftigkeit des Produktes haben.
Vorliegend hat MSD Sharp & Dohme GmbH als pharmazeutischer Unternehmer indessen nicht nur einen Rückruf verkündet, sondern diesen in den Fachzeitschriften (DAZ) mit einem Hinweis auf neue Studien versehen. Damit hat der pharmazeutische Unternehmer deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, länger die Verantwortung für dieses Produkt zu tragen. Wegen der Pflicht des Apothekers, sich entsprechend zu informieren, wäre daher eine Haftung in den seltenen Fällen der Abgabe von Restbeständen möglich, zumal Kenntnis aufgrund der bundesweiten Unterrichtung eines rechtlichen-relevanten Risikos vorausgesetzt werden kann.
Fazit
"Arzt, Arzneimittel (-hersteller; Einf. d. Verf.) und Apotheker wirken zusammen, um den Patienten vor Krankheiten zu schützen, seine Gesundheit wieder herzustellen und seine Schmerzen zu lindern".27 Die dazu erforderlichen Interaktionen – respektive auch Substitutionen – lösen funktionstypische Haftungen aus. Im Fall Vioxx® sind die zum Teil äußerst schwerwiegenden Folgen sehr zu bedauern. Der Verschuldensvorwurf ist jedoch – wie in den USA und im nationalen Sicherheitssystem mit der Gefährdungshaftung auch so vorgesehen – an diejenigen zu richten, die risikobehaftete Produkte erst auf den Markt bringen: die Hersteller.
Anschriften der Verfasser:
Rechtsanwalt Dirk Webel
Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser, Fachanwalt für Medizinrecht
Leinen & Derichs Anwaltssozietät, Clever Str. 16, 50668 Köln
Dr. Valentin Saalfrank, Fachanwalt für Medizinrecht
Berrenrather Str. 393, 50937 Köln
Fußnoten1 Medizinrecht, Rdnr. 1192 ff.; Cyran/Rotta, ApBetrO, § 17 Rdnr. 61; Möhle, Haftpflichtversicherung im Heilwesen, S. 42. 2 Siehe nur in den Berufsordnungen der Apothekenkammern: Nordrhein § 17, Bayern § 16, Hessen § 11, Rheinland-Pfalz § 17; Baden-Württemberg § 16, Hamburg § 11, Saarland § 10; Sachsen § 7, Mecklenburg-Vorpommern § 1 Abs. 5. 3 Cyran/Rotta, ApBetrO, § 17 Rdnr. 60. 4 BGH, Beschl. v. 25. November 2003 – 4 StR 239/03, mit Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (s. ebenda). 5 BSGE 77, 194 (203). |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.