Aus der Hochschule

Apotheke im Wandel

Am 8. Februar 2008 fand im Biozentrum der Johann Wolfgang Goethe-Universität die traditionelle akademische Feier der Frankfurter Pharmazie statt. Promovierte aus dem Bereich Pharmazie sowie die Absolventinnen und Absolventen des 2. Abschnitts der pharmazeutischen Prüfung erhielten ihre Urkunden aus den Händen des Promotors Prof. Dr. Steinhilber. Als Festrednerin sprach Erika Fink, die Präsidentin der Hessischen Landesapothekerkammer.

Unter dem Thema "Apotheke im Wandel" berichtete Fink, was ihr der Chef am ersten Tag ihres Praktikums gesagt hatte: "Pass auf, der Apothekenleiter ist der Kopf der Apotheke, die Praktikantin ist deren Seele. Die beiden müssen Hand in Hand arbeiten, dann geht es unseren Patienten und der Apotheke gut." Heute dagegen wird ein Apothekenleiter seinem Praktikanten eher sagen: "Wir sind QMS-zertifiziert, halten Sie sich an das Handbuch, und bitte keine spontanen Aktionen."

Wie ein Apotheker sein sollte …

Weiterhin zitierte Fink aus der zu ihrer Praktikantenzeit aktuellen Ausgabe des Buches "Der Apothekerpraktikant". Darin waren die wünschenswerten Eigenschaften des Apothekers aufgezählt, z. B.:

  • Er muss gesund und kräftig sein, denn der Dienst stellt zeitlich immer, körperlich häufig große Anforderungen an Ausdauer und Kraft.

  • Er muss charakterfest sein, vor allem ehrlich, pünktlich, gewissenhaft, zuverlässig, beherrscht und opferbereit, denn der Apothekerberuf besteht weit mehr aus Pflichterfüllung denn aus Freiheiten und Ausnutzungsmöglichkeiten der Lebensfreude.

  • Er muss verschwiegen sein, sowohl was die Krankheiten der Menschen als auch das Betriebsgeheimnis angeht.

  • Er muss geschickt, körperlich und geistig gewandt, ruhig, geistesgegenwärtig und überlegend sein.

  • Er muss ein guter Rechner sein, denn jede Vorschrift ist eine Rechenaufgabe, jedes Rezept, jede Untersuchung, ebenso Einkauf, Preisgestaltung im Handverkauf und Buchführung.

  • Er muss eine gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit zur Selbstüberwachung bei der Arbeit haben.

  • Er braucht gute, liebenswürdige, teilnehmende und den Kranken gegenüber besonders rücksichtsvolle Umgangsformen.

  • Er braucht Unterordnungssinn gegenüber den im Dienst Vorgesetzten, Einordnungsvermögen in den Dienstbetrieb, Kameradschaftsgeist und über allem die Erkenntnis, dass der Apotheker nichts anderes ist als ein Diener am Volksganzen unter Hintansetzung seines eigenen Ichs.

Das war die Theorie. Aber auch die Praxis war anders als heute. So gab es deutlich weniger Fertigarzneimittel und entsprechend mehr Rezeptur – Digitalispillen und Infusum Ipecacuanhae waren an der Tagesordnung. Wegen der individuell angefertigten Rezepturen hatte der Patient das Gefühl, eine persönliche Behandlung zu bekommen. Da es gegen viele Krankheiten keine wirksamen Medikamente gab, erwarteten die Patienten vom Apotheker umso mehr Empathie, Zuwendung und Hilfsbereitschaft.

Entzauberung der Apotheke und des Arzneimittels

Durch die enormen Fortschritte der Pharmaforschung und -industrie verloren die Apotheker als Hersteller von Arzneimitteln gewaltig an Bedeutung. Zugleich wandelten die Apotheken ihr Gesicht. Früher waren es Räume, die dem Patienten wenige Einblicke erlaubten. Er sah Standgefäße, Schubladen und natürlich den Apotheker, das Wichtigste überhaupt in der Apotheke. Nun aber kamen Sichtwahl und Freiwahl, die den Bedarf nach Arzneimitteln wecken sollten. Das Produkt trat in den Vordergrund, während der Apotheker stärker die Rolle des Kaufmanns übernahm.

Zusammen mit der Pharmaindustrie entdeckten die Apotheker, dass man mit Arzneimitteln nicht nur Krankheiten behandeln, sondern auch Prophylaxe betreiben kann. Sie empfahlen Immunstimulanzien, Mineralstoff- und Vitaminpräparate, wissenschaftlich verbrämt als Präparate der orthomolekularen, alternativen und komplementären Medizin. Der Patient wurde zum Kunden, der Zusatzkäufe tätigen sollte. Seitdem die Fertigpräparate im Mittelpunkt der Apotheke stehen, ist es vorstellbar, dass Automaten die Arzneimittel ausgeben und den Apotheker ersetzen.

Die EDV kam Anfang der 80er-Jahre in die Apotheken. Für die Führung eines Warenlagers ist der Rechner das non plus ultra; auch für die Beratung ist er nützlich, aber leider wurde er oft so eingesetzt, dass mancher Patient den Eindruck bekam: Der Apotheker macht ja gar nichts selbst – er ist eigentlich überflüssig.

Als die Gesundheitsreformen den Verdienst an Arzneimitteln schmälerten, erweiterten viele Apotheken das Nebensortiment mit Kosmetika, Nahrungsergänzungsmitteln und Diätetika. Die Apotheke verkaufte Allerweltsprodukte und war, so Fink, "gewissermaßen entzaubert". Zeitgleich trat bei den Arzneimitteln mit dem Aufkommen der Generika eine "Entzauberung" der Originalpräparate ein. Sie wurden austauschbar.

Andererseits profilierten sich viele Apotheker mit der Beratung über Arzneimittel, unterstützt von dem Pflichtsatz der Werbung: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker." Zudem eröffnete sich in dem Maße, wie die Erstattungsfähigkeit für Arzneimittel eingeschränkt wurde, ein riesiger Markt in der Selbstmedikation. Damit nahm die Spannung zwischen Heilberuf und Gewinnstreben zu. Die Gewinnchancen lockten aber auch Nicht-Pharmazeuten als Konkurrenten im Arzneimittelmarkt an.

Die Krankenkassen und viele Politiker meinen, der Apotheker sei als Abgeber von Arzneimitteln durch Automaten, Postboten oder andere Auslieferer zu ersetzen und als Berater durch das Internet oder ein Call Center. Hat die Apotheke unter diesen Umständen eine Zukunft? Möglicherweise nur als Mitglied von Kooperationen, als Franchise-Nehmer oder als Apothekenkette, sodass die selbstständigen Apotheker rar werden.

Die Gesellschaft braucht den Apotheker

Unabhängig von den Besitzverhältnissen bei der Arzneimitteldistribution werde auch in Zukunft der Apotheker als Heilberufler gebraucht, meinte Fink und schärfte dem beruflichen Nachwuchs ein:

  • Wir müssen Spezialisten im Kommunizieren von Gesundheitswissen werden.
  • Wenn der Patient nach einem Beratungsgespräch die Apotheke verlässt, muss er das Gefühl haben, hier war und bin ich gut aufgehoben.
  • Wenn wir wollen, dass uns der einzelne Patient oder die Gesellschaft bezahlt, müssen wir die Leistung erbringen, die diese von uns fordern.

Abschließend lobte Fink den hohen Standard des Pharmaziestudiums an der Universität Frankfurt sowie die engagierten und fähigen Lehrer. Ein Studium in Frankfurt sei die beste Grundlage für den Start ins Berufsleben.


cae

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