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Arzneimittel und Therapie
Masern sind gefährlich und kennen keine Grenzen
In ganz Deutschland waren nach Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) von der ersten bis zur elften Kalenderwoche dieses Jahres 128 Personen an Masern erkrankt. Zum Vergleich: Im Vorjahr wurden im selben Zeitraum 97 Fälle gemeldet. Unrühmliche Spitzenreiter 2008 sind dabei Baden-Württemberg (70 Fälle), Bayern (18) und Berlin (14). Es wird jedoch vermutet, dass die Zahl der tatsächlichen Erkrankungen wesentlich höher ist, da einerseits ein großer Teil der Erkrankten nicht vom Arzt behandelt wird und andererseits nicht jede ärztlich behandelte Erkrankung gemeldet wird. In Deutschland ist die Häufigkeit der Masern durch die seit etwa 30 Jahren praktizierte Impfung im Vergleich zur Vorimpfära zwar insgesamt deutlich zurückgegangen, doch kommt es immer wieder zu kleinräumigen Ausbrüchen.
STIKO-ImpfempfehlungenGegen Masern kann man sich mit Impfstoffen schützen, die auf der Basis von attenuierten Viren gewonnen werden und die als Einzelimpfstoff oder in Kombination mit Mumps- und Rötelnimpfstoffen im Handel sind (Masern Impfstoff Merieux®, MMR-Triplovax®, M-M-RVax®, Priorix®). Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen Lebendvirusimpfstoff, hergestellt aus abgeschwächten Masernviren, die auf Hühnerfibroblasten vermehrt werden. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt zur Masern-Mumps-Röteln-Schutzimpfung (MMR): 1. MMR-Impfung im Alter von 11 bis 14 Monaten 2. MMR-Impfung im Alter von 15 bis 23 Monaten Die zweite Impfung ist notwendig, weil etwa 20% der Kinder nach der ersten Impfung keinen ausreichenden Antikörpertiter aufbauen. Treten Masernerkrankungen auf, ist bei allen ungeimpften bzw. nur einmal geimpften Kontaktpersonen sowie Personen mit unklarem Immunstatus möglichst innerhalb von drei Tagen nach Exposition eine MMR-Impfung durchzuführen. Bei möglicher beruflicher Exposition empfiehlt die STIKO eine einmalige MMR-Impfung für ungeimpfte bzw. empfängliche Personen im Gesundheitsdienst und bei der Betreuung von Immundefizienten sowie in Gemeinschaftseinrichtungen und in Kinderheimen. |
Kritik der Weltgesundheitsorganisation
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich das Ziel gesetzt, die Masern in Europa bis zum Jahr 2010 zu eliminieren. Die Regelung, nach der alle Kinder gegen Masern geimpft sein müssen, bevor sie eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen dürfen, hat sich in vielen Ländern z. B. in Skandinavien als sehr erfolgreich erwiesen. In Mitteleuropa scheint allerdings angesichts der aktuellen Situation die Eliminierung fast nicht möglich zu sein – auch deshalb, weil die Durchimpfungsraten in der Schweiz, in Österreich und Deutschland deutlich unter den benötigten 95% für die zwei Impfungen gegen Masern liegen. Um Masern auszurotten, braucht man eine klare Impfstrategie, die alle Kinder im zweiten Lebensjahr erreicht. Gerade in Gemeinschaftseinrichtungen können sich Masern schnell verbreiten. Ungeimpfte Kinder haben nicht nur selbst ein hohes Erkrankungsrisiko – sie gefährden auch die Gesundheit anderer. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin empfiehlt eine zweimalige Impfung gegen Masern ab dem 11. Lebensmonat. In Deutschland wird dazu eine Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken von den Krankenkassen erstattet. Wer in den betroffen Gebieten wohnt, sollte unbedingt seinen Impfschutz überprüfen und sich gegebenenfalls auch impfen lassen. Das gilt auch für ungeschützte Erwachsene – denn mit dem Erkrankungsalter steigt auch die Zahl der Komplikationen.
Ansteckend und gar nicht harmlos
Masern zählen zwar zu den typischen Kinderkrankheiten, aber auch Jugendliche und Erwachsene können betroffen sein. Es ist eine systemische, sich selbst begrenzende Virusinfektion mit zweiphasigem Verlauf. Sie beginnt mit Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen und Husten. Das charakteristische Masernexanthem mit bräunlich-rosafarbenen Hautflecken entsteht am 3. bis zum 7. Tag nach Auftreten der initialen Symptome. Es beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und kann bis zu sieben Tage bestehen bleiben. Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange Immunität. Die Masernvirus-Infektion bedingt eine transitorische Immunschwäche von etwa sechs Wochen Dauer. Die Folgen können bakterielle Superinfektionen sein, am häufigsten Otitis media, Bronchitis, Pneumonie und Diarrhoen. Eine besonders gefürchtete Komplikation, die akute postinfektiöse Enzephalitis, zu der es in 0,1% der Fälle kommt, tritt etwa einige Tage nach Auftreten des Exanthems mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma auf.
Keine spezifische antivirale Therapie
Erkrankte Personen sollten in der akuten Krankheitsphase Bettruhe einhalten. Eine spezifische antivirale Therapie gibt es nicht. Die symptomatische Therapie ist abhängig von den Organmanifestationen. Neben fiebersenkenden Medikamenten und Hustenmitteln ist bei bakteriellen Superinfektionen eine antibiotische Therapie indiziert. Weil der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist, der Erreger antigenisch stabil ist und ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht, ist eine wirksame Prävention bis hin zur weltweiten Elimination möglich. Die Einführung der Masernimpfung hat zwar zu einem Rückgang der Masernerkrankungen in Deutschland geführt, wegen der nur suboptimalen Impfraten konnten die Masernviren jedoch weiter zirkulieren. "Es kann nicht sein," so Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), "dass in der Schweiz, Österreich und Deutschland die Europameisterschaften der Masern stattfinden – gleichzeitig aber in vielen anderen Teilen der Welt die Masern erfolgreich eliminiert wurden. Alle Experten wissen, wie die Masern erfolgreich bekämpft werden. Kein Kind darf eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen ohne einen vollständigen Impfstatus." Um Masern auszurotten, braucht man eine klare Impfstrategie, die alle Kinder im zweiten Lebensjahr erreicht und die umgesetzt wird. Deshalb sollte immer wieder auf einen altersgerechten und vollständigen Impfschutz geachtet werden!
Massenveranstaltung mit erhöhtem InfektionsrisikoVor der Fußball-Europameisterschaft den Impfstatus überprüfen und komplettieren In wenigen Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich. Das Gesundheitsministerium Österreichs weist gemeinsam mit den Schweizer Behörden in Zusammenhang mit der Euro 08 darauf hin, dass jede Massenveranstaltung auf der Welt, so auch die Euro 08, für alle Teilnehmer – Sportler, Zuschauer und Funktionäre – epidemiologisch gesehen auch ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellt. Das Schweizer Bundesamtes für Gesundheit und das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend in Österreich sprechen daher – insbesondere für Touristen – folgende Empfehlungen aus:
[Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend Österreichs vom 4. April 2008.]
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Quelle
Epidemiologisches Bulletin Nr. 14 des Robert Koch-Instituts vom 4. April 2008.
Masern. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Stand 2006.
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V., Köln. www.kinderaerzteimnetz.de
ck
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