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Aufmarsch der Freunde des Fremdbesitzes
"Gesundheitsmarkt im Wandel – Politische und wirtschaftliche Perspektiven" – unter diesem eher unspektakulären Motto luden Celesio/Gehe Ende letzter Woche zu einem interessanten Symposium ein (vgl. Seite 18). Über 400 Teilnehmer folgten dem Ruf von Celesio-Chef Fritz Oesterle. Den Referenten und Diskutanten der Stuttgarter Veranstaltung war gemein, dass sie fast alle Befürworter von Apothekenketten und Sympathisanten einer weit reichenden Deregulierung des deutschen/europäischen Apothekenmarktes sind. Nahezu vollständig war in Stuttgart der Aufmarsch der Bundes- und Europa-Politiker, die sich in Union, FDP und bei den Grünen gerne als Freunde des Fremd- und Mehrbesitzes profilieren. Vorneweg natürlich Ketten-Front-Frau Biggi Bender. Die gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Bundestags-Fraktion ist am Celesio/Gehe-Sitz eine gern gesehene Politikerin. Sie tritt dort regelmäßig auf; umgekehrt outete sich Oesterle Anfang des Jahres bei einem grünen Apothekenketten-Fachgespräch als Bender-Fan ("Gratulation! Eine solche Veranstaltung hätte ich eher bei der FDP erwartet"). In den Celesio/Gehe-Zentralen ist Schwarz-Grün schon lange Wirklichkeit: Schlüsselfigur ist dabei neben Oesterle Eckhard Cordes. Cordes ist nicht nur Vorstandsvorsitzender der Celesio-Mutter Haniel und Doppel-Aufsichtsratvorsitzender von Metro (bei der Haniel maßgeblich beteiligt ist) und Celesio, sondern auch Vize-Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats. Der Wirtschaftsrat ist ein bundesweit organisierter Unternehmensverband, der die Interessen der Wirtschaft gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit vertreten soll. Und das tut er durchaus wirkungsvoll.
Was Cordes im Wirtschaftsrat, ist Kleinert in der Celesio-Konzernzentrale. Matthias "Matt" Kleinert war zunächst Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, dann enger Vertrauter von Ministerpräsident Lothar Späth und schließlich Regierungssprecher und Staatssekretär. Seit 2004 verantwortet er das Ressort "Corporate External Affairs" bei Celesio. Kleinert unterhält enge Kontakte zur CDU-Führungsriege, z.B. zu Ministerpräsident Günter Oettinger (er hielt in Stuttgart ein Grußwort und lud zum abendlichen Empfang der Landesregierung) oder zum CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, dessen Ehefrau "Charity Lady" von Celesio ist. Mit im Celesio-Team von Kleinert ist Niombo Lomba ("Corporate External Affairs Manager"), früheres Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen und heute in Biggi Benders grünem Stuttgarter Kreisverband aktiv.
In Stuttgart waren sie alle mit dabei und man konnte fast etwas neidisch werden: Ja, so sieht erfolgreiches Lobbying aus. Chapeau: Celesio/Gehe/DocMorris gelingt es immer besser zu suggerieren, dass in Sachen Fremd- und Mehrbesitzverbot die europäischen Würfel längst gefallen seien. Eine krude Allianz Bender-getreuer CDU- und FDP-Abgeordneter samt naiv-wirtschaftsliberaler Zeitungsredakteure (sie werden bevorzugt als Moderatoren engagiert) tun ihr Übriges. Insbesondere Jorgo Chatzimarkakis, saarländischer (sic!) FDP-Generalsekretär und Abgeordneter im Europaparlament, entsprach in Stuttgart den Erwartungen seiner Gastgeber: in scharfen Worten geißelte er seine eigene Partei und plädierte für eine europaweite Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Apotheken. "Chatzi" wurmt, dass die FDP das bestehende System der flächendeckenden Arzneimittelversorgung mehrheitlich verteidigt. Ins gleiche Horn wie sein FDP-Kollege stößt – etwas moderater – Jens Spahn. Spahn, der sich gern als junger Wilder bezeichnet, sitzt für die CDU im Gesundheitsausschuss des Bundestages und organisiert dort auch schon einmal Norwegen-Trips zu Celesio-Kettenapotheken. In der Sache verstehen sich Bender, Chatzimarkakis und Spahn prächtig. Andere, wie die baden-württembergische Ministerin für Arbeit und Soziales, Monika Stolz, agieren da etwas vorsichtiger. Gleichwohl: Sehr überzeugend war es nicht, wie Frau Minister auf dem Symposium apothekenpolitisch herumeierte. Nicht auf Celesio-Linie bewegte sich in Stuttgart ("Die Linke" war nicht eingeladen) nur der SPD-Vertreter: Peter Friedrich, MdB und ebenfalls Mitglied im Gesundheitsausschuss, hielt sich wacker und lobte sogar die Politik der offiziellen Berufsvertretung. War da bei den Veranstaltern etwas schief gelaufen? Hatte Lauterbach abgesagt?
Apropos ABDA: Sie war in Stuttgart das Feindbild Nr. 1. Insbesondere bei Oesterle scheint der Stachel tief zu sitzen, dass trotz Einladung niemand den Weg aus der Jägerstraße nach Stuttgart gefunden hatte. Seit mehr als einem Jahr, so der Celesio-Chef, herrsche absolute Funkstille. Auf dem Podium, aber auch unter den Gehe-Kunden im Plenum, stieß dies auf Unverständnis.
Und in der Tat stellt sich die Frage, ob man nicht (wieder) miteinander reden sollte. Ich meine: ja. So richtig es war, nach dem dreisten Hecken/Oesterle/Däinghaus-Coup in Saarbrücken ein Zeichen zu setzen und die unmittelbar anstehenden Kontakte mit Celesio/DocMorris auszusetzen, so kontraproduktiv ist es, sich auf Dauer Gesprächen zu verweigern (zumal, wenn man die besseren Argumente auf seiner Seite hat). Vielleicht bietet ja die "Interpharm" Gelegenheit, das Schweige-Kartell aufzulösen und Tacheles zu reden. Oesterle und Däinghaus haben ihr Kommen angekündigt. Vertreter der ABDA auch. Allerdings – vorerst? – zu verschiedenen Veranstaltungen. Aber vielleicht kreuzen sich ja die Wege. Ganz ohne Schmusekurs.
Christian Rotta
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