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- AZ 27/2008
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"Test": Miserable Beratung in Apotheken
Diesmal waren es 20 gut frequentierte Berliner Apotheken in Einkaufscentern und Bahnhöfen, die im Februar und März dieses Jahres mit jeweils sieben unterschiedlichen Testsituationen konfrontiert wurden: Drei Mal ging es um Wechselwirkungen: Kann Johanniskraut problemlos mit Marcumar eingenommen werden? Wie steht es mit der Kombination Voltaren Dolo und dem Blutdrucksenker Delix? Und was sollte man bei der Einnahme von Fosamax und Kalzium/Vitamin D3 -Tabletten beachten? Können beide Präparate zum Frühstück eingenommen werden? Die erste abgefragte Wechselwirkung – eine erhöhte Thrombosegefahr – wurde noch in 16 Apotheken erkannt und benannt. Die zweite Frage beantworteten dagegen nur noch sechs Apotheker zufrieden stellend: Sie wiesen darauf hin, dass eine andauernde Einnahme des Rheuma- und Schmerzmittels die Blutdrucksenkung durch ACE-Hemmer mindern kann und der Blutdruck daher regelmäßig zu kontrollieren ist. Die Frage zur Osteoporose-Therapie wurde trotz gezielter Nachfrage gar nur noch in vier Apotheken richtig und vollständig beantwortet. Erwartet hatte man bei der Stiftung Warentest den Hinweis, dass Fosamax nüchtern, mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück, einzunehmen ist, da sonst die Wirkung aufgehoben wird. Nach der Einnahme sollte man sich nicht mehr hinlegen, um eine schleimhautreizende Wirkung auf die Speiseröhre zu verhindern. Die Kalzium/Vitamin D3 -Tabletten sind im zeitlichen Abstand zu nehmen – am besten Fosamax am Morgen und Kalzium am Abend.
Weiterhin war beim jüngsten Apothekentest das Anfertigen einer Standardrezeptur gefragt. Zur Behandlung der Gesichtshaut-Erkrankung Rosazea sollte ein Metronidazol-Gel hergestellt werden. Vier Apotheken lehnten die Rezeptur gänzlich ab – und handelten sich durchweg ein "mangelhaft" ein. Bei drei von ihnen – darunter eine EasyApotheke – vergingen zwei bis drei Tage, bis sie ihren Kunden erklärten, die Substanzen seien nicht lieferbar. Eine weitere Apothekerin erklärte direkt, dass für die Rezeptur große Mengen der Ausgangssubstanzen bestellt werden müssten, weshalb sie die Anfertigung ablehne. Die 16 Apotheken, die die gewünschte Zubereitung herstellten, konnten dafür allerdings nicht automatisch einen Pluspunkt verbuchen. So bekamen die Testkunden in zwei Apotheken statt eines Gels eine Flüssigkeit in Flaschen und eine Apotheke lieferte das Mittel gegen Hautentzündung in einem Deoroller, der bei den Testern gar nicht gut ankam. Lediglich fünf Apotheken verwendeten eine Tube oder Spenderdose als Verpackung – so wie es die einschlägige Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung auch vorsieht. Eine dieser Apotheken deklarierte das Gel jedoch nicht adäquat, sodass letztlich nur vier Apotheken die Rezeptur zur vollen Zufriedenheit der Tester anfertigten.
In den letzten drei Testsituationen ging es um die Beratung zu Nahrungsergänzungsmitteln und Sonnenmilch sowie ums Blutdruckmessen. Die Frage einer Mutter, ob ihrem zehnjährigen Sohn bei Konzentrationsschwächen Nahrungsergänzungsmittel helfen könnten, wurde nach den Kriterien der Stiftung Warentest lediglich in sechs Apotheken "optimal" beantwortet. Statt die Situation zu hinterfragen und einen Arztbesuch anzuraten, wurden Nahrungsergänzungsmittel – in einem Fall zum stolzen Preis von knapp 38 Euro – verkauft. Ebenfalls sechs Apotheken konnten mit einer guten Sonnenschutz-Beratung für einen Karibik-Urlaub punkten. Bei den übrigen war teilweise bereits die Erläuterung der Bedeutung des Lichtschutzfaktors Fehlanzeige. Die Blutdruckmessung wurde bestenfalls als "mittelmäßig" (zwölf Apotheken) wahrgenommen – bei allen anderen waren die Mängel "deutlich" oder "stark". So wurde nur bei 16 von 40 Messungen eine Ruhezeit eingehalten. Trotz vieler erhöhter Messwerte gab es nur vier Zweitmessungen.
Anspruch und Wirklichkeit
Repräsentativ ist die Auswahl der 20 Apotheken sicherlich nicht, das räumt auch Hubertus Primus, Bereichsleiter Publikationen bei der Stiftung Warentest, ein. Doch um wirkliche Vergleiche ziehen zu können, sei eine gewisse Homogenität der geprüften Apotheken nötig. Zudem wollten sich die Tester bewusst Apotheken anschauen, die sich selbst als "unabhängige Gesundheitszentren" darstellen. Auch wenn etwa in einer Landapotheke in Süddeutschland möglicherweise ein anderes Testergebnis herausgekommen wäre: Letztlich reihe sich auch der jüngste Test nahtlos in die Apotheken-Tests der vergangenen 15 Jahre ein, betonte Primus. Ob Präsenz- oder Versandapotheke, ob groß oder klein: Bislang konnte kaum eine Apotheke die Tester überzeugen. Dafür hat Primus angesichts der sich "dramatisch veränderten" Rahmenbedingungen, die die Apothekerkammern immer wieder veranlassten, die Beratungsleistung als Alleinstellungsmerkmal der Apotheken zu beschwören, kaum Verständnis. Im aktuellen Test ist aus Sicht der Stiftung Warentest vor allem auch das schlechte Abschneiden bei der Rezeptur bedenklich. Dr. Ursula Loggen, Abteilungsleiterin Produkttests, verwies darauf, dass die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, vor einem Jahr betont hatte, die Herstellung von Rezepturen sei ein "integraler Bestandteil" des Apothekerberufs. Auch wenn es sich in den meisten Fällen für die Apotheker nicht rechne, nähmen sie ihre "Verantwortung als Heilberufler" wahr. Offenbar ist dies nicht in allen deutschen Apotheken angekommen..
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