Börsen: Die Hoffnung stirbt zuletzt

(hps). Vor drei Wochen wurde an dieser Stelle vor einer Korrektur an den Börsen gewarnt. Vor zwei Wochen wurde der Zielkorridor auf 6500 bis 6800 DAX-Punkte festgelegt und in der letzten Ausgabe der Apotheker Zeitung nochmals bestätigt. Nun hat der DAX den Trendkanal erreicht – mit Hang zur unteren Begrenzung.
Wann schwappt die US-Wirtschaftskrise vollends nach Europa?

Was für eine Woche! Zunächst hatten ein leichter Rückgang der Ölpreise und ein stärkerer Dollar die Stimmung an den Börsen gehoben. Dann warteten die USA mit einem überraschenden Rückgang der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung im Wochenvergleich auf, was zunächst das Vertrauen in den amerikanischen Konsum zurückbrachte und die Rezessionsängste besänftigte. Anlegern machte das Lust auf mehr. Denn dieser positive Wochenvergleich schien für die wenig später zur Veröffentlichung anstehende US-Arbeitslosenstatistik (Monat Mai) ein hoffnungsfroher Indikator zu sein. Doch es kam anders.

Die Arbeitslosenrate stieg im Mai von 5,0% auf 5,5%, der größte Monatsanstieg seit mehr als 20 Jahren, während gleichzeitig Ölpreis und Euro satte Sprünge nach oben vollführten. Wie letzte Woche schon dargelegt, war nicht anzunehmen, dass die Rohstoff-Haussiers so einfach das Handtuch werfen würden. Zusammen mit der steigenden Arbeitslosenquote bedeutet dies für die Konsumausgaben nichts Gutes.

Erstaunlicherweise ist der Optimismus unter den Profis am Frankfurter Parkett noch relativ hoch. Experten der Commerzbank raten nun zum sukzessiven Aufstocken der Aktienpositionen. Ein Analyst des Daytradebrokers Clickoptions gibt sich mit einem Kursziel von 7100 DAX-Punkten sogar ausgesprochen optimistisch.

Sicher wäre es falsch, in der Energiekrise den Sargnagel für die Weltwirtschaft zu sehen. Bevor es richtig wehtut, werden hier die Spekulanten schon rechtzeitig abdrehen. Andererseits sollte man die Auswirkungen auf den Konsum nicht unterschätzen. Die US-Wirtschaftskrise könnte mit zeitlicher Verzögerung auch auf Europa übergreifen und die Weltwirtschaft tatsächlich an den Rand einer Stagflation bringen. Diese Gefahr scheint in dem aktuellen Kursszenario des deutschen Aktienbarometers bislang aber nur unzureichend eingepreist zu sein. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, woher viele Profis ihren Optimismus nehmen.

FED droht, EZB sieht Handlungsbedarf

Der Chef der US-Notenbank Ben Bernanke warnt vor der Inflation – und will weiter beobachten. Den Dollar zum Beispiel, den er nur allzu gerne nach oben geredet hätte, und die Preisentwicklung, die ihm "signifikante Sorgen" bereitet. Aber damit der Sorgen nicht genug: Die obersten Währungshüter sehen die Immobilienkrise noch lange nicht als überstanden an. Klar, dass Bernanke unter diesen Umständen einen großen Bogen um das Thema Zinserhöhungen macht.

Ganz anders schallt es dagegen aus den heiligen Hallen der EZB. Dort hatte Notenbankchef Trichet letzte Woche recht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die derzeitige Teuerungsrate von 3,6% nicht mehr darstellbar sei und damit gleichzeitig eine Zinserhöhung für Anfang Juli angedeutet. Damit legt die EZB ihren Beobachtungsschwerpunkt wieder auf die Inflation, nachdem lange Zeit die Sorgen um die Konjunktur dominierten. Möglicherweise hat dieser Schritt sogar Signalcharakter. Im Fernen Osten und selbst in den USA nimmt der Einfluss der geldpolitischen Falken deutlich zu.

Der Ölpreis und das "dumme Geld"

Als die Ölnotierungen vor Kurzem zum ersten Mal die 135 Dollar-Barriere überwanden, waren die Schuldigen für die Preistreiberei schnell ausgemacht: Die Spekulanten. Ein Öl-Trader eines – nicht näher benannten – deutschen Finanzinstituts bezeichnete damals gegenüber dem "Handelsblatt" die dabei agierenden Kräfte als "dummes Geld" – unerfahrene Händler also, die meinten, der Markt kenne nur eine Richtung. So war es am 26. Mai nachzulesen.

Nun, ganz so dumm war das Geld denn wohl doch nicht. Nur wenige Tage danach schoss der Ölpreis auf 139 Dollar und tastete sich damit schon nahe an das von Morgan Stanley und Lehman Brothers prognostizierte Niveau von 150 Dollar pro Barrel heran.

Bemerkenswert dabei: Die Preisschübe beim Öl und die Dollarschwäche gehen stets Hand in Hand. Seit rund zwei Jahren reagiert der Rohölpreis auf eine einprozentige Dollarabwertung mit einem durchschnittlichen Anstieg von 3%. Experten der Dresdner Bank vermuten dahinter zweierlei: Einmal das Agieren der Öl exportierenden Länder, die durch ihre an den Dollar gebundenen Einnahmen an Kaufkraft verlieren und im Gegenzug versuchen, dies durch höhere Rohölpreise wieder auszugleichen. Andererseits werde nach Einschätzung der Bank viel Geld aus dem US-Finanzmarkt nach Europa, aber auch in die Rohstoffmärkte umgeschichtet. Gerade an letztere hege man hohe Gewinnerwartungen, solange der Wirtschaftsboom in Asien anhält. Dieser Erklärungsansatz erscheint plausibel. Jedenfalls plausibler als die Theorie vom "dummen Geld". Und er offenbart eine wichtige Erkenntnis, auch und besonders für den Aktienmarkt: Die Ölpreisnotierungen scheinen nur bedingt Produkt des weltweiten physischen Nachfrageschubs zu sein. Mindestens so schwer wiegt derzeit die Aversion gegen Finanzanlagen im Dollarraum. Wobei nicht gesagt ist, dass die Koppelung von Öl- und Dollarentwicklung ein Patent auf die Ewigkeit besitzt – was sich übrigens bald erweisen wird, denn der Euro dürfte technisch unter Druck geraten.

Strategie

Steigende Arbeitslosenzahlen und zunehmender Kaufkraftschwund bei gleichzeitig steigenden Zinsen und haussierenden Ölpreisen, – das ist ein äußerst giftiges Gebräu. Eine Besserung der Lage ist derzeit nicht zu erwarten. Der Joker Globalisierung zieht momentan nicht, er bleibt noch im Ärmel. Für den DAX bleibt es bei dem Kursziel von 6500 Punkten, und selbst dieses Kursniveau bedeutet für die Optimisten noch keinen Persilschein. DAX vom 11. Juni (12.00 h): 6773 Punkte..

Nach wie vor ein Thema – Überall wird gespannt der Ölpreis verfolgt, bemerkenswert ist der Zusammenhang zwischen Preissteigerung und Dollarschwäche.
Foto: qwasto2005 - Fotolia.com

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