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DAZ aktuell
Kinderfreundlichkeit
Deutschland ist nur Mittelmaß
(ral/unicef). Deutschland ist in Bezug auf seine Kinderfreundlichkeit im internationalen Vergleich nur Mittelmaß. Dieses ernüchternde Ergebnis geht aus einem vom Kinderhilfswerk Unicef veröffentlichten Bericht zur Situation der Kinder in den Industrienationen hervor. Für diesen Bericht hat Unicef erstmals die zentralen Aspekte der kindlichen Entwicklung in 21 Industrieländern zusammenhängend untersucht.
Auf den Prüfstand kamen insgesamt sechs Dimensionen: materielle Situation, Gesundheit, Bildung, Beziehungen zu Eltern und Gleichaltrigen, Lebensweise und Risiken sowie eigene Einschätzung der Kinder und Jugendlichen. In sämtlichen Dimensionen erreichte Deutschland nur durchschnittliche Werte und landete insgesamt auf Platz 11 der Rangliste der kinderfreundlichen Länder. Angeführt wird die Liste von den Niederlanden, gefolgt von Schweden, Dänemark und Finnland. Die Schlussplätze belegen Großbritannien und die USA.
Der Bericht macht unter anderem deutlich, dass die Wirtschaftsleistung eines Landes nicht unbedingt ausschlaggebend für die materielle Situation der Kinder ist. Hier steht Tschechien besser da als Deutschland, Italien oder Japan. Auch sind Armut und eine schlechte Lebenssituation nicht nur am geringen Einkommen der Eltern fest zu machen. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien rechnen mehr als 30 Prozent der Jugendlichen damit, keine anspruchsvolle Arbeitsstelle zu finden.
Eltern haben zu wenig Zeit
Ein düsteres Bild zeichnet sich ab, wenn es um die Beziehung der Kinder und Jugendlichen zu ihren Eltern geht. Mehr als die Hälfte der 15-jährigen Deutschen beklagen, dass ihre Eltern kaum Zeit haben, sich mit ihnen zu unterhalten. In Ungarn und Italien machen nur etwa ein Viertel der Jugendlichen diese Erfahrung.
Impfraten müssen gesteigert werden
Deutschland gibt für sein Gesundheitssystem deutlich mehr aus als Schweden oder Dänemark und belegt trotzdem im Hinblick auf die Gesundheit von Kindern nur den mittelmäßigen Platz 12. Schweden dagegen liegt auf Platz 1, Dänemark auf Platz 4. Der Unicef-Vergleich umfasst Daten zu Säuglingssterblichkeit, Impfraten sowie Todesfälle durch Unfälle und Gewalt. Die Daten belegen insgesamt das hohe Niveau in den Industriestaaten. So konnte die Zahl der Kinder, die durch Unfälle ums Leben kommen, in den letzten 30 Jahren halbiert werden. Die Säuglingssterblichkeitsrate liegt durchweg unter 10 von 1000 Neugeborenen. Große Differenzen gibt es bei der Zahl der Kinder zwischen 12 und 23 Monaten, die gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten geimpft wurden. Während in Ungarn und Tschechien sowie in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden über 95 Prozent der Kinder gegen Masern, Polio, Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus geimpft sind, liegt der Anteil in Deutschland nur bei 92 Prozent, in Österreich sogar bei weniger als 85 Prozent.
Beim Rauchen sind wir spitze
Besonders besorgniserregend ist das Risikoverhalten deutscher Jugendlicher. Hier liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz der Unicef-Liste. Nur Großbritannien schneidet noch schlechter ab. Hauptgrund für die negative Bewertung ist das Rauchen. In Deutschland rauchen mehr als 16 Prozent der 15-Jährigen mindestens einmal pro Woche. Das ist ein trauriger Spitzenplatz, in keinem anderen Land rauchen so viele junge Menschen. Auch beim Alkoholkonsum liegt Deutschland weit vorn. Über 16 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen zwischen elf und 15 Jahren gaben bei der Befragung an, bereits zweimal oder öfter betrunken gewesen zu sein. In Frankreich und Italien z. B. lag die Zahl unter 10 Prozent.
Süd-Nord- und West-Ost-Gefälle
Wie gut oder schlecht die Situation der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist, hängt unter anderem davon ab, in welchem Bundesland sie leben. So schnitten unter den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt aller Kriterien am besten ab. Auf Platz fünf landete Sachsen vor Rheinland-Pfalz, Hamburg und Niedersachsen. Schlusslichter wurden Sachsen-Anhalt und Bremen. Insgesamt scheint die Lage von Kindern im Westen besser als im Osten und im Süden besser als im Norden zu sein, heißt es in der Studie.
"Deutschland hat in den vergangenen 30 Jahren eine Entwicklung verschlafen, die in anderen Ländern schon viel früher zur Kenntnis genommen worden ist", kommentierte ein Sprecher des Familienministeriums die Unicef-Studie. Die Bundesregierung habe dies jedoch inzwischen erkannt und eine Wende hin zu einer nachhaltigen Familienpolitik eingeleitet.
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