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- DAZ 50/2007
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Seite 3
Das "Apothekengeschäft"
Da wird gewaltig Druck erzeugt. Lebensmitteldiscounter und Drogeriemarktketten rüsten zurzeit auf. Angriffsziel ist der Arzneimittelmarkt. Nachdem das gängige Sortiment, sprich Lebensmittel und Drogerieartikel plus Zusatzgeschäfte ("Non-Food") weitestgehend ausgereizt ist, das Digitalfotoprint-Geschäft mit seinen Preisen schon im Keller ist, das Online-Geschäft an seine Nachfragegrenzen stößt, das Sortiment schon ständig erweitert wurde, suchen die Discounter nach neuen Umsatzquellen. Ins Visier genommen haben sie das Apothekengeschäft. Beflügelt von den aktuellen Diskussionen um die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, von vereinzelten Überlegungen oder Vorbildern im Ausland (Italien), OTC-Arzneimittel aus der Apothekenpflicht zu entlassen, rüsten jetzt alle auf, um sich rechtzeitig in Stellung zu bringen. Jeder möchte am Apothekengeschäft mitmischen, jeder möchte ein paar Millionen dieses Gesundheitsmarktes für sich einstreichen – es geht um mehr Umsatz, mehr Gewinn, es geht schlicht ums Geld.
Einer der ersten war der Drogeriemarkt dm, der über die Kooperation mit der niederländischen Europa-Apotheek in Venlo die Nähe zum Arzneimittelgeschäft sucht. Mit einer Art Rezeptsammelstelle für diese Apotheke – gerichtlich genehmigt – will sich dm bei seinen Kunden auch als Ansprechpartner für Arzneimittel profilieren. Die Discounterkette Plus (und nicht nur diese Kette) wurde nervös. Unlängst ließ sie die Medien wissen, dass man nun auch "Arzneimittel" im Sortiment führe. Angeboten wird ein Sortiment an freiverkäuflichen Arzneimitteln, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln. In 2000 deutschen Filialen soll es mehr als 50 Artikel "zum Discountpreis" geben, so das Unternehmen.
Der Ehinger Drogerie-Discounter Schlecker, dem mittlerweile auch "Ihr Platz" gehört, arbeitet ebenfalls seit einiger Zeit am Einstieg ins "Apothekengeschäft". Dem Vernehmen nach soll er Apotheker im Aachener Raum für den Aufbau eines Arzneiversandhandels in den Niederlanden, der nach Deutschland versenden soll, suchen. Einer Ende November veröffentlichen Stellenanzeige zufolge sucht das Unternehmen gleich "mehrere Apotheker (m/w) sowie mehrere PTA (m/w)" für ein Call-Center.
Auch die Drogeriekette Rossmann plant, sich im Arzneimittelgeschäft zu engagieren, wählt derzeit aber noch den Weg über die Zusammenarbeit mit der "Deutschen Internet Apotheke". In Rossmann-Filialen machen große Hinweisschilder auf die Möglichkeit aufmerksam, über Rossmann Arzneimittel zu beziehen. 16-seitige Flyer liegen zum Mitnehmen aus, in denen das preisgünstige OTC-Sortiment angeboten wird ("bis zu 50% sparen"). Aber auch Rezepte können an die mit Rossmann zusammenarbeitende Apotheke weitergeleitet werden.
Ganz aktuell: die Drogeriekette Müller, die in Deutschland etwa 500 Filialen betreibt, sucht für ihre Zentrale in Ulm-Jungingen auch eine(n) Apotheker(in) zum Aufbau und zur Organisation des Apothekengeschäfts. Jetzt also auch Müller.
Die Discounter scheinen von einem Fieber befallen zu sein, es nicht verpassen zu wollen, rechtzeitig ins Apothekengeschäft einzusteigen. Spekulationen um den Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots, um die Möglichkeit, auch OTCs vertreiben zu können, heizen die Aufbruchstimmung an.
In Apothekerkreisen setzt der Apothekenlandschaft vor allem der "Wettbewerb" um "die günstigsten Pillen" zu. Welche Versandapotheke bietet Paracetamol noch billiger an, bei welchem Pillen-Discounter spart man "bis zu 50 Prozent"? Easy-Apotheken feiern die Eröffnung von fünf neuen Discount-Apotheken in Berlin und Bad Godesberg als "Erfolgskurs". Auch DocMorris scheint unter der Ägide von Celesio vermehrt auf die Apotheke vor Ort zu setzen. Unlängst gab das Unternehmen die Partnerschaft mit 100 Vor-Ort-Apothekern bekannt. Im Versandhandelsgeschäft von den Niederlanden nach Deutschland hat DocMorris nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Jahren seine Kundenzahl nahezu verdoppelt. Und sieben Jahre nach dem Start hat die Versandapotheke die 1-Million-Kunden-Marke übersprungen.
Das "Apothekengeschäft" der Zukunft hat alle fest im Griff. Jeder will sich ein großes Stück von diesem Kuchen sichern. Die Medien teilen die Apothekenlandschaft schon jetzt ein in die traditionelle Branche, die keine neuen Ideen vorweisen kann, die an den alten Zöpfen kleben bleibt, und die "erfolgreichen Franchise-Konzepte mit klarer Corporate Identity, einem straffen Sortiment und niedrigen Preisen".
Was nachdenklich stimmt: Von neuen pharmazeutischen Konzepten, von neuen Ideen, wie wir unser pharmazeutisches Wissen als Heilberuf in dieser Gesellschaft besser einsetzen können, spricht niemand. Auch von Apothekerseite kommen hier kaum Vorschläge. Es geht nur noch ums Geld. Die Apotheke verkommt zum reinen "Geschäft". Ich vermisse, dass der Wind des Wandels, der weht, für "Mühlen" genutzt wird, die den Apotheker als Heilberuf stärken. Denn: Verkaufen können viele, pharmazeutisch helfen können nur Apotheker.
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