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Schwerpunkt Prostata-Ca
Früherkennung des Prostatakarzinoms
Neben der Tastuntersuchung und der transrektalen Sonografie kann die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) erste Hinweise auf ein Prostatakarzinom liefern. Das PSA wird fast ausschließlich in Epithelzellen der Prostata gebildet. Erhöhte Werte im Serum können auf ein Prostatakarzinom hinweisen. Sie finden sich aber auch bei benigner Prostatahyperplasie, Prostatitis und nach Manipulationen an der Vorsteherdrüse. Damit ist PSA kein Tumor-spezifischer Marker, erhöhte Werte liefern nur einen Anfangsverdacht.
Zur Diagnosesicherung muss eine Gewebeprobe entnommen werden. Dazu wird in der Regel mit einer dünnen Nadel unter Lokalanästhesie Gewebe aus der Vorsteherdrüse "gestanzt". Intensiv wird nach weniger belastenden Verfahren zur Diagnosesicherung gesucht. So wird zurzeit der PCA3-Test (ProgensaTM) zumindest von Herstellerseite als Durchbruch in der Früherkennung des Prostatakarzinoms gefeiert. Es handelt sich dabei um einen in den USA entwickelten Gentest, der die mRNA des PCA3-Gens nachweist. Dieses Gen zeigt eine besonders ausgeprägte Aktivität, wenn Prostatazellen entarten. Zum Nachweis einer erhöhten Aktivität wird die PCA3-mRNA im Urin des Patienten mit Hilfe eines speziellen Verfahrens (Transkription Mediated Amplification) vervielfältigt und anschließend enzymatisch quantitativ erfasst. Im Gegensatz zu erhöhten PSA-Werten soll eine erhöhte PCA3-Aktivität tumorspezifisch sein. Der Test muss jedoch von einem erfahrenen Urologen durchgeführt werden. Denn um überhaupt die PCA3-mRNA im Urin nachweisen zu können, müssen die mRNA-Moleküle durch eine über den Anus durchgeführte Prostatamassage in die Blase befördert werden. Neben dem PCA3-Test soll auch der Nachweis eines für das Prostatakarzinom spezifischen Proteinmusters im Urin die Früherkennung verbessern. Dieser unter dem Namen DiaPat- Prostatakarzinom vermarktete Test wird ebenso wie der PCA3-Test kritisch bewertet. Die Kosten für beide neuen Testverfahren liegen um ein Vielfaches (ProgensaTM ca. 300 bis 350 €, DiaPat ca. 440 €) über denen eines PSA-Testes (ca. 25 €).
Nach wie vor stehen daher die digital-rektale Palpation, die transrektale Sonografie und der PSA-Test zusammen mit der Prostatabiopsie im Vordergrund, wenn es um die Früherkennung des Prostatakarzinoms geht.
Screening für alle Männer ab 50?
Gängigen Empfehlungen zufolge sollte jeder Mann ab 50 Jahren (bei Prostatakarzinom-Erkrankungen in der Familienanamnese schon ab 45 Jahren) einmal im Jahr eine Früherkennungsuntersuchung durchführen lassen. Während einige Urologen die PSA-Testung mit Schnelltests entweder in der Apotheke oder zu Hause zur groben Orientierung durchaus empfehlen, raten andere wiederum davon ab. So beispielsweise Dr. med. Christof Börgermann von der Klinik und Poliklinik für Urologie der Universitätsklinik in Essen. Seiner Meinung nach gehört die Früherkennung in die Hände von erfahrenen Urologen (s. Stellungnahme). Auch die Bundesapothekerkammer empfiehlt wegen der nicht unproblematischen Aussagekraft von PSA-Tests keine Durchführung in der Apotheke.
Doch nicht nur die Frage, ob PSA-Tests außerhalb der ärztlichen Praxis durchgeführt werden sollen oder nicht, erregt die Gemüter. Gestritten wird auch darüber, ob wirklich ein flächendeckendes Screening ab 50 bzw. 45 Jahren sinnvoll ist. Dr. med. Jean-François Chenot von der Abteilung für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen sieht nicht nur den Nutzen eines groß angelegten Screenings, sondern auch Nachteile. Daher fordert er eine faire Aufklärung (s. Stellungnahme).
QuelleVerfahrensanleitungen zu den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie und der Europäischen Gesellschaft für Urologie Prostatakarzinom 2007. Urologische Universitätsklinik Essen. Westdeutsches Tumorzentrum Essen e.V.
Diagnostik aus Urin zur Erkennung des Prostatakrebs. Pressemitteilung DiaPat GmbH vom 13. Juli 2007
ProgensaTM PCA3 kann die Genauigkeit der Prostatakrebsdiagnose verbessern. Pressemitteilung der GenProbe Incorporated, San Diego. vom 19. September 2007.
Findungsrate organbegrenzter Karzinome in Abhängigkeit des PSA-Wertes | |
PSA [ng/ml] |
Karzinomfindungsrate [%] |
< 0,5 |
6,6 |
0,6 – 1,0 |
10,1 |
1,1 – 2,0 |
17,0 |
2,1 – 3,0 |
23,9 |
3,1 – 4,0 |
26,9 |
4,0 – 9,9 |
27,9 |
> 10,0 |
57,6 |
Screening ist Aufgabe der Urologen!
Die Entdeckung des prostataspezifischen Antigens (PSA) 1989 revolutionierte die Früherkennung des Prostatakarzinoms. Seine Bestimmung im Blut erlaubte es, Karzinome in heilbaren Stadien zu diagnostizieren. In den letzten Jahren ist die anfängliche Euphorie gewichen und der Nutzen der PSA-basierten Früherkennung wird kritisch diskutiert.
Auf der einen Seite werden immer noch viele Prostatakarzinome zu spät für eine kurative Therapie entdeckt, auf der anderen Seite werden viele sogenannte insignifikante oder latente Tumoren gefunden, die keiner Therapie bedürfen, da ihre Träger zu Lebzeiten nie klinisch fassbar an ihrem Prostatakarzinom erkranken. Zur Verdeutlichung dieses Dilemmas:
Jährlich sterben in den USA von 100.000 Männern über 65 Jahre etwa 226 an einem Prostatakarzinom, aus Obduktionsserien ist bekannt, dass bis zu 80 % der 70-jährigen ein latentes Prostatakarzinom aufweisen. Das bedeutet, dass offensichtlich ein großer Pool an Prostatakarzinomen bei den Männern vorhanden ist, von dem sich aber nur ein kleiner Teil so entwickelt, dass der Patient daran verstirbt.
Ziel der Früherkennung muss es daher sein, aggressive therapiebedürftige Karzinome in einem kurativen Stadium zu detektieren, ohne insignifikante Tumoren zu diagnostizieren, die einer Übertherapie zugeführt würden.
Wunsch nach PSA-Test nicht verweigern
Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt festzuhalten, dass die Effektivität des Screenings beim Prostatakarzinom unbewiesen ist, Ergebnisse aus großen randomisierten Studien werden nicht vor 2008 erwartet. Dennoch besteht weitgehender Konsens, dass man heutzutage Männern mit Wunsch nach Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels PSA-Test und digital-rektaler Untersuchung, diese nicht verweigern sollte.
Aktuell wird in Deutschland nach interdisziplinärem Konsens eine jährliche Früherkennungsuntersuchung mittels digital-rektaler Untersuchung und Bestimmung des PSA ab dem 50. Lebensjahr empfohlen, bei positiver Familienanamnese ab dem 45. Lebensjahr.
Abklärung bei PSA-Werten über 4 ng/ml
Dabei sollen PSA-Werte ab einem Schwellenwert größer 4 ng/ml oder suspekte rektale Tastbefunde weiter durch eine transrektal sonographisch gesteuerte Prostatabiopsie abgeklärt werden.
Dieser Algorithmus ist aber nicht in der Lage, aggressive Prostatakarzinome herauszufiltern. Ein möglicher Ansatz ist die Betrachtung des dynamischen Verlaufs des PSA-Wertes. Es ist bekannt, dass dieser bei aggressiven Tumoren wesentlich schneller ansteigt als bei den insignifikanten Formen. Zurzeit wird eine neue S3-Leitlinie zur Früherkennung beim Prostatakarzinom erarbeitet, die dem oben Gesagten besser gerecht werden soll.
PSA-Schnelltests sind abzulehnen!
Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von PSA-Schnelltests, die ein nur qualitatives Ergebnis liefern, abzulehnen. Diese bedienen sich eines willkürlich festgelegten Grenzwertes und entsprechen nicht der geforderten Messgenauigkeit. Die Bestimmung des PSA-Wertes gehört in die Hände eines urologisch versierten Arztes, der seinen Patienten die Vorteile und Risiken der Früherkennung darlegen kann und in der Lage ist, diese in der geeigneten Weise zu interpretieren.
Inwieweit neue Testsysteme wie PCA3 oder DiaPat einen Beitrag zur Früherkennung liefern ist noch unklar. Es muss aber kritisch bemerkt werden, dass diese Systeme nur dazu führen, dass Prostatakarzinome etwas besser identifiziert werden können als durch den PSA-Wert alleine, eine Aussage zur Therapiebedürftigkeit, der so identifizierten Karzinome ist nicht möglich.
Dr. med. Christof BörgermannLeitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Urologie Universitätsklinikum Essen Hufelandstr.45122 EssenÜber Nachteile des Screenings fair aufklären!
Früherkennungsuntersuchungen bei symptomlosen Patienten können zwar Karzinome nicht verhindern, sollen aber durch eine frühe Diagnose und Therapie die Prognose verbessern. Damit eine Früherkennung Patienten empfohlen werden kann, wie zum Beispiel eine Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Serum, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen (Tab. 1).
In Deutschland wird für gesetzlich Versicherte der Umfang der Vorsorgeuntersuchung durch das Sozialgesetzbuch V und die Bundesmantelverträge geregelt. Lediglich die zum Screenen nicht geeignete digital-rektale Untersuchung ist Teil der Krebsvorsorge [1]. Eine Alternative ist die Bestimmung des PSAs im Serum. Da der Nutzen des Screenings mit PSA-Tests bisher nicht belegt ist, müssen Patienten, die diese Untersuchung wünschen, diese selber zahlen.
Die wichtigsten Kennzahlen eines Tests sind Sensitivität (93 %) und Spezifität (60 %), d. h. die Fähigkeit, die Erkrankung richtig zu erkennen oder auszuschließen [2]. Da das PSA auch bei der im Alter fast regelhaft auftretenden benignen Prostatahyperplasie (BPH) oder Prostatitis ansteigt, werden zwar nur wenige Karzinome übersehen, aber viele Männer ohne Karzinom haben erhöhte Werte. Die falsch negativen Ergebnisse sind also gering, dafür muss mit vielen falsch positiven Befunden gerechnet werden (Abb. 1). Die zur endgültigen Diagnose notwendige Biopsie durch den Enddarm ist zwar schmerzhaft, aber relativ ungefährlich. Nur selten kommt es zu schweren Entzündungen. Allerdings kann es hier zu falsch negativen Ergebnissen kommen.
Das Verhältnis der richtig positiven zu falsch positiven (Nachtestwahrscheinlichkeit) Ergebnissen hängt aber nicht nur von den Testkennzahlen ab, sondern auch von der dann Vortestwahrscheinlichkeit genannten Prävalenz. Bei einem PSA-Screening ab 40 Jahren, wie es von manchen vorgeschlagen wird, würden nur ca. fünf Männer von 100 mit einem erhöhten PSA-Wert einen Tumor haben.
Ein häufiger Trugschluss ist, dass die frühe Diagnose regelmäßig mit einem Vorteil verbunden ist. Die im Vergleich zur Inzidenz niedrige Mortalität des Prostatakrebs ist nur zu einem kleinen Teil einer frühen Therapie zu verdanken. Das Prostatakarzinom ist ein langsam wachsender Tumor. Deshalb versterben die meisten betroffenen Männer (ca. 50 – 75% je nach Altersgruppe) nicht an, sondern mit ihrem Prostatakarzinom. Todesursache ist bei ihnen meist eine Herzkreislauferkrankung. Dies nennen Epidemiologen concurrent morbidity.
Leider ist es bisher nicht möglich, Männer die von einer Therapie profitieren würden, sicher zu identifizieren. Da alle Therapieoptionen mit kurativem Ansatz erhebliche Nebenwirkungen haben, wird daher oft zunächst keine Therapie durchgeführt, was als watchfull waiting bezeichnet wird. Diese Männer müssen also mit dem Wissen leben, eine Krebserkrankung zu haben. Viele wünschen sich, sie hätten es nie erfahren [3]. Erstmals konnte vor zwei Jahren gezeigt werden, dass nach radikaler Prostatektomie nach acht Jahren neun von 100 Männern an Prostatakrebs verstorben sind, bei watchfull waiting waren es 14 von 100. Insgesamt waren nach dieser Zeit aus der Gruppe der prostatektomierten Männer 24 von Hundert verstorben, aus der nichttherapierten Gruppe 30 von 100 [4]. Um einen Todesfall zu verhindern, müssten danach 20 Männer operiert werden. Wie hoch der Überlebensvorteil in Lebensjahren ist, ist aber weiterhin unklar, zumal die meisten Todesfälle im hohen Lebensalter auftreten.
Schaden betrachten
Neben dem Nutzen muss auch der Schaden betrachtet werden. Daher sollten nicht nur Komplikationen der Prostatabiopsie, sondern auch die Folgen der radikalen Prostatektomie und anderer Behandlungsmodalitäten betrachtet werden. In einer Studie waren 24 Monate nach radikaler Prostatektomie nur noch 32% der Patienten kontinent. In der Vergleichsgruppe mit nicht operierten Prostatakarzinompatienten waren dagegen noch 78% der Männer kontinent. Die Zahl der Männer mit sexuellen Funktionsstörungen stieg nach Prostatektomie von 18% auf 42% [5].
Paradoxerweise nimmt die relative Chance, von eine Therapie zu profitieren, ab, je mehr asymptomatische Männer mit Prostatakrebs durch Screening diagnostiziert werden. Eine Aufklärung, die nur auf den Nutzen fokussiert ist, hat den Namen nicht verdient (Tab. 2).
Die Ergebnisse der European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) werden 2009 erwartet [6]. Bisherige Studien waren methodisch nicht geeignet, den Nutzen des PSA-Screenings nachzuweisen. Experten erwarten, dass selbst wenn das PSA-Screening und die nachfolgende Therapie die durchschnittliche Lebenserwartung verlängert, der Gewinn an zusätzlicher Lebenszeit moderat ausfällt. Für andere zum Teil aggressiv beworbene Verfahren, wie die Proteomanalyse im Urin gibt es überhaupt keine belastbaren Daten.
Das Leiden Prostatakarzinomerkrankter in fortgeschrittenen Stadien sollte nicht blind machen vor dem Leiden durch Überdiagnose und Übertherapie. Selbst wenn der Nutzen der Prostatakarzinomscreenings belegt wird, sollte jeder Mann über Vor- und Nachteile fair aufgeklärt werden, damit er selbst eine informierte Entscheidung treffen kann.
Quelle[1] Hoogendam A, Buntinx F, de Vet HCW. The diagnostic value of digital rectal examina-tion in primary care screening for prostate cancer: a meta-analysis. Fam Pract 1999; 16: 621-26.
[2] Gillatt D, Reynard JM. What is the ‚normal range‘ for prostate-specific antigen? Use of a receiver operating characteristic curve to evaluate a serum marker. Br J Urol 1995; 75:341-6.
[3] Watson E, Hewitson P, Brett J, et al. Informed decision making and prostate specific antigen (PSA) testing for prostate cancer: a randomised controlled trial exploring the impact of a brief patient decision aid on men‘s knowledge, attitudes and intention to be tested. Patient Educ Couns 2006; 63: 367-79.
[4] Bill-Axelson A, Holmberg L, Ruutu M et al. Radical prostatectomy versus watchful wai-ting in early prostate cancer. N Engl J Med 2005; 352: 1977-84.
[5] Stanford JL, Feng Z, Hamilton AS, et al.: Urinary and sexual function after radical prostatectomy for clinically localized prostate cancer. JAMA 2000; 283: 354-360.
[6] Schroder FH, Denis LJ, Roobol M, et al. The story of the European randomized study of screening for prostate cancer. Br J Urol 2003; 92(suppl 2): 1-13.
Dr. med. Jean-François Chenot, MPHOberarztAbteilung AllgemeinmedizinUniversitätsmedizinHumboldtallee 38, 37073 Göttingen
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