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DAZ aktuell
Ausstieg aus der Nicotinsucht
Nicotinersatztherapie – wirksam und anerkannt
Nachdem am 1. September 2007 das "Bundesnichtraucherschutzgesetz" in Kraft getreten ist, und weitere restriktive Maßnahmen gegen das Rauchen zu erwarten sind, tragen sich viele mit dem Gedanken, mit dem Rauchen ganz aufzuhören. Dies ist aber leichter gedacht als getan. Viele fragen sich, wie sie es schaffen können. Eine Hilfe hierbei stellt die Nicotinersatztherapie dar. Was von dieser zu erwarten ist und was sie nicht kann, darüber sprach die DAZ mit Prof. Dr. Klaus Heilmann, der sich als Arzt und Risikoforscher auch intensiv mit den Problemen des Rauchens und seinen Gefahren beschäftigt hat.
DAZ Gleich ganz direkt: Was kann die Nicotinersatztherapie nicht?
Heilmann: Den, der das Rauchen gar nicht aufgeben will, zum Aussteiger machen.
DAZ Warum eigentlich tun sich starke und langjährige Raucher so schwer, mit dem Rauchen aufzuhören?Heilmann: Weil Rauchen eine Sucht ist. Die Zigarette ist eine Droge, das Rauchen eine Sucht, und der Zigarettenabgängige muss genauso wie ein Alkoholiker als Drogenabhängiger be-trachtet werden. Wie andere Drogenabhängige auch, tut er sich schwer damit, von seiner Sucht loszukommen. Ohne Unterstützung, also Medikamente und psychologische Hilfen, ist dies meist nicht möglich.
DAZ Die Zigarette als Droge und das Rauchen als Sucht, so wird das in der Öffentlichkeit eigentlich nicht gesehen.Heilmann: Von der Zigarettenindustrie auch nicht, und in der Politik nur von wenigen. Bei der Zigarette müssen wir zwei Aspekte, die unterschiedliche Probleme mit sich bringen, auseinander halten: Die gesundheitsschädigenden und zum Teil auch krebsauslösenden Inhaltsstoffe einerseits, und das Nicotin andererseits. Wegen ersterer versuchen wir das Rauchen insgesamt einzudämmen und auch an bestimmten Orten zu verbieten, weil Passivraucher durch sie ge-schädigt werden ...
DAZ Und um den Schutz der Nichtraucher dreht sich momentan die Diskussion ja ausschließlich.Heilmann: Richtig. Und als weiteren Zigarettenbestandteil gibt es das Nicotin, das nur auf den Rauchenden selbst wirkt, und problematisch ist, weil es rasch und nachhaltig abhängig macht. Bei der öffentlichen Diskussion über Rauchverbote geht es nun eigentlich immer, wie Sie sagten, um den Nichtraucherschutz, vom Problem des Zigarettenrauchens als Sucht und den Schwierigkeiten des Ausstiegs aber wird kaum gesprochen, der ausstiegswillige Raucher wird mit seinem Abhängigkeitsproblem allein gelassen.
DAZ Obwohl es Hilfen gibt, von psychologischen über alternative Maßnahmen, beispielsweise Akupunktur, bis hin zu medikamentösen Verfahren.Heilmann: Die aber nicht kommuniziert werden.
DAZ Sprechen wir über die Nicotinersatztherapie, die wohl wichtigste medikamentöse Hilfe. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen Studien untersucht und heute wissenschaftlich anerkannt. Ist sie anderen Methoden, zum Beispiel psychologischen, überlegen?Heilmann: Nicht überlegen, denn sie steht nicht in Konkurrenz zu den anderen Maßnahmen. Sie ergänzt sie, und das sehr effektiv. Wenn der Wille und Entschluss zum Ausstieg nicht vorhanden ist, nützt die Nicotinersatztherapie nichts, dann versagen aber auch die anderen Methoden.
DAZ Ist es nicht für den Laien schwer vorstellbar, von seiner Nicotinsucht wegzukommen, indem man ihm Nicotin zuführt?Heilmann: Ja, dies ergibt für ihn zunächst keinen Sinn, deshalb muss man es ihm erklären: Jeder starke Raucher erlebt zwanzig, dreißig Minuten nach der letzten Zigarette das immer stärker werdende Verlangen nach der nächsten Zigarette. Gibt er diesem nicht nach, kommt es zu Entzugserscheinungen. Sie sind psychischer und körperlicher Art und äußerst unangenehm. Deswegen greift der Raucher zur nächsten Zigarette, die diese Symptome sofort beseitigt und zu einem gewissen Wohlbefinden führt. Über diesen Mechanismus wird man Kettenraucher, wird man süchtig, wird man abhängig. Derjenige, der das Rauchen nun aufgeben will, erlebt das gleiche. Oftmals mit starkem Willen versucht er durchzuhalten, doch die Entzugserscheinungen sind gravierend, über Wochen bis Monate.
DAZ Weswegen es nur wenigen gelingt, ohne begleitende Hilfen von der Zigarette loszu-kommen.Heilmann: Vor allem ohne die medikamentöser Art, denn mit dem Willen allein kann man die körperlich wirksam werdenden Entzugserscheinungen kaum überkommen ...
DAZ Und die Nicotinersatztherapie führt dazu, dass diese Entzugssymptome gar nicht erst aufkommen.Heilmann: Ja, über die kontrollierte Zufuhr therapeutischer Dosen von Nicotin, sei es über einen Kaugummi, eine Lutsch- oder Sublingualtablette oder ein Pflaster, bekommt der Körper ausreichend Nicotin, um die Entzugserscheinungen und das Verlangen nach einer Zigarette zu reduzieren. Der positive Kick, wie er bei der Zigarette empfunden wird, bleibt aus und damit auch die suchterzeugende Wirkung. In einem Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen wird die Nicotindosis langsam reduziert und der Körper allmählich ganz entwöhnt. Die Herz-, Kreislauf- und Lungen-Funktionen erholen sich. Im Idealfall hat der Patient nach Beendigung der Therapie kein Bedürfnis mehr, zur Zigarette zurückzukehren.
DAZ Dann müsste die Nicotinersatztherapie doch eigentlich weite Anwendung finden.Heilmann: Dass sie das immer noch nicht tut, liegt einerseits an mangelnder Information über sie und andererseits daran, dass man sie in die Gruppe der rezeptfreien und damit nicht-erstattungsfähigen Medikamente eingeordnet hat. Dies nicht genug, werden die Nicotinersatzpräparate genauso wie Viagra und Haarwuchsmittel als Lifestyle-Drogen angesehen und behandelt und damit diskriminiert ...
DAZ Und was ohne Rezept zu bekommen ist, kann nach Meinung der Laien nichts taugen, dieses Problem haben inzwischen die meisten OTC-Produkte.Heilmann: Dass der Laie dies so sieht, ist durchaus verständlich, denn er kennt die politische Absicht ja nicht, die hinter der Formel "Rezeptfrei = Nicht-erstattungsfähig" steckt. Wenn die Hersteller von Nicotinersatzpräparaten nun versuchen, für ihre Produkte für die Behandlung tabakabhängiger und auch sonst gesundheitlich geschädigter Patienten eine teilweise Erstattung zu erreichen, so steht dahinter weniger ein ökonomischer Aspekt als vielmehr der Wunsch, ihre Produkte aus der Ecke der Lifestyle-Drogen zu holen, wohin sie nun auch wirklich nicht gehören. Zigaretten sind Drogen, Rauchen ist eine Sucht, und Nicotinersatzpräparate können dabei helfen, von dieser Sucht loszukommen.
DAZ Herr Professor Heilmann, wir danken für dieses Gespräch.
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