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Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern
Heilberufliche Signale
BINZ (tmb). Vom 9. bis 11. November fand wieder die traditionsreiche Scheele-Tagung der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der DPhG, besser bekannt als Scheele-Gesellschaft, statt. Auch in diesem Jahr wurde die Tagung mit dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern verknüpft, den die Apothekerkammer und der Apothekerverband des Landes ausrichteten. Veranstaltungsort war das Ostseebad Binz auf Rügen. Den Mittelpunkt des politischen Programms bildete ein Vortrag des Vizepräsidenten der ABDA, Friedemann Schmidt.
Bei der Eröffnung wies die Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, Christel Johanns, auf die ungeheure Aktivität für neue Versorgungsformen und das große Interesse von Kapitalgebern am Gesundheitsmarkt hin. Die Apotheker müssten dagegen ihr Wissen einbringen, das beispielsweise die Drogeriemärkte nicht bieten könnten. Ausgehend von den Problemen bei der Umsetzung der Rabattverträge verdeutlichte Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die Verhandlungsziele der Apotheker: eine Quotenregelung für das Abweichen vom Vertrag, eine angemessene Aufwandsentschädigung, vernünftige Aufzahlungsregeln und mindestens den Ausweis des erzielten Gesamtrabattes der Krankenkassen.
Dr. Peter Kruse, stellvertretender Staatssekretär im Gesundheitsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, würdigte die bedeutenden, aber meist als selbstverständlich erachteten Leistungen der Apotheker. Die Politik sei den Apothekern zu Dank für ihr einzigartiges Vertriebssystem verpflichtet. Doch stünde das Apothekensystem von Seiten des Europarechts, der Politik und aus den eigenen Reihen unter Druck. Kruse riet den Apothekern, mehr auf Diskretion in der Apotheke zu achten und sich an den Präventionsbemühungen des Ministeriums zu beteiligen. Er konstatierte, dass der Versandhandel zunehmend in der Kritik stehe und verwies dazu auch auf die große Influenza-Übung, die an den beiden vorangegangenen Tagen stattgefunden hatte. Etliche dabei simulierte Problemlagen hätten unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Arzneimittelfälschungen nach dem Bezug aus dem Internet betroffen. So werde der Versandhandel erst recht in Krisenzeiten zum Problem, wenn ihn "Hinz und Kunz als Gelddruckmaschine entdecken".
Berufspolitischer Rundumschlag
Friedemann Schmidt, Vizepräsident der ABDA und Präsident der Landesapothekerkammer Sachsen, legte seinen Vortrag zum Apothekerberuf im Spannungsfeld zwischen Pharmazie und Ökonomie als Stellungnahme zur Positionierung der Apotheker für die Zukunft an. Er beklagte die große Belastung der Apotheken durch die Rabattverträge, doch müsse bei den Patienten wirtschaftliches Verhalten eingefordert werden, um Mittel zur Vermeidung von Unterversorgung zu gewinnen. Ärzte und Apotheker müssten sich gegen die weiterhin bei großen Indikationen bestehende Unterversorgung einsetzen, die Senkung von Beitragssätzen solle dagegen nicht ihr Anliegen sein. Zugleich mahnte er die Verantwortung der Industrie an, die Einsparungen nicht durch ihre Preispolitik zu verfrühstücken. Die Forschung solle allen Patienten nutzen. Der Preis von Lucentis sei eine Provokation. Dagegen würden Ärzte und Apotheker täglich wegen Centbeträgen das Vertrauen der Patienten riskieren.
Rabattverträge seien eine Chance, die Apotheken aus dem Rabattgeschachere und aus Ausschreibungen herauszuhalten. Das System der Ausschreibungen sei maßgeschneidert für Filialisten und würde bei der Anwendung im Arzneimittelbereich sicher zu Ketten führen. Schmidt forderte, die Apotheker für ihre heilberufliche Aufgabe angemessen zu honorieren. Dies sei der Zweck einer Preisverordnung mit Festpreisen. Diese zentrale Aufgabe könne nicht durch das Rand- oder OTC-Sortiment quersubventioniert werden. Die Politik "Geld für Struktur", also finanzielle Einbußen der Apotheker als Ausgleich für den Erhalt des Systems, sei am Ende angekommen. Zudem könne sich das Gesundheitssystem nicht leisten, extrem teure Arzneimittelinnovationen zu finanzieren, ohne die Compliance durch die Therapiebegleitung der Apotheker zu sichern. Bei diesen Produkten würden sich neue Angebote der Apotheker auf jeden Fall für die Kostenträger rentieren.
Beim Fremdbesitz gebe es "kein grau", sondern "nur schwarz oder weiß". Man könne über Kooperationen sprechen, entscheidend sei aber: "Wer ist der Herr im Haus?" Die Apotheker ließen sich ihre Freiheit für kein Geld der Welt abkaufen. Jeder Krämer wolle auf einmal im Gesundheitsmarkt mitmischen, doch sei die Schlacht gegen die Drogisten schon vor 40 Jahren entschieden und gewonnen worden. Nun ginge es aber auch um Sonnenstudios und Mucki-Buden. Seines Erachtens werde der Konsens unter den Apothekern halten, dass sie nur als Heilberufler weiter existieren könnten. Dabei müssten die Apotheker "den einen oder anderen hypertrophen Windbeutel" in ihren Reihen ertragen, womit er auf Schnäppchenangebote für Arzneimittel anspielte. Nicht der preisgünstige Zugang zu Arzneimitteln sei falsch, sondern die Art der Präsentation, die zu Mehrverbrauch anrege. Wer sich mit solchen Angeboten heute als Sieger fühle, könne schon morgen mit den anderen untergehen.
Konzentration auf Kernkompetenz
Schmidt stellte auch persönliche Positionen vor, die nicht als Aussage der ABDA verstanden werden sollten. So sehe er die Zukunft in der Stärkung der konkurrenzlosen Kernkompetenz der Apotheker, also bei den hochwirksamen erklärungsbedürftigen Arzneimitteln. Dies sei sicherer, als verstärkt auf OTC-Arzneimittel zu setzen, weil die Apothekenpflicht langfristig aufgeweicht werden könnte. Auch die internationale Apothekerorganisation FIP betone die Patientenfokussierung und das pharmazeutische Management. Die klinische Pharmazie werde seines Erachtens aber an den Universitäten zu langsam umgesetzt, um diese Anforderungen optimal zu erfüllen. Außerdem setze er auf die Rückführung der Aufgabendelegation in Apotheken. Analog zu anderen Freiberuflern bräuchten auch die Apotheker originär apothekerliche Leistungen, die nur von einem Apotheker erbracht und nur dann abgerechnet werden könnten. Allerdings sei der Beruf nicht ohne Arzneimittel denkbar. Die Apotheker seien auf ewig an den Abgabevorgang gebunden, der untrennbar zu ihrem Beruf gehöre.
Subsidiarität einfordern
Dr. Herbert Schipper, Kammeramtsdirektor der Österreichischen Apothekerkammer, kritisierte die Tendenz der Europäischen Union, hemmungslos in die Staaten hinein zu regieren. Dies widerspreche der klar vereinbarten Subsidiarität, wonach das Gesundheitswesen in die Kompetenz der Einzelstaaten falle. Das Apothekenwesen sei in den meisten EU-Länder hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse, der Bedarfskriterien und der Apothekenpflicht streng geregelt. In einigen Ländern seien die Regeln sogar erst kürzlich restriktiver gestaltet worden oder dies werde geplant, beispielsweise in Spanien und Lettland. Österreich habe ein Mahnschreiben der EU-Kommission wegen seines Konzessionssystems erhalten. Es sei offen, ob und wann dies zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führe, ein Verfahren könne sich aber auch auf andere EU-Länder auswirken.
Aufgrund seiner langen Erfahrungen mit nationalen Prozessen gegen das österreichische Apothekenrecht riet Schipper: "Vertrauen Sie der Zeit." Erstens sei jedes Jahr in der geregelten Situation vorteilhaft und zweitens zeichne sich international ein Umdenken hinsichtlich der Regulierung des Apothekenmarktes ab. So sei die für den Verbraucherschutz zuständige österreichische Arbeiterkammer ein Verbündeter gegen den Versandhandel, weil sich dort Verbraucherbeschwerden über Arzneimittelfälschungen und Betrugsfälle häufen würden. Dagegen warnte Schipper vor politischen "Deals" mit wechselseitigen Zugeständnissen, weil jede Regelung jederzeit einzeln hinterfragt werden könne.
Thomas Bellartz, Pressesprecher der ABDA, machte auf die Parallelen zwischen Apothekern und Journalisten aufmerksam. Beide hätten einen Versorgungsauftrag und würden großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legen. Die selbstverständliche gute Versorgung in den Apotheken sei für die Medien keine Nachricht mit Informations- oder Unterhaltungswert, andererseits sei die Gesundheit eines der beliebtesten Themen. Die Apotheker sollten daher gegenüber den Medien selbstbewusst auftreten.
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