- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 38/2007
- Mundspüllösungen: Keine...
Zahngesundheit
Mundspüllösungen: Keine Lösung für alle Fälle
Die mikrobiellen Beläge bilden auf den Zähnen und anderen Oberflächen in der Mundhöhle einen stabilen Biofilm, der eine hohe Widerstandskraft gegen äußere chemische Einwirkungen zeigt. Zumindest so lange seine Integrität nicht durch mechanische Intervention gestört wird. Am Anfang der Mundpflege steht also immer das Zähneputzen. "Zweimal täglich, morgens und abends nach dem Essen, mindestens zwei Minuten", empfehlen Zahnärzte. Die jeweils günstigste Putztechnik ist abhängig vom Alter und den individuellen Gegebenheiten. Die Zahnbürste sollte einen kurzen Kopf und mittelharte, abgerundete Borsten haben und alle zwei Monate ausgewechselt werden. Auch die Verwendung elektrischer Zahnbürsten ist möglich, bringt aber keinen entscheidenden Vorteil gegenüber einer guten manuellen Putztechnik. Zahncreme erhöht durch Abrieb den mechanischen Effekt und ist zugleich in Deutschland fast die einzige Quelle für Fluoride. Zahncremes für Erwachsene enthalten meist 1000 bis 1500 ppm Fluorid. Für Kinder sind es nur 500 ppm, um eine Überdosierung mit nachfolgender Fluorose, einer zart-weißen Streifenbildung auf den Zähnen, zu vermeiden. Nach dem Zähneputzen wird vor allzu exzessivem Ausspülen gewarnt: Dadurch geht der größte Teil des Fluorids gleich wieder verloren.
Wenigstens einmal täglich – vorzugsweise abends – sollte Zahnseide verwendet werden; für größere Zwischenräume gibt es spezielle Interdentalbürsten. Gegen Mundgeruch hilft gründliche Reinigung der Zähne und Zahnzwischenräume, aber auch des Zungenrückens, denn 90% des Mundgeruchs kommen tatsächlich aus der Mundhöhle. Für die Zungenreinigung sind einfache, aber effektive Zungenschaber erhältlich, auch diese sollten regelmäßig gewechselt werden.
Mundspüllösungen sind speziellen Situationen vorbehalten, darin sind sich die Experten einig. Denn einerseits können sie die mechanische Mundhygiene nicht ersetzen, andererseits sind sie trotzdem nicht nur harmlose Kosmetika. Im Gegensatz zu den Mundwassern, die nur für kurze Zeit ein Frischegefühl verleihen und Mundgeruch überdecken, können die meist gebrauchsfertigen Mundspüllösungen durchaus als medizinische Präparate angesehen werden. Ihr Einsatz sollte nach sachkundiger Beratung durch den Zahnarzt oder Apotheker erfolgen. Auch die richtige Technik beim Spülen ist wichtig: Die Lösung muss – je nach Angaben des Herstellers – 30 bis 60 Sekunden lang im Mund bewegt und dabei mehrmals durch die Zahnzwischenräume hin und her gepresst werden. Für Kinder unter sechs Jahren sind Mundspüllösungen überhaupt nicht geeignet – sie können noch nicht richtig ausspucken. Älteren Kindern und Erwachsenen stehen zwei Arten von Mundspüllösungen zur Verfügung: bakterizide Lösungen als "chemische Zahnbürste" für Notfälle mit kurzzeitig eingeschränkter Mundhygiene oder aber fluoridhaltige Lösungen für den täglichen Gebrauch von Menschen mit erhöhtem Kariesrisiko.
"Chemische Zahnbürste" nur für kurze Zeit
Medizinische Mundspüllösungen können die mechanische Mundhygiene für kurze Zeit ersetzen, etwa bei und nach Zahn- oder Parodontaloperationen. Meist wird das Chlorhexidin-Digluconat eingesetzt, das ein breites antimikrobielles Spektrum gegenüber Bakterien, Hefen, Dermatophyten, Schimmelpilzen und bestimmten Viren besitzt. Die Wirkung von Chlorhexidin hält bis zu zwölf Stunden an und ist dosisabhängig: In einer Konzentration von 0,2% ist es am effektivsten; es sind aber auch die Konzentrationen 0,12% bzw. 0,1% und 0,06% erhältlich. Konzentrierte Chlorhexidin-Spüllösungen sind in der Regel apothekenpflichtig; sie sollen nur für wenige Wochen eingesetzt werden. Ein Grund dafür sind unerwünschte Wirkungen wie Verfärbungen sowie Geschmacksbeeinträchtigungen. Bei einer Langzeitanwendung entstehen kosmetisch störende, bräunliche Verfärbungen der Zähne bzw. Zahnfüllungen, des Zahnfleischs und der Zunge. Verfärbungen, die durch Tee, Wein, Kaffee oder Nicotin entstehen, können durch Chlorhexidin noch intensiviert werden. Der unangenehme bittere Geschmack verschwindet nach einem Absetzen oder Vermindern der Konzentration.
Als nächst wirkungsvolle Präparate nach Chlorhexidin-Digluconat werden Zubereitungen mit Aminfluorid und Zinnfluorid oder mit Triclosan angesehen. Diese können auch über einen längeren Zeitraum angewendet werden.
Das mehrfach chlorierte Phenolderivat Triclosan ist besonders wirksam gegen gram-positive und gram-negative Bakterien, da es die Fettsynthese in Bakterien hemmt. Es ist häufig als bakterienhemmender Zusatz und Konservierungsmittel in Zahnpasten enthalten. Allerdings werden auch Keime der gesunden Mundflora angegriffen. Zudem macht Hygienikern der allzu häufige Einsatz von Triclosan auch in Wasch- und Reinigungsmitteln für den Haushalt Sorge: Es könnten Resistenzen entstehen.
Weitere antibakterielle Wirkstoffe in Mundspüllösungen sind Cetylpyridinium-Chlorid oder ätherische Öle. Die Kombination aus Thymol, Eucalyptol, Menthol und Methylsalicylat scheint in der Lage zu sein, den Biofilm in der Mundhöhle teilweise zu durchdringen und die Plaque-Neubildung zu reduzieren. So wurde in einer wissenschaftlichen Studie durch zweimal tägliches Spülen mit dieser Zusammenstellung ätherischer Öle die Plaque um 56% und das Zahnfleischbluten sogar um 70% gegenüber alleinigem Zähneputzen verringert.
Ebenfalls bakterizid wirkt Wasserstoffperoxid; es hat zugleich eine Bleichwirkung auf die Zähne. Monografiert ist eine dreiprozentige Wasserstoffperoxidlösung im Neuen Rezeptur-Formularium NRF 11.103 und in den Standardzulassungen. Wasserstoffperoxid ist – je nach Konzentration – für die oberflächliche Wundreinigung, für Wundspülungen, zum Spülen bei Zahnfleischbluten und Mundschleimhautentzündungen usw. geeignet und wird für diese Zwecke beispielsweise in Zahnarztpraxen eingesetzt.
Bakterizide Wirkung ist nachgewiesen
All diese bakteriziden Mundspüllösungen sollen in besonderen Situationen mit erschwerter Mundpflege helfen, eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) oder gar eine darauf folgende Zahnbettentzündung (Parodontitis) zu verhindern. Denn geht im Rahmen einer Parodontitis erst einmal das Zahnfleisch zurück, so ist dieser Schaden irreversibel, wie Experten übereinstimmend erklären. Aber auch gegen Karies verursachende Bakterien, vor allem Streptococcus mutans, richten sich die oben genannten Mundspüllösungen.
Die Wirksamkeit bakterizider Mundspüllösungen hat sich auch in einer klinischen Studie mit 156 Probanden bestätigt: In vier Gruppen, die sich alle wie gewohnt die Zähne putzten, wurden zusätzliches Spülen mit Chlorhexidin (CHX) 0,06% plus Natriumfluorid (NaFl) 0,025% (Gruppe 1), zusätzliches Spülen mit Cetylpyridinium-Chlorid (CPV) 0,1% plus NaFl 0,025% (Gruppe 2), zusätzliche Verwendung von Zahnseide (Gruppe 3) und das Unterlassen zusätzlicher Maßnahmen – also nur Zähneputzen – (Gruppe 4, Kontrollgruppe) miteinander verglichen. Dabei waren beide Mundspüllösungen den anderen Regimes hinsichtlich der Plaque-Bekämpfung über den Studienzeitraum von acht Wochen signifikant überlegen. An unerwünschten Wirkungen wurden in den Gruppen der Mundspüllösungen Verfärbungen, Geschmacksbeeinträchtigungen und Brennen bei der Anwendung beobachtet.
Fluorid für Karies-Risikogruppen
Speziell zur langfristigen Kariesprophylaxe bei gefährdeten Personen eignet sich die zweite Gruppe der Mundspüllösungen: fluoridhaltige Lösungen für den täglichen Gebrauch bei erhöhtem Kariesrisiko. Sie werden mindestens einmal täglich zusätzlich zum Zähneputzen (und idealerweise zur Zahnseide) angewendet. Diese Lösungen sind fluoridhaltig, stärken die Zahnhartsubstanz und können sogar beginnende kariöse Schäden, die sogenannten Kreideflecken, reparieren. Ihr Fluoridgehalt beträgt im Allgemeinen 250 ppm. Angewendet werden diese Lösungen beispielsweise von Trägern fest sitzender kieferorthopädischer Apparaturen, Implantate oder Teilprothesen. Aber auch Senioren profitieren davon: Ältere Menschen sind manchmal aufgrund körperlicher Einschränkungen, rheumatoider Arthritis oder starker Sehstörungen nicht mehr in der Lage, die Maßnahmen der Zahnpflege optimal auszuführen. Außerdem wird der Speichelfluss durch verschiedene Medikamente, die häufig im Alter verschrieben werden – beispielsweise einige Herz-Kreislauf-Präparate – beeinträchtigt. Diabetes verschlechtert per se den Parodontalstatus – wie übrigens auch das Rauchen. Schon ab einem Alter von etwa 40 Jahren geht das Zahnfleisch allmählich zurück, bei Rauchern und Diabetikern schneller. Die nunmehr freiliegenden Zahnhälse sind nicht mit Zahnschmelz überzogen und besonders schmerz- und kariesanfällig. Die im Alter häufig anzutreffende Zahnhals- und Wurzelkaries ist eine Spätfolge, die es – durchaus auch mit Hilfe fluoridierter Mundspüllösungen oder der preiswerteren Gele – zu verhindern gilt.
Mundspüllösungen auch für Schwangere
Aufgrund der hormonellen Umstellung in der Schwangerschaft wird das Gewebe (auch in der Mundhöhle) aufgelockert; deshalb tritt häufig eine Gingivitis auf. Die regelmäßige Mundpflege – hier mit einer weichen Zahnbürste – reicht nicht immer aus, das zu verhindern. Dieses Problem lässt sich gut durch die zeitweise Anwendung bakterizider Mundspüllösungen beheben, so etwa einiger Zubereitungen mit niedrig dosiertem Chlorhexidin (0,06%), mit Triclosan, mit der Kombination Aminfluorid/Zinnfluorid oder mit ätherischen Ölen. Letztere haben aber leider meist einen hohen Alkoholanteil, so dass ihr Einsatz während einer Schwangeschaft zu überdenken ist. Nach der Geburt des Kindes sollte die junge Mutter besonderen Wert auf eine eigene keimarme Mundhöhle legen, denn der Hauptschuldige für Karies, Streptococcus mutans , wird zu 90% aus der mütterlichen Mundhöhle auf die des Kindes übertragen. An die ersten Zähne kann sich das Bakterium dann gleich anheften und somit auch das Kind infizieren.
Als ideal wird von Zahnärzten folgendes Vorgehen empfohlen:
- Zahnsanierung bei der Mutter vor der Schwangerschaft;
- sorgfältige Mundpflege in der Schwangerschaft, eventuell professionelle Zahnreinigung;
- Bestimmung der Keimzahl von S. mutans mittels Schnelltest beim Zahnarzt ca. sechs Monate nach der Geburt;
- nur bei hoher Keimzahl: Einsatz einer bakteriziden Mundspüllösung für etwa zwei Monate;
- weitere Kontrollen und gegebenenfalls Wiederholung der Behandlung im Abstand von einem halben bis einem Jahr während der nächsten zwei Jahre.
Alkohol ist als Trägersubstanz nicht notwendig
Nicht nur für Schwangere ungünstig ist der Einsatz von Alkohol in Mundspüllösungen. So wird auch Kindern und Senioren gemeinhin von der Verwendung alkoholhaltiger Lösungen abgeraten; abstinente Alkoholkranke müssen sich auf jeden Fall vor der Anwendung solcher Mittel hüten. Es bestehen aber auch grundsätzliche Bedenken: Alkohol wirkt in den eingesetzten Konzentrationen nicht desinfizierend, dafür aber adstringierend, und kann ein unangenehmes Brennen verursachen. Und: der in Mundspüllösungen enthaltene Alkohol kann im Mund enzymatisch zu toxischem Acetaldehyd abgebaut werden. Deshalb sei vor einem nicht sachgemäßen Gebrauch alkoholhaltiger Mundspüllösungen zu warnen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Lösungsvermittler Alkohol überflüssig. Alkoholfrei sind meist die "Sensitive"-Zahnspüllösungen und die Mundspüllösungen für Kinder; alkoholhaltig sind besonders Lösungen mit ätherischen Ölen, aber auch die meisten CPC- und konzentrierten CHX-Zubereitungen.
QuelleArbeitsgemeinschaft Zahngesundheit für die Stadt Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis www.agz.rnk.de
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) www.bfr.bund.de
Charles, C.H. et al: Comparative Efficacy of an Antiseptic Mouthrinse and an Antiplaque/Antigingivitis Dentifrice; Journal of American Dentist Association, (2001) 132, 670 - 675.
Zimmer, S.; et al: Clinical Efficacy of Flossing Versus Use of Antimicrobial Rinses; Periodontol, (2006) 77, 1380 - 1385.
Simone Reisdorf, freie Medizinjournalistin
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.