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Fortbildung
Kooperationstag "Sucht und Drogen"
Suchtprävention und Suchttherapie
Möglichkeiten interdisziplinärer Zusammenarbeit im Bereich der Suchtprävention und der Betreuung von Suchtkranken zu erkennen, zu fördern und zu nutzen ist das Ziel, das sich die Organisatoren des Nordrhein-Westfälischen Kooperationstages "Sucht und Drogen" gesetzt haben. Rund 350 Teilnehmer besuchten am 12. September 2007 in Dortmund die Veranstaltung, die im zweijährigen Turnus zum vierten Mal stattfand.
Zum Thema "Cannabis im Spannungsfeld zwischen Arzneimittel und Droge" referierte Prof. Dr. med. Hermann Ammon aus Tübingen. Als Rauschdroge werden konsumiert:
- Haschisch, das Harz der weiblichen Pflanzen, mit etwa zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) und
- Marihuana mit circa 1,5 Prozent THC.
Der Organismus produziert Endocannabinoide (körpereigene, endogene Cannabinoide) wie beispielsweise das Anandamid. Die Endocannabinoide haben im Gegensatz zum THC nur eine sehr kurze Halbwertszeit.
Im zentralen Nervensystem docken die (exogenen und endogenen) Cannabinoide am CB1 -Rezeptor an und sorgen für eine Erhöhung der Dopaminkonzentration im Gehirn. Auf diese Weise aktivieren sie das Belohnungs- und Wohlfühlsystem.
Therapeutische Aktivierung des Belohnungssystems
Da auch die Empfindung "es hat gut geschmeckt" Teil des Belohnungssystems ist, verringert THC bei anorektischen Krebs- und AIDS-Patienten Erbrechen und Übelkeit. Außerdem lindert es bei Patienten mit traumatisch erworbener Querschnittslähmung oder multipler Sklerose spastische Symptome. Für diese Indikationen gibt es eine etablierte Studienlage, so Ammon. Allerdings berichten Patienten, die mit THC behandelt werden, über Nebenwirkungen wie Konzentrationsstörungen, Depressionen und Stimmungsschwankungen.
Eine Behandlung mit Cannabis selbst ist nur mit einer Sondererlaubnis der Bundesopiumstelle möglich. Dass Cannabis in Einzelfällen eine bessere Wirkung zeigt als THC, hält Ammon aufgrund der Erfahrungen mit isolierten Wirkstoffen im Vergleich zu pflanzlichen Vielstoffgemischen durchaus für möglich.
Suchtvermeidung bei legalen Drogen
Wie wirksam Verhaltens- und Verhältnisprävention sind, war das Thema von Dipl.-Psychologin Daniela Piontek aus München.
- Die Verhaltensprävention richtet sich an die Zielgruppe – hier haben insbesondere Familie, Schule und Freunde sowie zum Teil auch Medien Einfluss.
- Die Verhältnisprävention umfasst Maßnahmen der Community – damit ist die nähere Umgebung gemeint – und Maßnahmen der Gesellschaft, die oft auf Gesetzen beruhen.
Für eine von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Arbeit gegebenen Expertise wurden Studien ausgewertet, die sich mit Maßnahmen zur Suchtvermeidung vor allem bei legalen Drogen beschäftigten. Dabei zeigte sich, dass die Kombination verhaltens- und verhältnispräventiver Ansätze bei Jugendlichen den besten Erfolg hat.
Sehr deutlich hob Piontek hervor, wie wichtig die Integration der Eltern von Anbeginn – möglichst, bevor die Kinder mit legalen Drogen in Kontakt kommen – ist. Da gerade Risikofamilien oft nur unzureichend erreicht werden, müsse man hier zu aufwändigen und zeitintensiven Maßnahmen greifen, wie zum Beispiel Hol- und Bringservice zu Elternabenden mit gleichzeitiger Organisation der Kinderbetreuung.
Motivation, Beratung, Information
Neben dem Markt der Möglichkeiten, der als Kontaktforum diente, wurden knapp 20 Workshops und Seminare zu unterschiedlichen Aspekten der Suchtprävention und -behandlung angeboten. So wurden Projekte wie "JaN", das junge Menschen auf dem Weg zum Nichtrauchen begleitet, oder die in Dortmund praktizierte Zusammenarbeit von Jugend- und Drogenhilfe vorgestellt.
Das niederschwellige Angebot der Drogenselbsthilfe stand im Mittelpunkt des Workshops der AIDS-Hilfe NRW, die die Förderung der Betroffenen durch die Übernahme von Aufgaben in der Selbsthilfe beleuchtete.
Neben AIDS ist Hepatitis C eine weitere häufig mit Drogengebrauch assoziierte Infektionskrankheit. Dennoch ist in der Drogenszene das Wissen über Hepatitis C, deren Prävention und Behandlung unzureichend. Hier zeigte die Ärztekammer Westfalen-Lippe in einem Workshop Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Drogenhilfe und Ärzten.
Suchtberatung im Internet
Inzwischen hat sich für Kooperationen ein spezielles Qualitätsmanagement (NBQM) etabliert, über dessen Konzept für eine Verbesserung der kommunalen Suchthilfeangebote der Landschaftsverband Rheinland informierte. Zum Thema Online-Suchtberatung gab es zwei Seminare von der Jugendsuchthilfe Hamm (speziell für Cannabis konsumierende Jugendliche) und dem Caritasverband Köln.
Substitutionstherapien – Vor- und Nachteile
Über die Pharmakologie der Substitutionsmittel informierte ein Workshop der beiden Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe. Neben dem Wirkungsspektrum und möglichen Neben- und Wechselwirkungen verschiedener Substanzen wurden auch die Vor- und Nachteile der Substitutionstherapien mit Buprenorphin, Methadon und dem in aktuellen Studien untersuchten Diamorphin (Heroin) vorgestellt und diskutiert.
Ein weiterer Workshop beschäftigte sich mit K.O.-Tropfen. Neben den "Klassikern" nimmt seit einigen Jahren der Gebrauch von Gamma-Hydroxybuttersäure (Liquid Ecstasy) zu. Zum Nachweis eines solchen Verdachtes müssen neben einer sorgfältigen Anamnese auch geeignete physiologische Untersuchungsmaterialien gewonnen werden. Der Workshop vermittelte das dafür notwendige Wissen.
Weitergehende Informationen zum Nordrhein-Westfälischen Kooperationstag "Sucht und Drogen", insbesondere zu den Workshops und Seminaren, stehen im Netz unter www.wissensuchtwege.de.
Constanze Schäfer- Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe;
- Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland;
- Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW (ginko e. V.);
- Freie Wohlfahrtsverbände;
- Landeskoordinierungsstelle Integration NRW;
- Landesfachstelle Glücksspielsucht NRW
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