Aus Kammern und Verbänden

Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung

Biogene Arzneistoffe im Fokus

Die Erforschung von Inhaltsstoffen in Pflanzen und niederen Organismen im Hinblick auf therapeutisch relevante Wirkungen ist das gemeinsame Thema, unter dem sich Anfang September rund 900 Personen aus 75 Ländern in Graz zusammenfanden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Rudolf Bauer, dem Präsidenten der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA), wurden über 700 wissenschaftliche Darbietungen geboten.

Der internationale Charakter der GA-Jahrestagungen, der schon seit Jahrzehnten Tradition ist, trat diesmal besonders in Erscheinung, da viele Teilnehmer aus Übersee, insbesondere aus Afrika und dem Fernen Osten, angereist waren. In seiner Eröffnungsansprache wies GA-Präsident Bauer auf die lange Tradition der medizinischen Nutzung von Pflanzen in China und Thailand hin. Diesen reichen Erfahrungsschatz mit modernen wissenschaftlichen Methoden einer kritischen Prüfung zu unterziehen und die Ergebnisse weltweit nutzbar zu machen, sei eine der vordringlichen Aufgaben der GA. Er verwies darauf, dass sich nicht zufällig mehrere Vortragende dieser GA-Tagung, darunter auch die Festrednerin, mit dieser Thematik befassen.

Universitätsrektor Dr. Alfred Gutschelhofer skizzierte das wissenschaftliche Profil von Graz. Die 1585 gegründete Universität ist eine der größten Mitteleuropas, doch wurden vor vier Jahren die medizinischen und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten ausgegliedert und als Medizinische bzw. Technische Universität verselbständigt. Zusammen zählen diese drei Universitäten heute etwa 40.000 Studenten. Derzeit wird an der TU ein Center for Biomedical Engineering errichtet, wofür 50 Millionen Euro bewilligt worden sind.

Bürgermeister Siegfried Nagl berichtete, dass Graz als populärste Universitätsstadt Österreichs gilt und auch hinsichtlich der Lebensqualität einen Spitzenplatz einnimmt. Die Pflege des historischen Erbes – die Altstadt von Graz zählt seit 1999 zum UNESCO-Kulturerbe – und eine vorrangig ökologische Politik seien dafür maßgeblich verantwortlich. Er forderte die Wissenschaftler auf, bei der Naturforschung auch den Naturschutz im Blick zu haben.

Nötige Impulse für die Pharmaindustrie

Helmut Hirt, Landesrat für Gesundheit in der Regierung der Stiermark, legte dar, dass der Konzentrationsprozess, der sich seit Jahren durch eine Welle von Fusionen in der Pharmaindustrie vollzieht, zu Lasten der Forschung und Entwicklung im Bereich der Phytopharmaka geht. Da aber ein gesellschaftliches Interesse an wirksamen Phytopharmaka bestehe, seien die Wissenschaftler gefordert, durch ihre Forschungen eine Lücke zu schließen und der Industrie neue Impulse zu geben, auf diesem vernachlässigten Gebiet wieder aktiv zu werden.

Dr. Johannes Hahn, Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, machte klar, dass der Klimawandel eine noch immer unterschätzte Herausforderung sei. In Graz erforscht das Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel, ein international anerkanntes Exzellenz-Forschungszentrum, die klimatischen und ökologischen Veränderung im Zusammenhang mit den volkswirtschaftlichen Folgen. Auch Infektionskrankheiten mit der ihnen eigenen Dynamik spielen dabei eine große Rolle. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, benötige die Gesellschaft in Zukunft mehr Naturwissenschaftler. Es sei wichtig, schon Schüler für die wissenschaftliche Forschung zu interessieren; in diesem Sinne habe das Ministerium das Programm "Sparkling Science" aufgelegt.

Neue Arzneistoffe aus Thailand

Den festlichen Eröffnungsvortrag hielt die thailändische Prinzessin Prof. Dr. Chulabhorn Mahidol, Präsidentin des Chulabhorn Research Institute in Bangkok, das sich schwerpunktmäßig mit der Biochemie, Pharmakologie und Toxikologie von Naturstoffen befasst. Die königliche Hoheit stellte einige in Thailand wachsende und teilweise weit darüber hinaus verbreitete Pflanzen und die daraus isolierten Wirkstoffe vor, soweit sie die pharmakologischen Tests erfolgreich durchlaufen haben. Besonderes auf den Gebieten Krebstherapie und Entzündungshemmung gebe es hier einige aussichtsreiche Kandidaten für klinische Studien und neue Medikamente. Die Prinzessin beendete ihren Vortrag mit einem Appell, die tropischen Regenwälder zu schützen, nicht zuletzt um das in ihnen schlummernde Potenzial an Arzneistoffen nicht unwiderruflich zu zerstören.

Am Rande des GA-Kongresses traf sich der internationale wissenschaftliche Beirat des Komitee Forschung Naturmedizin e.V. (KFN) und verfasste ein Memorandum, in dem er u.a. mehr staatliche Förderung der Phytotherapie und Maßnahmen zur Sicherung der Qualität von Phytopharmaka anmahnte (s. Kasten).

Ein Bericht über die wissenschaftlichen Vorträge auf dem GA-Kongress folgt in der nächsten Ausgabe der DAZ. < cae

Memorandum
1. In Zeiten Evidenz-basierter Medizin haben nur solche Arzneimittel eine Zukunft, die in ihrem therapeutischen Nutzen wissenschaftlich belegt sind. Ohne kontinuierliche Forschung ist daher der Fortbestand der Phytotherapie gefährdet. Im 7. Rahmenprogramm der EU wird zurzeit nur die Erforschung der Traditionellen Chinesischen Medizin gefördert ("TCM in the post genomic era"), nicht aber die traditionelle europäische Medizin.Wir fordern deshalb unbedingt eine gezielte (auch finanzielle) Unterstützung der Forschung der Phytotherapie in Europa, wie sie anderen Therapierichtungen bereits zuteil wird.
2. Eine wichtige Form der Forschungsförderung stellt der Schutz wissenschaftlicher Daten dar. Nachdem für die meisten Arzneimittel aus Arzneipflanzen kein wirksamer Patentschutz geltend gemacht werden kann, ist eine Finanzierung von Forschungsinvestitionen in diesem Bereich in der Regel nicht möglich. Ohne ökonomische Anreize kommt aber die durch die Industrie getragene Forschung schrittweise zum Erliegen.Wir schlagen deshalb die EU-weite Einführung von Schutzrechten vor, die eine zeitlich limitierte wirtschaftliche Nutzung von signifikanten Ergebnissen der Naturstoffforschung ermöglichen würden.
3. Klinische Forschung führt nur dann zu validen Aussagen, wenn sie mit standardisierten Methoden Arzneimittel von vergleichbarer Qualität untersucht. Ohne die standardisierte pharmazeutische Qualität kann es keine therapeutische Qualität geben.Wir verlangen deshalb mehr Transparenz hinsichtlich pharmazeutischer und wissenschaftlicher Qualität in der Packungsbeilage zu pflanzlichen Arzneimitteln.
4. Produkte aus Arzneipflanzen werden in der Europäischen Union von den Verbrauchern zunehmend in Selbstbehandlung eingesetzt. Neben den Phytopharmaka gibt es allerdings noch eine Vielzahl von Präparaten, die als Nahrungsergänzungsmittel, (teil-)bilanzierte Diäten oder funktionelle Lebensmittel vermarktet und mit dem Ziel eingenommen werden, die Gesundheit zu erhalten oder zu fördern. Diese Produkte unterscheiden sich in ihrem Anspruch auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit grundlegend von Arzneimitteln, ohne dass sich dies dem Verbraucher/Patienten erschließt. Wir fordern vom Gesetzgeber deshalb eindeutige Deklarationsregeln für alle Produkte aus Arzneipflanzen, die diese Unterschiede transparent machen.
5. Das KFN setzt sich für eine Fortentwicklung des Informationsrechts der europäischen Verbraucher ein. Erst Wissen erlaubt es, Informationen zu einer rationalen Grundlage von Entscheidungen zu machen.Wir regen deshalb ein Qualitätssiegel für Arzneimittel aus Naturstoffen an, und fordern gleichzeitig den freien Zugang der Verbraucher/Patienten zu allen wissenschaftlichen Daten, die es zu diesen Produkten gibt.
Internationaler wissenschaftlicher Beirat des Komitee Forschung Naturmedizin e.V. KFN, Graz d. 4. 9.

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