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ARD-Magazin Report Mainz
"Apotheker als Abzocker"
MAINZ/STUTTGART/MANNHEIM (tmb). Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Pharmahändler und Apotheker wegen des Vertriebs nicht zugelassener Zytostatika (siehe AZ Nr. 37/2007) waren am Montag Thema des ARD-Fernsehmagazins "Report Mainz" – unter dem Titel "Apotheker als Abzocker". Während die Staatsanwaltschaft über Betrugsverdacht spricht, stand im Fernsehen die mögliche Verwendung von Arzneimittelfälschungen im Vordergrund.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hatten am 13. September weitere Einzelheiten zu dem Fall bekannt gegeben. Demnach werde gegen zwei Pharmahändler und rund 100 Apotheker aus dem gesamten Bundesgebiet wegen des Verdachts des Betrugs, der Beihilfe zum Betrug und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Es bestehe der Verdacht, dass zwei Hauptbeschuldigte den Vertrieb an deutsche Apotheker organisiert hätten. Die Zytostatika seien zum Teil in einzelnen EU-Staaten national zugelassen gewesen, kämen zum Teil aber auch aus außereuropäischen Staaten. In den Vertrieb seien Firmen von der Isle of Man und aus Dänemark eingebunden gewesen. Bei den belieferten deutschen Apothekern bestehe der Verdacht, sie hätten die günstig importierten Arzneimittel in Zytostatika-Zubereitungen verarbeitet und zu den höheren deutschen Preisen abgerechnet. Bei Durchsuchungen von 66 Wohnungen, Büros und Geschäftsräumen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen und im schweizerischen Kanton Basel seien umfangreiche Beweismittel, darunter nicht zugelassene Arzneimittel, sichergestellt worden. Der Schaden für die gesetzlichen Krankenkassen werde derzeit auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Zudem lägen Verdachtsmomente vor, dass sich unter den vertriebenen Arzneimitteln Fälschungen ohne ausreichenden Wirkstoffgehalt befunden haben könnten.
In dem Fernsehbeitrag am 17. September wurde erläutert, dass etwa 300 Apotheken in Deutschland Zytostatika zubereiten. Dem stünden nun Ermittlungen gegen 100 Apotheken gegenüber. Es war von "Billigmedikamenten aus dem Ausland" die Rede, die teilweise aus Europa, aber auch aus Argentinien gekommen seien. Thomas Pfeiffer erläuterte als Sprecher der Staatsanwaltschaft Mannheim den Betrugsverdacht. Anschließend wurde auf die Krankenkassen verwiesen. Diese würden befürchten, Inhalt und Qualität der Arzneimittel könnten minderwertig sein. Klaus Altmann, AOK Niedersachsen, erklärte dazu vor der Kamera, einzelne Arzneimittel hätten nachweislich nicht den vollen Wirkstoffgehalt und einen höheren Gehalt an "Abbauprodukten" als in Deutschland zulässig. Die Fernsehjournalisten folgerten, diese Arzneimittel seien nicht so wirkungsvoll wie die Originale. Dazu wurde auf frühere Ermittlungen verwiesen, die Sanofi-Aventis vor zwei Jahren angestoßen habe, nachdem gefälschtes Docetaxel aus Argentinien gefunden worden war. Als mögliche Schlüsselfigur des derzeitigen Falles wurde in dem Beitrag von "Report Mainz" der Pharmahändler Hans R. dargestellt, dessen Firma im Raum Freiburg ansässig, aber auf der Isle of Man registriert sei. Pharmagroßhändler Peter Jebens, der als "Insider" des Marktes vorgestellt wurde, erklärte, Hans R. habe ihm bereits vor Jahren angeblich hochwirksame Mittel mit zweifelhaftem Inhalt angeboten, was er damals auch öffentlich gemacht habe. Den Kontakt zu dem Händler habe er daraufhin abgebrochen.
Vertrauen belastet
Auf Apothekerseite wurde BAK-Präsidentin Magdalene Linz befragt. Sie sei erschüttert von dem Fall, es habe bisher keine Verdachtsmomente gegeben, erklärte Linz. Sie war davon ausgegangen, dass nur zugelassene Ware eingesetzt werde – "alles andere wäre ja kriminell". Frank Keller, Leiter der Ermittlungsgruppe Abrechnungsbetrug der Techniker Krankenkasse, sieht das Vertrauensverhältnis von Arzt, Patient und Apotheker durch die Fälle beeinträchtigt, erklärte er in dem ARD-Beitrag. Die Fernsehjournalisten forderten als Konsequenz strengere Kontrollen und überließen Klaus Altmann, AOK Niedersachsen, das Schlusswort: "Fälschungen sind nicht mehr nur eine Sache des Internet, sondern sie sind in der Apotheke um die Ecke angekommen."
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