Medizin

Was ist eigentlichein Leistenbruch?

Herr M. arbeitet seit zehn Jahren als Maurer. Nach dem Heben eines Randsteines verspürt er plötzlich einen stechenden Schmerz in der rechten Leiste und eine neu aufgetretene Beule. An den folgenden Tagen ist die Vorwölbung einmal größer, ein anderes Mal wieder kleiner. Drückt Herr M. darauf, gibt sie nach. Nachdem er das Gefühl hat, der "Knubbel" wird größer, sucht er seinen Hausarzt auf. Dieser erkennt sofort, dass es sich um einen Leistenbruch handelt.

Eine Beule in der Leistengegend

Bei einem Leistenbruch (Leistenhernie oder Hernia inguinalis) handelt es sich um eine sackartige Bauchfellausstülpung, welche durch eine Bauchwandlücke in den Leistenkanal herausgetreten ist. Im Inneren finden sich Baucheingeweide, am häufigsten Darm. Leistenhernien treten bei Jungen wesentlich häufiger als bei Mädchen auf. Zirka drei Prozent aller Kinder kommen mit einem Leistenbruch zur Welt.

Es gibt angeborene und erworbene Leistenbrüche. Bei der angeborenen Hernie besteht ein unvollständig verschlossener Processus vaginalis peritonei (entwicklungsgeschichtliche Ausstülpung des Bauchfells in den Hodensack). Durch diesen treten die Baucheingeweide in den Leistenkanal ein. Normalerweise verschließt sich dieser Processus kurz vor oder nach der Geburt. Dies ist beim angeborenen Leistenbruch nicht der Fall. Bei Jungen finden sich Baucheingeweide im Hodensack, bei Mädchen sinken sehr häufig Eileiter und Eierstock mit in die großen Schamlippen ab. Die erworbene Leistenhernie entsteht zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines neu entstandenen Bauchwanddefektes.

Eine andere Einteilung sortiert die Leistenbrüche anhand des Verlaufs und der Lokalisation der Eintrittspforte. Zur Orientierung dient die Lage der Bruchpforte zu den Blutgefäßen der Bauchwand. So ergeben sich Bezeichnungen wie laterale Leistenhernie und mediale Leistenhernie Je nach Möglichkeit, den Leistenbruch wieder in den Bauchraum zu drücken erfolgt die Einteilung in reponible und irreponible Leistenhernie. Reponible Hernien sind die häufigste Bruchform, sie bereiten nur wenige Beschwerden und können mit der Hand in den Bauchraum zurückgedrückt werden. Bei irreponiblen Leistenhernien kann der Bruchinhalt nicht zurückgeschoben werden und die Gefahr einer Einklemmung (Inkarzeration) ist größer. Bei Vorliegen einer irreponiblen Hernie besteht die Indikation zum sofortigen operativen Eingriff.

Wieso kommt es zu Leistenhernien?

Im menschlichen Körper gibt es so etwas wie "Sollbruchstellen". Dies sind Muskel- oder Faszienlücken sowie Durchtrittsstellen von Nerven, Gefäßen und Samensträngen. Aber auch vorausgegangene Operationen mittels eines Bauchschnittes erhöhen das Risiko für die Entstehung eines Leistenbruchs. Besteht eine Bindegewebsschwäche, kommt es bei diesen Personen leichter als bei anderen zu einem Leistenbruch. Üblicherweise entsteht ein direkter Leistenbruch in Verbindung mit einer Drucksteigerung im Bauchraum. Dafür kommen beispielsweise Husten, Erbrechen, Heben schwerer Lasten, Verstopfungen, Schwangerschaft und auch Übergewicht in Frage.

Woran wird eine Leistenhernie erkannt?

Die Diagnose Leistenbruch ist leicht. Typisch hierfür ist deren Geschwulst in der Leistengegend, die meist gut sicht- und tastbar ist. Bei unsicherem Befund hilft eine Sonografie die Diagnose Leistenbruch zu sichern. Bei einer Drucksteigerung im Bauchraum kann sich die Geschwulst vorübergehend vergrößern, verschwindet aber bei Nachlassen des Druckes wieder. Betroffene berichten über einen leichten, ziehenden Schmerz im Leistenbereich. Dieser Schmerz ist das typische Anzeichen für eine Hernie dieser Art. Er kann bei Männern in den Hodensack und bei Frauen in die Schamlippen ausstrahlen. Wird der Schmerz sehr stark und kommen Übelkeit und Erbrechen hinzu, hat sich der Bruchinhalt eingeklemmt (med. Inkarzeration). In diesem Fall darf nicht länger mit der Operation gewartet werden, da es sonst zu großen Komplikationen wie Absterben des eingeklemmten Darmes kommen kann.

Nur Operation löst das Problem auf Dauer

Dauerhaft wird ein Leistenbruch nur durch eine Operation beseitigt. Fast alle Brüche können mit minimal-invasiver Technik ("Schlüsselloch-Operation") operiert werden. Dabei wird über vier kleine, etwa einen Zentimeter große Hautschnitte ein Netz über der inneren Bruchpforte eingebracht. Eine ältere, aber nicht unbedingt schlechtere Methode ist das offene chirurgische Verfahren. Hierbei erfolgt ein etwa sieben bis zehn Zentimeter langer Schnitt über dem Leistenbruch. Ein Netz wird hierbei nicht eingelegt, sondern die Bruchpforte wird einfach zugenäht.

Konservative Therapie in Ausnahmefällen

Nur in wenigen Ausnahmefällen wird auf die konservative Therapie zurückgegriffen. Dabei wird ein Bruchband angelegt, welches den Austritt des Bruchinhaltes verhindern, Einklemmungen aber nicht sicher vermeiden kann. Deshalb wird es nur bei einem unvertretbar hohen Operationsrisiko angewendet.

Prävention nur eingeschränkt möglich

Einem Leistenbruch kann nur sehr begrenzt vorgebeugt werden. Bei bestehendem Übergewicht sollte dieses reduziert werden. Gezieltes Training der Bauchmuskulatur und der Verzicht auf das Heben schwerer Lasten vermindern das Risiko, allerdings nur im geringen Ausmaß. Um starkes Pressen zu vermeiden, ist auf eine weiche Konsistenz des Stuhlgangs zu achten. Ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit mindestens zwei Liter täglich und regelmäßige Bewegung sind die Basis der Behandlung. Flohsamen sind bei einer milden chronischen Verstopfung oft als alleinige Medikation ausreichend.

Quelle

Bittner R, Leibl BJ, Ulrich M: Chirurgie der Leistenhernie. Minimalinvasive Operationstechniken. Karger Verlag 2006.

Schumpelick V, van Ackeren H, Klinge U: Hernien. Thieme Verlag Stuttgart 2000.

Dr. Ingo Blank, Gärtringen

i Spezielle Formen der Leistenhernien

Gleithernie

Besondere Hernienform, bei welcher der Bruchsack (der normalerweise vom Bauchfell gebildet wird) teilweise oder komplett fehlt. Somit können durch die Bruchpforte Bauchorgane, die vom Bauchfell überzogen werden, nach außen gleiten. Hier besteht bei der Operation die Gefahr der Organverletzung, die sehr leicht beim Eröffnen des Bruchsackes übersehen werden kann.
Leistenhernie der Frau

Der Leistenkanal beinhaltet das Ligamentum teres uteri (das Verstärkungsband der Gebärmutter).
Kombinationshernie

In ca. 15% der Fälle befindet sich eine gleichzeitige Kombination einer medialen und lateralen Leistenhernie. In diesem Fall sind beide Bruchsäcke zu versorgen.
Riesenhernie

Bei dieser Hernie sind fast alle Baucheingeweide in den Bruchsack geglitten. Der gesamte Inhalt des Bruchsackes wird durch die letzteren gebildet.
Hernien (Weichteilbrüche) sind sackartige Ausstülpungen des Bauchfells (Bruchsack). An angeborenen oder erworbenen Muskellücken oder Bindegewebsschwachstellen (Bruchlücke, Bruchpforte) treten Fettgewebsanteile oder Organteile – hier der Darm – aus der Bauchhöhle in die Bruchlücke.
Leistenbrüche treten häufig bei Jungen auf und lassen sich meist einfach anhand der charakteristischen Vorwölbung in der Leistenregion diagnostizieren.
Foto: SPL/Agentur Focus

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