Aus Kammern und Verbänden

TGL Nordrhein

Dr. Heidrun Hoch, Vorsitzende der TGL Nordrhein
Foto: DAZ/rb

Wem gehört die Zukunft?

Zur spannenden Frage, welchen Weg die Apotheke in Zukunft einschlägt, veranstaltete die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein am 8. September eine eintägige Veranstaltung in Düsseldorf. Vier Referenten aus unterschiedlichen Bereichen (Ministerium, Steuerberatung, Apothekenführung, Krankenkasse) beleuchteten das Thema aus ihrer Sicht, eine Podiumsdiskussion zum Thema Kooperationen ergänzte die Vorträge. Als Fazit bleibt: die Apotheke wird auch in Zukunft ihren Platz in der Arzneiversorgung haben, sie muss sich allerdings auf so manche Veränderung einstellen, wenn sie überleben will. Mehr Beratung, mehr Verträge mit Krankenkassen, möglicherweise die Mitarbeit in einer Kooperation und eine effektive Mitarbeiterauswahl und -führung sind die Punkte, ohne die es in Zukunft wohl nicht mehr geht.

"Welchen Lohn verdient die Apotheke", so fragte Ministerialrat Walter Frie, Referatsleiter für Pharmazie, Arzneimittel- und Apothekenwesen im Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen in seinem Vortrag. Wichtig sei, diejenigen, die den Lohn bezahlen (hier den Staat, die Krankenkassen), von der geleisteten Arbeit zu überzeugen. Die Apotheke bekommt ihren Lohn für die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Die Anforderungen an die Apotheken sind hierfür in der Apothekenbetriebsordnung festgelegt.

Erfüllen die Apotheken diese Anforderungen? Bei genauem Hinsehen erkennt man (auch die Politik) mehr und mehr, dass so manche Regeln nicht ausreichend befolgt werden (z. B. in der Beratung, im Labor), dass sich das Erscheinungsbild der Apotheken verändert in Richtung Drogeriemarkt, dass sich der Anteil der Selbstbedienung ausweitet.

Vor diesem Hintergrund hat mit der Gesundheitsreform von 2003 (GMG) bereits ein Wandel im Denken über Apotheken stattgefunden. Die Filialisierung der Apotheken, der Versandhandel, die Preisfreigabe für OTC, der Festzuschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel wurden eingeführt. Die persönliche Meinung des Ministerialbeamten Frie, der selbst Apotheker ist, zu den Folgen des GMG: das Ansehen des Arzneimittels als Ware der besonderen Art hat gelitten, die Arzneimittelversorgung ist auf die schiefe Bahn geraten, der Verlust der Notwendigkeit einer persönlichen Beratung (Versandhandel ist wie Selbstbedienung per Mausklick!) ist dem Lohn der Apotheke abträglich.

Die nordrhein-westfälische Bundesratsinitiative zur Einschränkung des Versandhandels bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln versucht, die Arzneimittelsicherheit über die Beratungspflicht zu erhöhen. Allerdings müsse die Apotheke die Beratung vertraulich gestalten, sie intensivieren und konkrete Regeln hierzu befolgen. Nach Auffassung von Frie wird in Zukunft der Lohn der Apotheke abhängig von dem, was in der der Beratung erfolgt: "Ohne Beratung kein Lohn!"

Diese Forderung nach mehr und besserer Beratung sollte positiv gesehen werden. Nur dies könnte dazu beitragen, Tendenzen, wie sie die Monopolkommission verfolgt, aufzuhalten. Sie sieht die Apotheken nämlich überwiegend als kommerzielles Unternehmen, das daher mit anderen Einzelhandelsgeschäften gleich gesetzt werden sollte.

Wenn die Politik solche Strömungen aufgreift und meint, dass nur oberflächlich informiert, aber nicht beraten wird, könnte dies dazu führen, dass sie den Apotheken nicht mehr den bisherigen Lohn zugestehen möchte. Vielleicht sollte nur die Apotheke, die berät, noch den Lohn von 8,10 Euro bekommen? Um klare Spielregeln aufzustellen, was genau unter einer Beratung zu verstehen ist, plädiert Frie dafür, genaue Vorgaben für die Beratung (Art und Umfang) in die Apothekenbetriebsordnung mit aufzunehmen. Er könnte sich finanzielle Anreize für eine bessere Leistung auf diesem Gebiet vorstellen. Wichtig ist es für die Zukunft, so Frie, die Leistung der Apotheken in Sachen Beratung besser erlebbar zu machen.

Nach fünf Monaten GKV-WSG …

Bereits fünf Monate, nachdem das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) in Kraft getreten ist, lassen sich Auswirkungen auf Umsatz und Ertrag der Apotheken erkennen. Frau Ursula Hasan-Boehme von der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover analysierte den Markt. Sie prognostizierte für dieses Jahr einen weiteren Rückgang des Rohgewinns im Westen von 27,6% (2006) auf 27,3%, im Osten von 26% auf 25,4%, der zum Teil aus der Erhöhung des Krankenkassenabschlags auf 2,30 Euro resultiert. Im Durchschnitt kostet diese Erhöhung jede Apotheke 5200 Euro. Weitere Ursachen liegen u. a. im Rückgang fehlender Einkaufsvorteile und Warenlagerwertverluste bei Preissenkungen. Deutlich machen sich auch die Auswirkungen des AVWG mit dem Verbot von Naturalrabatten und insgesamt schlechtere Großhandelskonditionen bemerkbar.

Hinzu kommen Kostenerhöhungen in Apotheken fürs Personal aufgrund des neuen Tarifvertrags, ein erhöhter Aufwand bei der Belieferung von Rezepten mit Rabattarzneimitteln, ein aufgeblähtes Warenlager, das Risiko der Unverkäuflichkeit von Waren und das Risiko von Retaxationen. Der Druck auf Apotheken wird außerdem verstärkt durch OTC-Preisaktivitäten, Hineindrängen in den Markt von kapitalstarken Anbietern wie DocMorris, dm, Schlecker und Franchisekonzepte.

Hasan-Boehme plädierte für eine aktive Sortimentspolitik mit vernünftigen Preisen, ein aktives Empfehlungsverhalten und eine ansprechende Präsentation. Zur Frage, ob sich Franchisekonzepte lohnen, zeigte sich die Steuerberaterin skeptisch angesichts der hierfür erforderlichen Investitionen und Auflagen. Ein Beispiel: Um Preissenkungen von 18.000 Euro und Franchisekosten von 37.000 Euro pro Jahr zu kompensieren, wäre für die typische Apotheke letztlich ein Mehrumsatz von rund 244.000 Euro notwendig (+ 21%).

Wo bleiben die Angebote der Apotheken an die Kassen?

Die Zukunft dürfte für die Apotheke ungemütlicher werden. Nicht nur, dass sich die Apotheke möglicherweise mit anderen Anbietern und Mitbewerbern konfrontiert sieht. Auch die Krankenkassen werden weiterhin versuchen, auf Kosten der Apothekenmargen am Markt der Arznei- und Hilfsmittel zu partizipieren. Deutlich machte dies Rolf Plum, Leiter des Geschäftsbereichs Arzneimittel/Sonstige Vertragspartner der AOK Rheinland/Hamburg. Er geht davon aus, dass zukünftig die vertraglichen Beziehungen zwischen Apotheken und Krankenkassen auf vielen Gebieten zunehmen werden, idealerweise so, dass es für Apotheke und Krankenkasse zu einer Win-win-Situation kommt. Solche Gebiete sind beispielsweise die Integrierte Versorgung, die Heimversorgung, Impfstoffe, der Sprechstundenbedarf, die Auseinzelung, Rückgabe nicht verbrauchter Arzneimittel, der Hilfsmittelmarkt, die Zytostatikaversorgung und Sondervereinbarungen bei OTCs für AOK-Kunden – "es gibt genug Ideen", so Plum.

Als mögliche Vertragspartner für die AOK kommen vorzugsweise die Apothekerverbände in Betracht, aber auch einzelne Apotheken, Kooperationen, Versandhändler, Hersteller und – sollten sie kommen – Apothekenketten. Als Vertragsvoraussetzungen sieht Plum die flächendeckende Versorgung, hohe Qualitätsanforderungen, monetäre Vorteile und eine sektorübergreifende Zusammenarbeit. "Angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten, Verträge abzuschließen, liegt es bei den Apothekern und ihren Verbänden, interessante Angebote zu entwickeln", so Plum.

Zu den Rabattverträgen: Das Thema sei hochgekocht, weil anfangs große Hersteller die Ausschreibung boykottiert und die Chance vertan hätten, hier mitzuspielen. Plum geht davon aus, dass spätestens ab 1. Januar des nächsten Jahres die Lieferfähigkeit bei rabattierten Arzneimitteln kein Thema mehr sein werde. Als Fehler seitens der AOK gestand er die mangelhafte Kommunikation der Verträge in Richtung Arzt, Apotheke und Patient ein – "dazu stehen wir". Für Abhilfe soll in Zukunft ein Fax-Infosystem für Apotheken sorgen, mit dem die AOK auf Fragestellungen reagieren will.

Zielpreisvereinbarungen sind nach Plum nur als Alternative zu Rabattverträgen denkbar. Als Vorteil für Apotheken sieht er die größere Flexibilität bei der Auswahl, Nachteil könnte sein, dass sie größeren Apotheken Vorschub leisten durch besseren Einkauf und bessere Konditionen. Vorteile für die Krankenkassen liegen in der einfachen Handhabung und einer "geräuscharmen" Umsetzung. Nachteile für die Kassen sind der Verlust der Verhandlungsmacht gegenüber Herstellern, keine aktive Marktbearbeitung, geringere Erträge im Vergleich mit Rabattverträgen.

Wie man gute Mitarbeiter findet

Der Erfolg eines Unternehmens ist die Summe des Erfolgs der Mitarbeiter – Credo der Apothekerin und NLP-Trainerin Doris Nelskamp. Sie stellte eine Methode vor, die hilft, die zum Unternehmen passenden Mitarbeiter zu finden, sie zu fördern und zu motivieren. Anhand von Fragenbogen werden Persönlichkeitsstrukturen von Mitarbeitern und Apothekenleitern analysiert und bestimmten Grundtypen zugeordnet. Daraus lassen sich dann Empfehlungen für ein besseres Miteinander ableiten, was wiederum dem Betriebsklima und dem Betrieb zugute kommt.

Kooperationen: Wem nützen sie? Wie viel Freiheit bleibt?

70% der Apotheken gehören inzwischen einer Kooperation an. Aber bieten Kooperationen tatsächlich eine bessere Zukunftsperspektive? Vielfältige Sichtweisen zu diesem Thema flossen in einer Podiumsdiskussion zusammen, die sich einer drängenden Frage stellte: "Synergie-Effekte durch intelligente Kooperation, wem nutzt der Zusammenschluss und wie viel Unabhängigkeit bleibt?" Unter der Moderation von Peter Ditzel, Chefredakteur und Mitherausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung, diskutierten Experten aus Pharmagroßhandel und Krankenkasse, auf Apotheken spezialisierte Steuerberater sowie der nordrheinische Kammerpräsident Lutz Engelen und Apothekerverbands-Vorsitzender Thomas Preis. Zwei grundsätzliche Positionen schälten sich schnell heraus: Kooperationen sind hilfreich, ja vielleicht sogar unverzichtbar, um für die Zukunft gerüstet zu sein und den bevorstehenden Marktveränderungen kraftvoll Paroli bieten zu können. Das "Zukunftsgespenst", dem es mit aller Macht entgegen zu treten gilt, sind dabei die Drogeriemarkt-Profis, die schon jetzt strategisch gut aufgestellt sind, um in das Geschäft mit Arzneimitteln einzudringen. Sobald – ja und das ist das Entscheidende – der Europäische Gerichtshof sein Urteil in Sachen Fremdbesitz fällen wird (vermutlich im Sommer/Herbst 2008). Dieses Urteil im Auge hat auch die Gruppierung derjenigen, die sich gegen Kooperationen ausspricht: "Wenn wir bereits jetzt unser eigenes Logo, das Apotheken-A, unter das Dach einer Markenpartnerschaft stellen (sprich: uns zu von außen erkennbaren Kooperationen zusammenschließen), dann denken unsere Politiker, es gibt ja bereits Ketten," sagte Thomas Preis unter großem Beifall des anwesenden Publikums. Denn: Haben sich bereits alle Apothekenleiter – durch selbst herbeigeführte Zusammenschlüsse – auf eine Art Kettenbildung eingestellt, werde das mit Sicherheit das Urteil des Europäischen Gerichtshofes beeinflussen, hieß es weiter in der Diskussion. Die "normative Kraft des Faktischen" zeige sich immer wieder – die Apotheker müssten nur an die unglückseligen Gesetze zum Versandhandel zurückdenken.

Bei den Befürwortern der Kooperationen ließen sich jedoch Abstufungen erkennen hinsichtlich der eingesetzten Instrumente und Ziele. Beim Pharmagroßhandel Gehe und der mit Gehe verbundenen, mitgliederstärksten Kooperation "Commitment" setzt man auf das vom Verbraucher erkennbare Motto "Gesund leben", die vom privaten Großhandel Geilenkirchen unterstützte, deutschlandweit aktive Kooperationen A plus zeigt sich nach außen als "Ihre Apotheke mit dem Service-Plus". Andere Kooperationen dagegen sind für den Kunden weniger oder gar nicht erkennbar und beschränken sich auf Serviceleistungen für die Apotheke selbst. Franchise-Konzepte greifen am stärksten in die unternehmerische Freiheit des Apothekenleiters ein. Jeder müsse genau überlegen und entscheiden, welche Verpflichtungen er sich freiwillig auferlegen möchte, wo er bereit sei, seine Freiheit beschneiden zu lassen. Ursula Hasan-Boehme, Geschäftsführerin der Treuhand Hannover GmbH zählte wichtige Kriterien auf, die jeder Apothekenleiter vor einer Bindung an eine Kooperation prüfen sollte: Man müsse sich nicht nur Fragen, wer hinter dem jeweiligen Konzept steht und was die Ziele des Betreibers sind, sondern auch wer die vertraglichen Inhalte und Pflichten festlege, welche Mitwirkung der Apotheker noch habe, welche versteckten Kosten und informellen Verpflichtungen er eingehe.

Die Eingangsfrage nach dem Nutzen von Kooperationen wurde – je nach persönlicher Sichtweise der Diskutanten – sehr unterschiedlich beurteilt. Wie weit man seine Unabhängigkeit durch Bindung an eine Kooperation aufgibt, liegt in der Hand des Einzelnen. Kammerpräsident Engelen legte den Kolleginnen und Kollegen ans Herz: "Kooperationen sind richtig, wenn die Freiberuflichkeit nicht berührt ist. Es handelt sich um ein modernes Medium, dessen ich mich bediene – und ich bleibe dabei frei. Diese Freiheit habe ich eindeutig nicht, wenn ich mich in eine Kette einkaufe."

diz/rb

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