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- DAZ 32/2007
- Rheumatoide Arthritis
Arzneimittel und Therapie
Rheumatoide Arthritis
IL-6-Hemmung mit Tocilizumab unterbricht die Entzündung
Die rheumatoide Arthritis gehört zu den Autoimmunerkrankungen, die unbehandelt relativ rasch fortschreiten und irreversible Schäden nach sich zieht. Daher ist eine rasche und effiziente Therapie erforderlich, um Langzeitfolgen abzuschwächen. Neben den Basistherapeutika spielen Biologicals eine immer wichtigere Rolle, da sie gezielt in den Krankheitsprozess eingreifen können. Ein neuer Therapieansatz ist hierbei die Hemmung von Interleukin 6 mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper Tocilizumab (vorgesehener Handelsname Actemra®).
Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung, von der in Deutschland rund 800.000 Patienten betroffen sind. Sie setzt relativ früh, das heißt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr ein und tritt gehäuft bei Frauen auf. Die Erkrankung ist nicht heilbar, bei rechtzeitigem Therapiebeginn können jedoch Knorpel- und Knochenverlust aufgehalten sowie systemische Auswirkungen abgeschwächt werden. Dies setzt jedoch eine frühzeitige Diagnose, eine stadienadaptierte Therapie, eine sorgfältige Patientenführung und eine gute Compliance voraus. Die Pharmakotherapie wird in der Regel mit einem Basistherapeutikum (DMARD = Disease Modifying Anti-Rheumatic Drug) wie Leflunomid und/oder Methotrexat (in Kombination mit niedrig dosiertem Kortison) eingeleitet. Tritt nach einem halben Jahr keine Besserung ein, werden zusätzlich Biologicals wie etwa Adalimumab, Etanercept oder Infliximab eingesetzt. Ein neuer Ansatz ist die Zytokinhemmung und hier insbesondere die Hemmung von Interleukin 6.
Das Zytokin Interleukin 6 (IL-6) wirkt auf verschiedene Faktoren, die bei der Pathogenese einer rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen. So stimuliert IL-6 die inflammatorische Immunantwort und dies in pathologischem Ausmaß. Die erhöhten Konzentrationen von IL-6 und seinem löslichen Rezeptor IL-6R führen zu entzündlichen Prozessen im Bereich der Gelenke und anderer Körperregionen, wobei die Höhe des Interleukinspiegels mit der Krankheitsaktivität korreliert. Erhöhte IL-6-Konzentrationen behindern ferner die Eisenaufnahme und führen zu einer Anämie, unter der rund ein Drittel aller Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis leidet. Auch stimuliert IL-6 die Bildung von C-reaktivem Protein (CRP) und erhöht somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darüber hinaus aktivieren hohe IL-6-Werte die Osteoklasten, was wiederum zu irreversiblen Knochen- und Gelenkschäden führt. Die Blockade der IL-6-Wirkung ist somit ein vielversprechender Angriffspunkt für die Therapie einer rheumatoiden Arthritis.
IL-6-Blockade mit Tocilizumab
Ein neuer Therapieansatz ist die Unterbrechung der Interleukin-6-Signalwege mit Tocilizumab. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der an die membrangebundene und lösliche Form des IL-6-Rezeptors bindet und somit den Interleukin-6-Signalweg und die nachfolgende Genaktivierung blockiert. Dadurch werden die entzündlichen Prozesse in den Gelenken verringert und die systemischen Wirkungen abgeschwächt.
In Japan ist Tocilizumab bereits für die Behandlung des Morbus Castleman, einer entzündlichen Erkrankung mit IL-6-Überproduktion, zugelassen und der Zulassungsantrag zur Therapie der rheumatoiden Arthritis wurde dort im April 2006 eingereicht. Tocilizumab wurde gemeinsam von den Unternehmen Roche und Chugai entwickelt. Seine Zulassung für Deutschland erwarten die Firmen Anfang 2009.
Studien mit Tocilizumab
Erste klinische Studien in Japan und Europa konnten zeigen, dass der Angriffspunkt von Tocilizumab – der Interleukin-6-Rezeptor – ein sinnvolles therapeutisches Ziel ist. Daraufhin wurden weitere Studien durchgeführt, so die internationale Phase-III-Studie OPTION (Tocilizumab Pivotal Trial in Methotrexate Inadequate responders) mit über 600 Patienten, die an einer schweren rheumatoiden Arthritis litten und nicht mehr auf Methotrexat ansprachen. In dieser Doppelblindstudie erhielten die Patienten randomisiert während 24 Wochen entweder einmal monatlich Tocilizumab (8 mg/kg bzw. 4 mg/kg Körpergewicht intravenös) plus einmal wöchentlich Methotrexat oder eine monatliche Placeboinfusion plus Methotrexat. Wie die Auswertung der Daten zeigte, wurden die Symptome unter Tocilizumab im Vergleich zur Placebo-Therapie deutlich verringert:
• Jeder fünfte Patient (22%), der Tocilizumab in der höheren Dosis erhalten hatte, erreichte eine Symptomverbesserung um 70% gemäß den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR70). Im Vergleich dazu erreichten nur 2% der Patienten aus der Placebo-Gruppe dieses Ergebnis (p < 0,0001).
• Nahezu die Hälfte der Patienten in der Tocilizumab-Gruppe (44%) erzielte eine Symptomverbesserung um 50% (ACR50) gegenüber nur 11% der Patienten der Placebo-Gruppe (p < 0,0001).
• Jeder vierte mit Tocilizumab behandelte Patient erreichte im Studienverlauf eine Remission der Erkrankung (28% vs. 1% in der Placebo-Gruppe).
• Unter der höheren Tocilizumabdosis trat eine rasche Normalisierung der CPRWerte auf.
• Wie auch unter der Therapie mit anderen Biologicals waren unter Tocilizumab im Vergleich zur Placebobehandlung etwas mehr Infektionen aufgetreten.
Ansonsten wurde die Verträglichkeit in den Studien im allgemeinen als gut bezeichnet. Zu den am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen gehören Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Bluthochdruck.
Derzeit werden weitere internationale Phase-III-Studien mit dem Interleukin-6-Inhibitor durchgeführt, deren Ergebnisse in diesem oder im nächsten Jahr erwartet werden.
QuelleProf. Dr. Hans-Peter Tony, Würzburg; Priv.-Doz. Dr. Andrea Rubbert, Köln: "IL-Inhibition mit Tocilizumab: Innovation in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis", München, 4. Juli 2007, veranstaltet von der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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