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- DAZ 32/2007
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Arzneimittel und Therapie
Methylphenidat-Diskussion
ADHS: Langzeitdatenwerfen Fragen auf
Nach wie vor wird darüber gestritten, von welcher Behandlung Kinder mit ADHS langfristig am meisten profitieren. Langzeitdaten der bisher größten randomisierten Studie zur multimodalen Therapie bei ADHS lassen Zweifel daran aufkommen, ob eine Stimulanzienbehandlung einer nichtmedikamentösen Therapiestrategie überlegen ist. Bei einem Teil der Kinder ließ die Wirksamkeit der medikamentösen Behandlung im Laufe der Zeit nach. Auch eine Stimulanzien-induzierte Wachstumsverzögerung ist nicht auszuschließen.
Um Kinder mit ADHS optimal zu behandeln, wird in der Regel ein multimodaler Therapieansatz gewählt, der unter anderem verhaltenstherapeutische und medikamentöse Strategien beinhaltet (s. Kasten "Multimodale Therapie"). Um Antworten auf offene Fragen insbesondere zur Langzeittherapie der ADHS zu erhalten, hat das amerikanische National Institute of Mental Health die sogenannte MTA-Studie (Multimodal Treatment Study of Children with Attention Deficit Hyperactivity Disorder) initiiert, mit der die führenden ADHS-Therapien evaluiert werden sollten. An der Studie nahmen 579 Schulkinder im Alter von sieben bis neun Jahren teil. Verglichen wurde der Einfluss
- einer optimierten medikamentösen Therapie,
- einer Verhaltenstherapie,
- einer Kombination aus optimierter medikamentöser (Methylphenidat-) Therapie und Verhaltenstherapie sowie
- einer Standardtherapie (usual Community Care).
Im Rahmen der medikamentösen Therapie erhielten die Kinder zunächst Methylphenidat, bei Nichtansprechen wurde auf andere Stimulanzien wie Pemolin, Imipramin oder Dextroamphetamin ausgewichen. Im Rahmen der Standardtherapie wurden die Kinder nach Diagnosestellung und Aufklärung behandelt, etwa 60% erhielten unter anderem Stimulanzien.
Erste Ergebnisse der MTA-Studie wurden schon 1999 publiziert. Damals hatte sich abgezeichnet, dass nach 14 Monaten die Methylphenidat-Behandlung alleine und in Kombination mit einer Verhaltenstherapie der alleinigen Verhaltenstherapie und der normalen Grundversorgung überlegen war. Daraufhin wurden viele Kinder (45%) auch aus der reinen Verhaltenstherapie-Gruppe mit Methylphenidat behandelt. In der Gruppe medikamentöse Therapie plus Verhaltenstherapie sank der Anteil der medikamentös behandelten Kinder dagegen von 91% auf 71%.
... war nach drei Jahren nicht mehr zu sehen
Jetzt wurden die Drei-Jahres-Follow-up-Daten von 485 der ursprünglich 579 an der Studie beteiligten Kinder publiziert. Eine Überlegenheit der Methylphenidat-Behandlung und der kombinierten Methylphenidat-Verhaltenstherapie gegenüber der Symptomkontrolle nur mit einer Verhaltenstherapie oder der Standardtherapie ist nicht mehr zu sehen. Über die Gründe können die Autoren der Studie nur spekulieren. Möglicherweise bietet die altersabhängige Abnahme der Symptomatik eine Erklärung dafür. Vielleicht war die medikamentöse Behandlung aber auch nicht optimal, möglicherweise sind auch Therapieabbrüche dafür verantwortlich.
UnterschiedlichesAnsprechen
Dass nicht alle Kinder sofort von einer Methylphenidat-Behandlung profitieren, zeigen die Daten einer sekundären Analyse. Bei etwa einem Drittel der Kinder trat die Wirkung der medikamentösen Therapie nur allmählich ein. Von den Kindern, die sofort gut auf die medikamentöse Behandlung mit Methylphenidat angesprochen hatten, war bei vielen (52% der Gesamtgruppe) auch drei Jahre später kein Wirkungsverlust festzustellen. 14% der Kinder sprachen anfangs gut auf die medikamentöse Behandlung an, doch dann ließ die Wirkung nach.
Verzögertes Wachstum?
Im Rahmen der MTA-Studie wurde auch untersucht, welchen Einfluss die Stimulanzienbehandlung auf das Wachstum der Kinder hat. Dabei stellte sich heraus, dass die Kinder, die nie mit Stimulanzien behandelt worden waren, nach drei Jahren im Schnitte etwa 2 cm größer und rund 3 kg schwerer waren als Kinder, die entsprechende Substanzen erhalten hatten.
Schutz vor Drogenkonsum?
Kinder mit ADHS konsumieren als Jugendliche häufiger Drogen und geraten öfters mit dem Gesetz in Konflikt als Kinder bzw. Jugendliche ohne diese Verhaltensstörung. Daher wurde der Frage nachgegangen, ob eine Stimulanzienbehandlung vor späterem Drogenkonsum und Straffälligwerden (Delinquenz) schützen kann. Die Drei-Jahres-Follow-up-Daten zeigen, dass die zu diesem Zeitpunkt überwiegend 11- bis 13-jährigen Kinder der reinen Medikationsgruppe im Vergleich zu nicht erkrankten Kindern häufiger straffällig geworden waren (27% vs. 7,4%) und öfter Drogen konsumiert hatten (17,4% vs. 7,8%). Eine weitere Nachbeobachtung soll helfen, die Frage nach der längerfristigen Schutzwirkung der verschiedenen Therapien zu klären.
QuelleJensen PS et al.: 3-Year follow-up of the NIMH MTA Study J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2007; 46:989-1002.
Swanson JM et al.: Effects of Stimulant Medication on Growth Rates Across 3 Years in the MTA Follow up. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2007; 46: 1015-1027.
Molina SGB et al.: Delinquent Behavior and Emerging Substance Use in the MTA at 36 Months: Prevalence, Course and Treatment Effects. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2007; 46: 1028-1040.
Swanson JM et al.: Secondary Evaluations of MTA 36-Month Ountcomes: Propensity Score and Growth Mixture Model Analyses. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2007; 46: 1003-1014.
du- der Aufklärung der Eltern,
- einem Elterntraining,
- der Aufklärung des Kindes,
- einem Verhaltenstraining für das Kind und
- einer medikamentösen Therapie.
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