Endocannabinoidsystem

1.2 Ueberschrift Hauptartikel

0.4 Vorspann

Zukunftsmusik

Viele schwerstkranke Patienten könnten von einer Therapie mit Cannabis profitieren, aber oft genug bewegen sie sich an der Grenze zur Illegalität, wenn sie eine solche Behandlung wünschen. Zwar kann ein Arzt Dronabinol, das trans-Isomer des in der Hanf-Blüte enthaltenen Cannabis-Hauptwirkstoffes Delta-9-Tetrahydrocannbinols auf einem Betäubungsmittelrezept verordnen. Doch davon profitieren nur wenige Patienten, denn ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel gibt es nicht. Es besteht lediglich die Möglichkeit, auf eine Dronabinol-Rezeptur zurückzugreifen oder das in den USA unter dem Handelsnamen Marinol® zugelassene Dronabinol-Fertigarzneimittel zu verschreiben, das dann importiert werden muss. Das ist umständlich und nicht wenige Ärzte scheuen den bürokratischen Aufwand. Viele Patienten suchen daher nach leichter zugänglichen Quellen und finden Hilfe oft am Rande der Legalität, beispielsweise bei der "Hanfapotheke".
Denn nach wie vor ist in Deutschland der Besitz von Cannabis grundsätzlich verboten. Ausnahmen von dem Verbot werden gewährt, wenn das öffentliche Interesse dies erfordert. Die medizinische Verwendung von Cannabis wurde lange Zeit nicht als Grund für eine Ausnahmegenehmigung akzeptiert. Doch nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2005 kann das Begehren, Cannabis als Medikament zu kaufen, nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden, dass dies nicht im öffentlichen Interesse ist. Basierend auf diesem Urteil hat die Bundesopiumstelle nun im Juni 2007 Ausnahmegenehmigungen erteilt und einigen Patienten auf Antrag grundsätzlich das Recht auf eine medizinische Versorgung mit Cannabis über deutsche Apotheken zugestanden. Das sind kleine Fortschritte, von denen wiederum nur wenige Patienten profitieren.
Da mag mancher mit Interesse die auch in Publikumsmedien verbreitete Meldung gelesen haben, dass sich schmerzlindernde und rauscherzeugende Wirkungen von Cannabis möglicherweise trennen lassen. In der Tat können die neuen Erkenntnisse zur Lokalisation von schmerzregulierenden Cannabinoid-Rezeptoren in Nozizeptoren der Peripherie wegweisend für die Entwicklung hochwirksamer und nebenwirkungsarmer Analgetika sein. Solche Substanzen, die die gleichen schmerzlindernden Eigenschaften haben wie Cannabis-Extrakt, ohne dabei in das zentrale Endocannabinoidsystem einzugreifen und damit Rauschzustände auszulösen, könnten schlagartig die Diskussion um die Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken zumindest in der Schmerztherapie beenden. Doch das ist alles noch Zukunftsmusik. Es wird Jahre dauern, bis auf der Basis solcher Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung neue Substanzen entwickelt und in die Therapie eingeführt werden können. Denn meist lassen sich erwünschte und unerwünschte Wirkungen nicht einfach auseinander dividieren, insbesondere dann nicht, wenn in ein so komplexes System eingegriffen wird, wie es das Endocannabinoidsystem ist. Eine kleine Kostprobe davon, welche Tücken lauern, bietet die aktuelle Diskussion um den bei uns zur Gewichtsreduktion zugelassenen CB1 -Antagonisten Rimonabant. Er wird wohl in den USA nicht zuletzt wegen psychiatrischer und neurologischer Nebenwirkungen und einer damit verbundenen Steigerung des Suizidrisikos nicht zugelassen werden.
Den schwerstkranken Patienten, die von Cannabis profitieren könnten, helfen solche Forschungsergebnisse momentan nicht. Sie sind darauf angewiesen, schnell und unkompliziert die für sie notwendigen und lindernden Medikamente zu erhalten. Auf Zukunftsmusik können sie nicht warten. Hier muss die Politik endlich unnötige Hürden abbauen.

Doris Uhl

Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung

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