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- DAZ 28/2007
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Pharmazeutische Betreuung
Zertifizierte Fortbildung zur Diabetikerbetreuung
Ein Bericht der WHO Study Group "Prevention of diabetes mellitus" aus dem Jahre 1994 legte eine dreistufiges Konzept vor, um dem Diabetes vorzubeugen:
- Die primäre Prävention richtet sich an Gesunde, die ein Risiko mit sich tragen, eines Tages zum Diabetiker zu werden. Es gilt solche Risikopersonen zu identifizieren, sie auf das Risiko hinzuweisen und Ratschläge zur Abhilfe zu erteilen.
- Die sekundäre Prävention betrifft Screening bereits erkrankter, aber noch nicht behandelter Personen.
- Die tertiäre Prävention ist die bestmöglichste Behandlung von Personen mit klinisch manifestem Diabetes, um akute und späte Komplikationen zu vermeiden oder letztere doch wenigstens hinauszuschieben.
In diesem Konzept der Prävention spielen die verschiedenen Heil- und Hilfsberufe eine unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende Rolle. Der Arzt bzw. "Diabetologe DDG" ist zuständig für Diagnostik, Schulung und Therapie, Diabetesberater/innen unterstützen den Arzt in Schulung und Beratung, Ernährungsberater/innen sorgen dafür, dass eine krankheitsgerechte schmackhafte Kost gewährleistet wird.
Die Apotheke als Teil des Betreuungskonzepts
Bereits in den 70er-Jahren war es in den USA üblich, Apotheker durch Fortbildungsseminare auf dem Gebiet der Diabetologie zu qualifizieren. Man erwartete zu Recht, dass auch der Apotheker, insbesondere durch Aufklärung des Patienten und durch Überwachung der Medikation, einen Beitrag zum Therapieerfolg leisten kann.
Im Jahre 1995 hat sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft auf ihrer Mitgliederversammlung mit der Frage beschäftigt, ob man Apothekern eine gewisse Qualifikation angedeihen lassen könnte, damit sie dem Diabetiker ihr Fachwissen, insbesondere unter dem Aspekt einer pharmazeutischen Betreuung, zur Verfügung stellen können. Sie hat damals die Grundzüge eines Curriculums zur Fortbildung von Apothekern beschlossen, jedoch wurden von ärztlicher Seite erhebliche Bedenken geäußert, dass sich der Apotheker in ärztliche Aufgaben einmischen könnte. Folglich musste geklärt werden, was der Apotheker bei der Betreuung von Diabetikern tun darf und soll.
Dies sind die wichtigsten Tätigkeiten des Apothekers in der Diabetikerversorgung:
- Der Apotheker kann in der Öffentlichkeit über Diabetes informieren.
- Im Sinne der primären Prävention kann der Apotheker helfen Risikopersonen zu erkennen, insbesondere bei genetischer Disposition der Familie, ungesundem Lebensstil und mangelnder körperlicher Betätigung. Er kann ihnen wichtige Hinweise zur Verminderung von Risikofaktoren geben, insbesondere: Gewichtskorrektur, gesunde Ernährung, körperliche Betätigung, Vermeidung von diabetogenen Arzneimitteln.
- Im Sinne der sekundären Prävention kann der Apotheker über die Messung des Blutzuckerspiegels und anderer relevanter Parameter an der Früherkennung des Diabetes mitwirken und die Patienten einer ärztlicher Behandlung zuführen.
- Im Sinne der tertiären Prävention soll der Apotheker die richtige Anwendung und Dosierung der Medikamente sicherstellen (Compliance) sowie Informationen zu ihrer Wirkungsweise, ihren (möglichen) Nebenwirkungen (insbesondere Warnsymptome bei Hypoglykämie oder Hyperglykämie) und ihrer Aufbewahrung geben. Er soll dabei auch die Begleitmedikation überwachen, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden. Häufig hat der Patient die Anordnungen des Arztes nicht verstanden, nur teilweise verstanden, verwechselt oder sogar vergessen. Der Apotheker soll ihm die Anordnungen des Arztes verdeutlichen. Er soll dem Diabetiker auch die Handhabung von Medizinprodukten (Pens, Messgeräte, Applikationshilfen) erklären und kann ihm beim Führen eines Diabetikerpasses helfen. Insbesondere berät er den Diabetiker bei der Blutzuckerselbstkontrolle und bei der Insulinanwendung (s. Kästen). Er informiert auch über die gefürchteten Spätfolgen der Krankheit (z.B. "diabetischer Fuß").
- Der Apotheker kann den Diabetiker auf Selbsthilfegruppen, Fachgesellschaften, Schulungsmöglichkeiten und Informationsveranstaltungen hinweisen.
Alle diese Aufgaben kann der Apotheker erfüllen, ohne sich in die Belange der Ärzte einzumischen.
Was ist bisher geschehen?
Vor dem geschilderten Hintergrund etablierte sich im November 1998 eine Ad-hoc-Kommission, der die damaligen Präsidenten der Bundesapothekerkammer, Dr. Schmall, und der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Dr. Renner, sowie DDG-Altpräsident Prof. Ammon und weitere Fachleute aus dem Bereich der Pharmazie und Diabetologie angehörten [1], um ein Programm der Intensivfortbildung von Apothekern auf dem Gebiet der Diabetologie auszuarbeiten. Diese Kommission wurde zur Dauereinrichtung und firmiert jetzt unter dem Titel "Einbindung des Apothekers in die Diabetikerversorgung (EADV)". Den Vorsitzenden stellt die DDG, die Geschäftsführung liegt bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apothekerverbände – ABDA. Fortbildungskurse mit Zertifikat werden von den Apothekerkammern organisiert.
Fortbildungskurse für Apotheker
Das Fortbildungsprogramm (s. großen Kasten) wird meist in Wochenendkursen, die insgesamt 36 Stunden umfassen, vermittelt. Damit der Apotheker, der in seiner universitären Ausbildung kaum Patienten gesehen hat, ein Gefühl für die medizinische Situation bekommt, umfasst die Fortbildung auch eine dreitägige Hospitation in einer Diabetesklinik, Diabetesabteilung einer Klinik oder einer diabetologischen Schwerpunktpraxis.
Nach Abschluss der Fortbildung unterziehen sich die Kursteilnehmer einer schriftlichen Prüfung und erhalten ein von der jeweiligen Apothekerkammer sowie dem DDG-Landesverband unterzeichnetes Zertifikat. Als Lehrbuch wird "Diabetes in Frage und Antwort" [5] empfohlen.
Im Durchschnitt bietet jede Apothekerkammer pro Jahr zwei bis drei Kurse an. Bisher wurden bundesweit etwa 6000 Apotheker qualifiziert, sodass statistisch in jeder vierten der etwa 21.500 Apotheken ein "Diabetes-Apotheker" tätig ist.
Wie viele Diabetiker kommen in die Apotheke?
Eine Befragung von Teilnehmern der zertifizierten Fortbildung in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin ergab, dass im Schnitt 83 Diabetiker pro Monat ihre Apotheke besuchen. Folgende Parameter wurden dort gemessen: Blutdruck, Blutzucker, Blutlipide und in wenigen Fällen HbA1C • Die mittlere Beratungsdauer betrug 10 bis 20 Minuten. 31 der 41 Apotheken führten eine Patientenkartei [2].
Qualitätssicherung der Fortbildung
Um die aufgezeigten Dienstleistungen bundesweit nach definierten Qualitätsstandards zu erbringen, wurden Instrumente zur Qualitätsentwicklung und -sicherung erarbeitet. Grundlage dafür war ein zweistufiges Konzept [3].
Von Mai bis Oktober 2005 wurde in 32 diabetesorientierten Apotheken bei 462 zufällig ausgewählten Typ-2-Diabetikern eine erste Evaluation der Durchführung von Blutzuckerselbstkontrollen (BZSK) vorgenommen. Die Patienten führten die BZSK mit ihren eigenen Geräten durch. Dabei wurden die Korrektheit der Durchführung jedes Einzelabschnittes mit einem standardisierten Dokumentationsbogen protokolliert sowie Fehler erfasst. Sofern notwendig, erfolgte eine einmalige Einweisung in die korrekte Durchführung der Messung. Der Patient erhielt zudem eine schriftliche Anweisung. Sechs Wochen später wurde die Qualität der BZSK erneut überprüft.
Ergebnisse: 83% der Patienten machten zu Studienbeginn mindestens einen Fehler. Diese Zahl sank über den Beobachtungszeitraum auf 41%. Die durchschnittliche Fehlerzahl sank von 3,1 auf 0,8 pro Teilnehmer. Fehler, die potenziell zu einem falschen Messergebnis geführt hätten, wurden anfänglich bei 61%, am Ende bei 24% der Studienteilnehmer dokumentiert.
Daraus ergeben sich die Schlussfolgerungen: Für die fehlerfreie Blutzuckerselbstkontrolle von Typ-2-Diabetikern sind Auffrischungen der Schulungsinhalte nötig. Diabetesorientierte Apotheken sind geeignet, diese Beratungen effektiv durchzuführen [4].
Eine bundesweite Bewertung, insbesondere eines gesundheitsökonomisch messbaren Gewinns, ist derzeit sicher noch zu früh.
Zusammenfassung
- Diabetes mellitus vom Typ 2 ist eine Volkskrankheit. Neben der ärztlichen Behandlung erfordert diese Erkrankung einen erheblichen Aufwand an Schulung, Betreuung und Information.
- Die pharmazeutische Betreuung der Patienten dient vor allem der Prävention auf verschiedenen Stufen; sie kollidiert nicht mit den Tätigkeiten des Arztes, sondern ergänzt diese.
- Um den Patienten eine kompetente pharmazeutische Betreuung bieten zu können, muss der Apotheker sich auf dem Gebiet der Diabetologie fortgebildet haben.
- Durch ihre leichte Erreichbarkeit kann die ortsnahe Apotheke einen wichtigen Beitrag bei der individuellen Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus leisten.
- Auswahl eines geeigneten Messgerätes
- Durchführung der Codierung
- Einfachheit der Handhabung
- Benötigte Blutmenge
- Messung an alternativen Körperstellen
- Dauer der Messung
- Reinigung
- Speicherung von Messdaten
- Dokumentation
- Fehlerquellen
- Entsorgung der Testmaterialien
- Monitoring
- Funktionserklärung der Applikationshilfen (Pen, Fertigpen, Pumpe)
- Einstellung und Korrektur der Dosis
- Auslösen der Injektion
- Befüllen mit Insulin
- Geeignete Kanülen
- Wechsel der Patronen und Kanülen
- Entfernen von Luftblasen
- Insulineinheiten einstellen
- Hygienische Maßnahmen
- Spritzzeitpunkte
- Wahl der Injektionsstelle
- Aufbewahrung
- Entsorgung
- Monitoring
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