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Worum geht’s wirklich?

DocMorris-Chef Ralf Däinghaus und Celesio-Chef Fritz Oesterle einträchtig strahlend Hand in Hand – aus dem grundsoliden Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio (in Deutschland: Gehe) sei der Apothekerschreck Celesio geworden, so kommentiert das Handelsblatt. "Apotheker kommen an die Kette", ist sich die FAS sicher. Die Apotheker kochen, meint die FAZ. In der Tat: Viele, nicht nur der ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf äußerten sich bemerkenswert deutlich. Die Maske sei gefallen: "Die Celesio AG positioniert sich offen und aktiv gegen die eigenverantwortete, heilberuflich ausgerichtete Apotheke."

Celesio (Gehe) und DocMorris – kommt da zusammen, was zusammengehört? Wie passt der Prädikatsjurist Oesterle zum Schaumschläger Däinghaus, der vielen als Musterbeispiel der Unseriosität gilt? DocMorris steht für die locker-nonchalante Umgehung von bestehenden Gesetzen und Verbraucherschutzregelungen. Deutsche Patienten wurden ohne Skrupel mit in Deutschland nicht verkehrsfähigen Arzneimitteln beglückt. Und auch sonst: Wenn die gültigen Gesetze nicht hergaben, was man sich wünschte, zog man im Vorgriff auf angestrebte Gesetzesanpassungen einfach die "Doofkarte", wie es Jens Apermann, der Ex-Marketingchef des Versenders, einmal treffend ausdrückte. Die Devise scheint: Wir machen, was wir wollen, notfalls dehnen wir Gesetze, bis sie brechen – auch wenn wir vorziehen, sie vorher ändern zu lassen. Mit dieser Strategie hatte das Unternehmen Teilerfolge. Sie sind kein Kompliment für unsere politische Klasse. Dass der Führungsmann von Celesio dieses Spiel jetzt aktiv mit betreibt, stimmt nachdenklich. Oesterle hat die Chance verspielt, im Saarland beizudrehen. Er hätte mit seiner 90%-Mehrheit an DocMorris bewirken können, dass die Kapitelgesellschaft nicht mehr zu erzwingen versucht, als "Fremdbesitzer" im Widerspruch zum deutschen Recht eine deutsche Apotheke zu betreiben. Aber Oesterle will nicht, was er könnte. Er will die Kette – allen früheren Beteuerungen zum Trotz.

Nicht nur Oesterle ist scharf auf die Wertschöpfung der Apothekenstufe. Die dort erzielten Erträge bleiben in Deutschland und den meisten großen europäischen Ländern bislang bei den selbstständigen Apothekern und ihren Mitarbeitern in der Apotheke – bei denen also, die gemeinsam dort die Arbeit machen. Unter Franchise- und Kettenbedingungen fließen wesentliche Teile der Apothekenwertschöpfung in die Taschen fremder Betreiber. Sie landen bei Aktionären, bei Risikokapitalgebern – oder wo auch immer. Denn nach einem Fall des Fremdbesitzverbotes könnte sich jeder – jede Person, jedes Unternehmen – in den Besitz von vorhandenen oder (in Deutschland) beliebig neu zu gründenden Apotheken bringen: Arzneimittelhersteller ebenso wie Drogerieketten, (Kranken)Versicherungen wie Krankenhausbetreiber, Lebensmittelketten wie Banken.

Nichts deutet darauf hin, dass die Arzneiversorgung dadurch besser oder billiger wird. Im Gegenteil. Sie vermachtet, verkommt, verklumpt, verlumpt, wird hilfloser gegenüber Korruption. Teile der Politik, der Behörden und der Wirtschaftspresse lassen sich von denen, die von Apothekenketten profitieren wollen, am Nasenring durch die Arena führen. Da wird der Eindruck erweckt, Deutschland sei Schlusslicht bei einer ohnehin unvermeidlichen "Liberalisierung" des Apothekenwesens. Richtig ist: In fast allen großen Länder Europas gilt nach wie vor, dass Apotheken nur im Besitz von Apothekern betrieben werden dürfen (so wie Anwaltskanzleien nur von Anwälten, aber nicht von Versicherungsgesellschaften etc.). Das Fremdbesitzverbot bei Apotheken ist in maßgebenden Ländern Europas eher die Regel als die Ausnahme. Und dort, wo es nicht unbeschränkt gilt, stellen sich die Regelungen weniger "liberalisiert" heraus, als es die Wirtschaftspresse wahrhaben will. Wo im Ausland Fremdbesitz erlaubt ist, existieren meist mehr oder weniger rigide Niederlassungsbegrenzungen (Abstandsregelungen oder Begrenzung der Apothekenzahl, orientiert an den zu versorgenden Einwohnern). Die deutsche Regelung, dass jeder approbierte Apotheker (auch aus dem EU-Ausland stammend) wo auch immer in Deutschland eine Apotheke betreiben kann, muss vor diesem Hintergrund als geradezu mustergültig "liberal" erscheinen. Dass der Europäische Gerichtshof sich dieser Einsicht verschließt, ist keinesfalls sicher. Warum sollte sich die EU-Kommission mit ihrer konzertierten Attacke auf das Apothekenrecht von Frankreich, Italien, Österreich, Spanien und Portugal nicht verhoben haben? Die Interessen, die dahinter stecken, sind in den letzten Tagen überdeutlich geworden.

Noch ist nicht aller Tage Abend. Nur wer nicht kämpft, hat schon verloren. Marktbeobachter sagen: Die Apotheker sind nicht wehrlos. Zuletzt hätten sie dies deutlich gemacht, als Lichtwer mit Kwai fremdgegangen sei. Deftige Signale seien jetzt allerdings notwendig. Ohne diese würden sich weitere Angreifer ermutigt fühlen.

Klaus G. Brauer

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