Kommentar
Die Umsetzung von Herstellerrabattverträgen im Apothekenalltag ist mindestens lästig. Der Erklärungsbedarf ist groß und geht zu Lasten der pharmazeutischen Beratung. Die Verfügbarkeit der Rabattarzneimittel muss sich erst bewähren. - Doch die politische Absicht ist eindeutig: Das Bundesgesundheitsministerium betrachtet den Vertragswettbewerb als wichtiges Steuerungsinstrument für den Arzneimittelmarkt der Zukunft. Die Verträge sollen demnächst sogar mehr Bedeutung erlangen als die Festbeträge, die eine in der kurzlebigen Gesundheitsgesetzgebung bemerkenswerte Geschichte von 18 Jahren besitzen und mitunter als einziges erfolgreiches Steuerungsinstrument bezeichnet werden. Demnach wird viel von den Verträgen erwartet. Das haben alle Marktbeteiligten akzeptiert. Auch die offiziellen Repräsentanten der Apotheker bezeichnen Verträge als nachhaltiges Instrument, das uns noch lange beschäftigen wird.
Interessant ist daher nicht mehr die Frage ob, sondern welche Verträge künftig den Apothekenalltag prägen werden. Die ABDA propagiert die Vorteile von Zielvereinbarungen gegenüber Rabattverträgen. Zielvereinbarungen überzeugen durch Vorteile bei der Umsetzung und weitaus bessere individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für Patienten und Apotheker bei mindestens gleicher Planungssicherheit für die Krankenkassen. Im Interesse eines geringeren Eingriffs in die Patientenrechte sollten sie den Vorzug genießen. Darüber hinaus bergen sie durch die Auswahlentscheidung in der Apotheke ein geringeres Risiko der Oligopolbildung als die Herstellerauswahl auf Kassenebene. Alle Auswahlentscheidungen der Kassen werfen dagegen die Forderung auf, die Krankenkassen dem Wettbewerbsrecht zu unterstellen. Denn die allgemein gelobten Folgen des Wettbewerbs treten nur ein, wenn er sich an Regeln orientiert, aber nicht durch Knebelbedingungen, die von der stärkeren Seite diktiert werden.
Die forschende Pharmaindustrie bringt als weitere Option anreizverträgliche Konzepte wie Kapitationsmodelle oder Risikoteilung ins Gespräch. Damit ginge ein Teil der Budgetverantwortung und in Extremfällen das Versicherungsrisiko von den Krankenkassen auf die Pharmaindustrie über. Für einige besondere Versorgungssituationen kann dies eine intelligente Idee sein, stellt aber alle Beteiligten vor die Herausforderung, die eigene Rolle neu zu definieren. Auch die Apotheker sollten rechtzeitig ihren möglichen Beitrag formulieren, damit solche Verträge nicht an ihnen vorbeigehen. Vermutlich führt die Lösung in diesem Fall über die Integrierte Versorgung, die ein noch viel weiteres Feld für neue Verträge bietet – und damit auch große Herausforderungen für die Apotheker.
Thomas Müller-Bohn
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