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Impfkampagne zwischen Spekulationen und Emotionen
"Vorbeugen – Schützen – Impfen", das ist das Motto der Europäischen Impfwoche, die in dieser Woche stattfindet. Sie wird von den europäischen Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Europa veranstaltet und von vielen Partnern wie dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) unterstützt. Hintergrund für diese Aktion ist die immer noch unzureichende Grundimmunisierung von mehr als einer halben Million Kindern in Europa. Auch in Deutschland ist die Durchimpfungsrate zu gering. Das führt immer wieder zum Aufflammen von Infektionserkrankungen, die eigentlich dank einer Impfung keine Rolle mehr spielen sollten. Prominentestes Beispiel sind die epidemieartigen Ausbrüche von Masern.
Die Veranstalter der europäischen Impfwoche weisen zu Recht darauf hin, dass Impfungen Leben retten, schwere Erkrankungen vermeiden helfen und vor Behinderungen schützen. Dadurch ersparen sie vielen Eltern und Kindern unnötiges Leid.
Doch muss wirklich gegen jede Infektionskrankheit geimpft werden, für die es einen Impfstoff gibt? Ist es nicht für die Entwicklung der Kinder besser, Kinderkrankheiten durchzumachen? Sind die steigenden Zahlen von allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen und Asthma auch die Folge von nicht durchlebten Infektionskrankheiten in der Kindheit?
Diesen und vielen weiteren Fragen müssen sich die Befürworter von Impfungen immer wieder stellen. Kritiker der ständig zunehmenden Impfempfehlungen bemängeln zudem die unzureichende und intransparente Datenlage, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden. Das Messen von Antikörpertitern als Maß für die Wirksamkeit einer Impfung ist in ihren Augen ebenso völlig unzureichend wie die Erfassung der kurzfristig auftretenden Impfschäden. Sie fordern seit Langem Untersuchungen zu langfristigen Folgen einer Impfung, insbesondere zu den Auswirkungen auf das Immunsystem. Zudem wird in Kritikerkreisen immer wieder der Verdacht geäußert, dass bei den Empfehlungen der STIKO die Pharmaindustrie die Feder führt, denn allgemein empfohlene Impfungen sind für die Hersteller ein profitables Geschäft.
In dieser aufgeheizten Diskussion zwischen Impfbefürwortern und Impfkritikern hilft nur eine sachliche Auseinandersetzung, die zutage fördert, was gesichert ist und wo noch Aufklärungsbedarf besteht. So im Falle der Windpockenimpfung und der aufgrund einer amerikanischen Studie erneut aufgeflammten Diskussion um die Dauer der Schutzwirkung und deren generellen Nutzen. Daher haben wir in dieser Ausgabe Vertreter beider Lager gebeten, die Sachlage aus ihrer Sicht zu erörtern:
- Prof. Heinz-Josef Schmitt zeichnet sich als Vorsitzender der Ständigen Impfkommission mit verantwortlich für die 2004 ausgesprochene Impfempfehlung gegen Windpocken. Er zweifelt nicht an deren Erfolg. Probleme mit einem eventuell nachlassenden Impfschutz können seiner Meinung nach mit einer Auffrischimpfung gelöst werden.
- Dr. Steffen Rabe gehört zu einer Gruppe von Ärzten, die sich in der Initiative Ärzte für individuelle Impfentscheidung zusammengeschlossen haben. Die Argumente für die Impfempfehlung gegen Windpocken haben sie nie überzeugen können. Insgesamt habe, so Rabe, diese von vielen Fachleuten nicht nachvollziehbare allgemeine Impfung gegen eine der komplikationsärmsten Kinderkrankheiten die in sie gesetzte Erwartungen keinesfalls erfüllt, die geäußerten Befürchtungen jedoch auf der ganzen Linie bestätigt.
Dass man über viele Impfungen nach wie vor trefflich streiten kann, liegt vor allem daran, dass es zu vielen offenen Fragen keine fundierten Untersuchungen gibt, die zweifelsfreie Antworten geben. Das lässt Raum für Spekulationen und Emotionen, gegen die auch die Initiatoren jeder Impfkampagne nur schwer antreten können. Hier muss vor Ort im direkten Gespräch ein Höchstmaß an individueller Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden, zum Wohle von Eltern und Kindern, damit diesen wirklich vermeidbares Leid erspart bleibt. Die Apotheke ist ein guter Ort dafür – das Angebot, den Impfpass zu überprüfen, eine gute Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.
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