- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 16/2007
- Ein Kommissionierroboter ...
Management
Ein Kommissionierroboter in der Krankenhausapotheke
Um quantitative Vorstellungen davon zu erhalten, welche Warengruppen am arbeitsintensivsten sind und deshalb einer automatisierten Kommissionierung zugeführt werden sollten, wurden zunächst die Lagerbewegungen, der Lagerplatzbedarf und der Arbeitsaufwand für Warenannahmen, Einlagern, Auslagern, Umlagern und Kommissionieren der einzelnen Artikelgruppen (ABC-Artikel) eingehend analysiert. Dabei erschienen vor allem die C-Artikel optimierungsbedürftig, was durch die anvisierte spezielle Robotertechnik gelöst werden sollte.
Die Feinanalyse aller Lagerbewegungen zeigte, dass zum Zeitpunkt der Situationsevaluierung (s. auch Abb. 1):
• 78 A-Artikel (1.825.000 Packungen/Jahr) direkt von Paletten weg kommissioniert wurden. Diese Artikel sind somit angesichts 50 bis 300 Packungen/Tag Superschnelldreher.
• 40 B-Artikel (250.000 Packungen/Jahr) aus Durchlaufregalen kommissioniert wurden. Diese Artikel gelten als Schnelldreher (10-50 Pack/Tag).
• 1912 C-Artikel (425.000 Pack/Jahr) bisher aus Fachbodenregalen später vom Stock-Flow-Regal weg kommissioniert wurden. Diese Artikel sind definitionsgemäß Langsamdreher (weniger als 10 Stück am Tag).
Arbeitsaufwand für die Kommissionierung
Die wöchentliche Arbeitszeit für die Kommissionierung (von Warenannahme bis Versand auf Station) betrug vor der teilweisen Automatisierung im Schnitt 370 Arbeitsstunden.
Im Detail wurde an Zeit aufgewendet für die
• A-Artikel: ca. 115 h (30%)
• B-Artikel: ca. 38 h (10%)
• C-Artikel: ca. 142 h (40%)
• Warenannahme und Ersteinlagerung: ca. 38 h (10%)
• Umlagerung aus Übervorratsregalen: ca. 36 h (10%)
Somit ließ die Kommissionierung der C-Artikel (Langsamdreher) und das notgedrungene Umlagern des Übervorrats das größte Rationalisierungspotenzial erwarten.
Konsequenterweise sollte als Ziel die Auslieferung eines großen Teils der C-Artikel automatisiert und gleichzeitig das Umlagern von Übervorräten reduziert bzw. völlig erübrigt werden.
Ein ins Auge gefasster Kommissionierautomat sollte zudem eine Verdichtung der Lagerung zulassen, manuelle Arbeit sparen und die Fehlerrate vermindern lassen. Der Roboter sollte selbstverständlich auch das "Fifo"-Prinzip (first in, first out) befolgen und jederzeit beliebig sortierte Verfalldatenlisten erzeugen können.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht waren an eine Automatisierung von Logistikprozessen mindestens drei Anforderungen zu stellen:
• Einsparung von Personalkosten,
• Reduzierung von Raum- und damit Gebäudekosten pro gelagerter Packung/Artikel,
• Ein "Return on investment" innerhalb des Abschreibungszeitraumes.
Ein situationsgerechtes Konzept
Die Abteilung "Ausgabe/Logistik" der Klinikumsapotheke beliefert das Klinikum selbst und mehrere mitversorgte Krankenhäuser u. a. mit Fertigarzneimitteln. Zu den regelmäßig angeforderten Artikeln gehören auch folgende Gruppen: kühlschrank- und kühlkettenpflichtige Arzneimittel, Betäubungsmittel und Importarzneimittel. Diese eignen sich eher nicht für eine Roboterkommissionierung in der von uns angestrebten Ausstattung.
Mit Hilfe des hauseigenen automatischen Bestellsystems können die anfordernden Kostenstellen schnell und effizient Medikamente und dergleichen über Barcode aus dem Warenkatalog bestellen. Sie werden spätestens am folgenden Arbeitstag beliefert. Die vollautomatischen Kommissionier- und Lagersysteme zweier konkurrierender Hersteller wurden auf bestmögliche Eignung hin untersucht: Es handelt sich um die Einzelpackungsautomaten der Firmen Rowa oder KHT, die jene Artikel kommissionieren sollten, die nur rund dreimal pro Tag oder seltener abgerufen werden. Beide Anlagen scannen die PZN (Pharmazentralnummer). Dann wird von jeder Packung vollelektronisch Höhe, Länge und Tiefe gemessen. Anschließend sucht sich dieser Robotertyp einen freien Lagerplatz und lagert die Packung in ein Glasbodenregal ein. Es gibt also keine festen Lagerplätze für die Artikel, sondern die Anlage sucht sich jeweils einen geeigneten Platz. Anschließend werden die Lagerkoordinaten jeder einzelnen Packung über die PZN identifiziert und gespeichert. Bei Bedarf wird die gerade benötigte Packung mit der betreffenden PZN wieder ausgelagert.
Weitere Merkmale dieser Anlagen sind: Platzbedarf 40 m2 , 2 m Höhe, Lagerkapazität 15.000 Packungen, Preis 220.000 bis 250.000 Euro.
Das Uniklinikum Freiburg hat sich für eine Einzelpackungs-Kommissionieranlage entschieden. Neben dem geringeren Preis sprachen u. a. situationsbedingt folgende Gründe dafür:
• eine ausreichende Anzahl bereits installierter Anlagen. Derzeit existieren bereits weit über 300 Anlagen dieses Typs vornehmlich in öffentlichen Apotheken;
• gute Referenzen von Anwendern dieser Automatentypen bezüglich Störungen und Service;
• große Flexibilität beim Sortiment im Routinebetrieb, da keine festen Lagerplätze und Kanäle im Automaten eingerichtet werden müssen (jede Umstellung kostet mit derartigen Robotern erneut Zeit und Geld!);
• gute Nutzung des vorhandenen Gebäudes: Der Aufstellungsort kann beispielsweise ein von außen unbelichteter, gefangener Raum sein, der bisher etwa nur zum Lagern von Paletten oder Übervorräten genutzt werden konnte.
• Mobilität der Anlage: Die Anlage kann gegebenenfalls auch in andere Räume "umgelagert" werden. Sie kann auch bei sich ändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen ohne Weiteres wieder verwendet werden.
• problemlose Installation: Im Universitätsklinikum Freiburg war beispielsweise der Einbau im Erdgeschoss ohne vorübergehende Verlegung des gegenwärtigen Kommissionierungslagers möglich. Mit der von uns bevorzugten Lösung konnte der Belieferungsbetrieb ohne Unterbrechung – für das Klinikum unbemerkt – ungestört weiterlaufen.
• Die kleine Anlage erfordert im Gegensatz zu Großanlagen keine separate Drucklufterzeugung.
In der Freiburger Universitätsapotheke wurde von den Automaten bei den oben genannten Herstellerfirmen die Anlage Apostore der Fa. KHT installiert (vgl. Abb. 2). Dafür war die problemlose Übernahme einer funktionierenden SAP/R3 Schnittstelle und die reibungslose Einbindung in die bestehende DV-Umgebung ausschlaggebend. Außerdem waren die Vorteile, dass größenabhängig mehrere Packungen (bis zu 5) hintereinander gelagert werden und dass auch die Entnahme von bis zu fünf Packungen bei kleinen Dimensionen in einem Arbeitsschritt möglich ist, von großem Gewicht für die Entscheidung (vgl. Abb. 3).
Praktische Realisierung
Die Anlage wurde für die Kommissionierung von Online-Bestellungen der Stationen und für die Einzel-Schalterabgabe von Eilabholungen vorgesehen.
Die Online-Bestellungen der Stationen werden in Kommissionieraufträge für die Apotheke umgewandelt. Davon werden Kommissionierlisten mit Lieferadresse und Versandzeitpunkt gedruckt. Diese werden einzeln abgearbeitet und die komplette Sendung mit der Kommissionierliste als Lieferschein gekennzeichnet. Auch der Automat erzeugt seinen eigenen Lieferschein, nachdem er alle Artikel seines Auftrags in eine Kiste ausgelagert hat. Die leeren Kisten (bis zu 5 auf Vorrat) stehen auf einem Rollenband bereit und werden Schwerkraft-getrieben unter den Ausgabeschacht des Automaten gefahren. Sind sie alle befüllt, blinkt ein Signal für den Bediener.
Zur eiligen Abgabe an Stationspersonal wird ein benötigter Artikel mit der Software "Ataxx" (Lauertaxe) unter Eingabe der Kostenstelle aus dem Automaten angefordert. Die Anforderung wird online in eine SAP R/3 Bestellung umgewandelt und an den Automaten gesendet. Der Automat liefert den Artikel per Rohrpostanlage binnen 30 Sekunden ab elektronischer Bestellung zur direkten Abgabe z. B. an den Transportdienst.
Nach der Inbetriebnahme ergaben sich konsequenterweise auch Probleme, die dann entstehen, wenn eine Anlage als Einzelanlage projektiert ist, und keine Serienfertigung und Installation in einer Testumgebung im Werk vorgesehen ist. Die Parametrierung erfolgt in diesem Fall erst nach Aufbau beim Kunden und kann sich dann über Monate hinziehen.
Unerwartete Störungen im Betrieb des Automaten waren zu 90% darauf zurückzuführen, dass unser Robotertyp keine Sensorik besitzt, die vor der Einlagerung eines Artikels noch einmal prüfte, ob das Feld, in das er die Packung ablegen will, auch wirklich frei ist oder durch "externe" Einflüsse ohne Kenntnisgabe an den Lagerrechner belegt wurde. Diese Vorprüfung ist beim Automaten des direkt konkurrierenden Herstellers jedoch selbstverständlicher Standard.
Die in Freiburg angeschaffte Anlage realisiert aber den Vorteil der besseren Raumnutzung, weil eine Drei- bis Fünffachlagerung hintereinander im 40 cm tiefen Regalboden möglich ist. Die Packungen können auch ohne Notwendigkeit einer Umlagerung der vorderen Packungen ausgelagert werden (vgl. Abb. 3). Anlagen mit großem Einlagerungsbedarf wie z. B. für Krankenapotheken sind demgemäß mit dem Apostore-Konzept leichter und kostengünstiger darstellbar als mit dem bereits länger angebotenen Roboter eines Wettbewerbers.
In einer öffentlichen Apotheke wird jedoch ein Kunde selten zwei oder mehr Packungen eines Medikaments verlangen wie dies Stationen eines Krankenhauses dagegen regelmäßig tun. Deshalb ist dort dieser vorgenannte Handlingsvorteil nicht so relevant. Da der Apostore-Roboter außerdem bis zu drei hintereinander gelagerte Packungen eines Medikaments in einem einzigen Arbeitsschritt auslagert, bietet er sich auch dadurch bevorzugt als Anlage für Krankenhausvollapotheken bzw. für krankenhausversorgende öffentliche Apotheken an.
Wirtschaftliches Resümee
In der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg hat sich der Arbeitsaufwand für die Ein- und Auslagerung der C-Artikel tatsächlich um 25% reduziert, der Arbeitsaufwand für die Umlagerung aus dem Übervorratslager sogar halbiert. In der Summe würden 45 Wochenstunden eingespart, was einer Kostenreduktion um rund 40.000 Euro (etwa eine ganze PTA-Stelle) pro Jahr gleich käme. Somit ergibt sich ein Return on Investment bereits binnen fünfeinhalb Jahren.
Der durch die dichte, vom Fußboden bis zur Decke mögliche Lagerung gewonnene Raum von 10 m2 entspricht vor Ort zusätzlich einer kalkulatorischen Mieteinsparung von 1200 Euro pro Jahr. Vorteilhaft ist ebenso, dass der hiesige Automat zu beliebigen Zeitpunkten quasi "auf Knopfdruck" Inventuren von seinem Inhalt erzeugen und damit beträchtlichen Personaleinsatz ersparen kann. Imponierend ist ferner die bereits erwähnte förmlich nicht mehr zu überbietende Platznutzung innerhalb des Roboters (sehr wenig Luft zwischen Packungen!), die sogar noch dadurch optimiert wird, dass die Anlage nachts durch interne verdichtende Umlagerungen freie Kapazität "ad ultimum" schafft.
Ausblick
Das Freiburger Universitätsklinikum wird demnächst eine Rohrpostanlage zum Versand von Laborproben und dringlich benötigtem Blut und Blutprodukten sowie von Medikamenten installieren. Dann sollte für kleinvolumige Packungen aus der Apotheke Folgendes möglich werden: Die Station bestellt online, und das Medikament kommt per Rohrpost dorthin ohne personalgebundene manuelle Kommissionierung – sogar bei Nacht (z. B. Antidote gegen Vergiftungen). Es ist also vorstellbar, ein Sortiment von lebensnotwendigen Arzneimitteln zu definieren, das rund um die Uhr von speziell autorisierten Intensivärzten – möglicherweise lebensrettend – minutenschnell über die Rohrpostanlage abgerufen werden kann. Sowohl Kosten für eine Rufbereitschaft von Apothekern als auch erhöhte Vorhaltekosten von Arzneimitteln auf Station mit entsprechendem Verfall- und Kostenrisiko ließen sich auf diese Weise – die Rentabilität eines Roboters zusätzlich steigernd – eindrucksvoll verringern.
Kollegen in öffentlichen und krankenhausversorgenden Apotheken werden sicherlich ähnliche ihrer speziellen Situation angepasste Zusatzvorteile einer vollautomatischen Kommissionieranlage entdecken.
Anschrift des Verfassers: Dr. Egid Strehl, Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.