Apothekenpraxis

Transdermalpflaster: Eine Applikationsform mit hohem Beratungsbedarf

Gravierende Zwischenfälle lassen sich vermeiden

Von Wolfgang Kircher

Schmerzpflaster, Hormonpflaster, Nicotinpflaster, Nitratpflaster: das Spektrum der Transdermalpflaster wird immer umfangreicher und damit auch der Beratungsbedarf. Anwendungsfehler können unerwartete Nebenwirkungen auslösen. Unachtsamkeit bei der Entsorgung hat schon zu gravierenden Zwischenfällen geführt. Und es gibt ein weiteres großes Problem bei Opioid-haltigen transdermalen Systemen. Der für die konstante Freisetzung notwendige hohe Wirkstoffgehalt verleitet zu Missbrauch insbesondere durch Drogenabhängige.

Transdermale Applikationssysteme müssen den Wirkstoff in einem deutlichen Überschuss enthalten, damit nach Applikation über einen definierten Zeitraum konstant die gewünschte Wirkstoffmenge freigesetzt wird. Dieser Zeitraum ist limitiert. Bei einer Dauertherapie muss das Pflaster daher regelmäßig gewechselt werden. Präparate-abhängig kann das nach wenigen Stunden, aber auch erst nach mehreren Tagen notwendig sein.

Pflasterwechsel: Wochentage aufschreiben!

Der ordnungsgemäße Wechsel kann den Patienten erleichtert werden, wenn beispielsweise anstelle der missverständlichen Anweisung "alle 4 Tage ein Pflaster" oder "3-tägig wechseln" die genauen Wochentage aufgeschrieben werden. Wird das Pflaster entfernt, ist immer noch eine hohe Wirkstoffmenge in einer Größenordnung zwischen 30 und 98% der Ausgangsmenge vorhanden. So enthalten beispielsweise die verschiedenen 75 µg/h-Fentanylpflaster den Wirkstoff in Konzentrationen zwischen 7 und 17 mg, in dem zu entsorgenden Pflaster können dann immer noch Restmengen zwischen 2 und 12 mg vorhanden sein.

Wirkung endet nicht mit Entfernen des Pflasters

Charakteristisch für Transdermalpflaster ist die Verzögerung des Wirkungseintrittes, und nach dem Entfernen ein verzögertes Wirkungsende. Das liegt daran, dass zunächst das Wirkstoffdepot in den oberen Hautschichten bis zu einer gewissen Konzentration aufgebaut werden muss, bevor die Substanz in den systemischen Kreislauf gelangen kann. Nach Abziehen des Pflasters setzt das kutane Depot weiter den Wirkstoff frei.


Achtung Wirkstoffdepot!


Wird ein Pflaster entfernt, hört die Wirkung nicht sofort auf. Unter Hitzeeinwirkung, sei es durch ein Heizkissen, eine Trockenhaube beispielsweise beim Friseur oder intensive Sonneneinstrahlung, kann der Wirkstoff aus dem Hautdepot beschleunigt freigesetzt werden.


So tritt die Wirkung nach Aufbringen eines Fentanylpflasters erst nach 12 bis 24 Stunden ein, mit dem maximalen schmerzstillenden Effekt ist erst nach 24 Stunden zu rechnen. Wird das Pflaster entfernt, wird weiter aus dem Wirkstoffdepot in der Haut Fentanyl über viele Stunden freigesetzt, die Plasmakonzentration nimmt erst mit einer Halbwertszeit von 12 bis 24 Stunden ab.

Die richtige Stelle

Wieviel Arzneistoff über die Haut aus dem transdermalen System aufgenommen wird, hängt wie bei allen Topika entscheidend von der Hautstelle ab, auf die das Pflaster aufgebracht wird. Daher dürfen transdermale Systeme nur an den vorgeschriebenen Hautstellen angewendet werden. Die zu beklebende Hautstelle muss glatt, möglichst unbehaart, sauber, trocken und unverletzt sein. Tätowierte, vernarbte, durch Sonneneinstrahlung irritierte oder eingecremte Hautstellen sowie solche, die sich bei Bewegung falten, sind für das Aufbringen von Pflastern wegen undefinierter Resorptionsraten ungeeignet. Ebenfalls sollten Hautbereiche, die durch Sitzen oder Liegen großem Druck ausgesetzt sind, sowie Areale, an denen Kleidung häufig reibt, gemieden werden.


Achtung Wärme!


Insbesondere bei Opioid-haltigen Pflastern kann verstärkte Wärmeeinwirkung auf die Applikationsstelle zu gravierenden Zwischenfällen führen. So wurde eine 77-jährige alleinstehende Dame, die sich gegen Rückenschmerzen ein Fentanylpflaster aufgeklebt und sich dann auf ein Heizkissen gelegt hatte, tot in ihrem Bett aufgefunden.


ISMP Medication Safety Alert, 10 (2005)

Wärme verändert Freisetzungskinetik

Auch Hautpartien, die durch Sonneneinstrahlung, Solarium oder Heizkissen erwärmt werden könnten, sind nach Möglichkeit zu meiden. Denn durch Wärmeeinwirkung kann die Freisetzungsgeschwindigkeit aus dem System, die Permation durch das Stratum corneum und die kutane Perfusion gesteigert werden. So muss beispielsweise bei einem Fentanylpflaster durch eine Erhöhung der Körpertemperatur von 37 °C auf 40 °C mit einer Erhöhung der Fentanyl-Plasmaspiegel zwischen 25 und 33% gerechnet werden. Für ein Ethinylestradiol/Norelgestromin-Pflaster liegen Daten vor, nach denen die Ethinylestradiol-Plasmakonzentration nach 2-tägigem Tragen und 10-minütigem Aufenthalt in einem 39 bis 41°C warmen Whirlpool um 28% erhöht war, der Norelgestromin-Spiegel dagegen nur um 11%. Saunabesuche ergaben ähnliche Steigerungen.

Vorsicht Aluminium!

Besondere Vorsicht ist bei Pflastern geboten, die eine Aluminium-Folie oder eine Aluminium-beschichtete Kunststofffolie enthalten (Tab.). Sie dürfen keinesfalls bei einer Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie) getragen werden, da sie sich während der Untersuchung so stark erhitzen können, dass es zu Hautverbrennungen kommt. Solche Zwischenfälle hat es schon mit nicht entfernten Nicotinpflastern gegeben.


Tab. Beispiele für Pflaster mit Aluminium- oder Aluminium-haltiger Kunststofffolie
Nicorette®
Nicotinell®
NiQuitin®
Neupro®
Nitroderm®
Scopoderm®

Pflaster richtig aufkleben

Das Pflaster sollte so angebracht werden, dass die Klebefläche nach dem Abziehen der Schutzfolie nicht verunreinigt wird; es sollte mit der flachen Hand fest und ausreichend lange – je nach Präparat zwischen 5 und 30 Sekunden – auf die ausgesuchte Hautstelle gedrückt werden.

Nach der vorgeschriebenen Applikationszeit ist das Pflaster abzunehmen. Wenn die Therapie fortgesetzt werden soll, ist ein neues Pflaster an eine andere Hautstelle zu kleben, um Hautirritationen zu vermeiden.

Falls Wasser zwischen Haut und Pflaster gelangt, muss es entfernt und vorzeitig durch ein neues ersetzt werden. Das kann beispielsweise durch starkes Schwitzen der Fall sein. Dagegen bleibt die Funktion der meisten transdermalen Systeme auch beim Baden, Duschen oder Schwimmen erhalten.

Zerschneiden ja oder nein?

Ist aus medizinischer Sicht eine Dosisreduktion erforderlich, beispielsweise dann, wenn nach Absetzen der niedrigsten Opioiddosierung Entzugserscheinungen auftreten, besteht die Möglichkeit, ein Teilstück abzukleben. Ein Zerschneiden ist von Herstellerseite bei keinem transdermalen System zur Dosisreduzierung vorgesehen. Grundsätzlich wäre dies nur bei Präparaten mit einem formstabilen Wirkstoffdepot, seitlich nicht versiegelten Systemen und vollflächiger Adhäsivschicht möglich. Diese Voraussetzungen werden von vielen Matrix- und einigen wenigen Membranpflastern wie Scopoderm TTS erfüllt. Wird ein solches Pflaster aufgrund einer ärztlichen Anweisung und damit unter ärztlicher Verantwortung geteilt, ist der Patient unbedingt über eine ordnungsgemäße Handhabung der verbleibenden Hälfte zu informieren: das Pflaster sollte beispielsweise im verschlossenen Originalbeutel an einer sicheren, für Kinder oder andere unbefugte Personen unzugänglichen Stelle gelagert werden.

Bei einigen Pflastern führt ein Zerschneiden zum Ausfließen des flüssigen bzw. halbfesten Inhalts oder zum Verdunsten von flüchtigen Hilfs- und Wirkstoffen. Auch das Fixieren des Pflasters wäre nach dem Zerschneiden bei einer randständigen Klebebeschichtung nicht mehr gewährleistet, ebenfalls könnte reibende Kleidung die nicht mehr abgerundeten Pflasterstücke leichter ablösen.


Pflasterteilung mit Folgen


Ein Patient soll in der Arztpraxis von Tilidin auf transdermales Fentanyl umgestellt werden. Da der Arzt nur ein 50 µg/h freisetzendes Fentanyl-Membranpflaster zur Verfügung hat, zerschneidet er dieses mit einer Schere und klebt ein Viertel davon auf. Zwei Stunden später fällt der Freundin des Patienten eine verlangsamte Atmung auf. Sie entfernt das Pflaster und ausgetretene Gelreste. Nach 16 Stunden Schlaf erwacht der Patient ohne weitere Folgeerscheinungen.


Klockgether-Radke, A. et al. Anaesthesist 5 (1997)

Vor Beschädigung schützen

Generell muss ein Membranpflaster vor Beschädigungen geschützt werden. Sollte ein Pflaster mit steiler Dosis-Wirkungskurve und hohem Nebenwirkungsrisiko versehentlich zerschnitten oder anderweitig beschädigt werden, muss der ausgetretene Inhalt schnell von der Haut entfernt werden, um eine Intoxikation zu vermeiden. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn beim Zerschneiden entsprechender gebrauchter Pflaster zur sicheren Entsorgung Wirkstoff auf die Haut gelangt ist. Auch das Beschriften oder Bekleben der Pflaster mit Etiketten ist zu vermeiden, da dies die Matrix oder Membran und dadurch die Freisetzungsgeschwindigkeit verändern kann.

Das Pflaster hat sich gelöst – was ist zu tun?

Löst sich ein Pflaster vorzeitig von der Applikationsstelle, kann es präparateabhängig entweder mit Heftpflasterstreifen fixiert werden - das ist beispielsweise bei Nictotinpflastern möglich - oder es sollte, wenn es sich beispielsweise um ein Fentanylpflaster handelt, ersetzt werden. Hier hilft in manchen Fällen ein Blick in den Beipackzettel des betroffenen Präparates, sonst ist beim pharmazeutischen Unternehmer anzufragen.


Pflaster auf Irrwegen


Gerade im Bett während des Schlafens können sich Opioidpflaster von der Haut lösen. Welche dramatischen Folgen das haben kann, zeigt der Fall eines zweijährigen Jungen, der bei seiner Großmutter im Bett übernachten durfte und morgens nicht mehr ansprechbar war. Das Fentanylplaster der Großmutter hatte sich gelöst und ihr Enkel hatte sich unbemerkt darauf gelegt.


Williams, A.C.: Transdermal and Topical Drug Delivery. Pharm. Press 2003

Das Entsorgungsproblem

Transdemale Systeme enthalten nach Gebrauch noch hohe Wirkstoffmengen. Sie müssen daher sicher entsorgt werden, damit sie nicht in die Hände von Kindern oder Drogenabhängigen geraten. Gerade bei Schmerzpflastern ist die Missbrauchgefahr durch Opioid-abhängige Personen, vereinzelt aber auch durch Patienten mit chronischen Schmerzen groß. Dazu werden beispielsweise Matrixpflaster zerschnitten und auf die Wangeschleimhaut geklebt oder der halbfeste Inhalt oder Extrakte, die mit alkoholischen Getränken oder haushaltsüblichen Lösungsmitteln hergestellt wurden, intravenös injiziert. Dieser Missbrauch kann durchaus tödliche Folgen haben. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker hat vor kurzem über einen Todesfall eine jungen Drogenabhängigen nach Missbrauch von Fentanylpflastern berichtet [s. Dtsch. Apoth. Ztg. 147 (7) 664 (2007)]. Angehörige, Pflegepersonal und auch Apotheken sind daher gefordert, vor allem bei Opioid-haltigen Pflastern auf eine sichere Entsorgung zu achten. In jedem Fall sollten alle Pflaster nach dem Entfernen mit der Klebeseite nach innen zugeklappt werden. Apotheken könnten die Rücknahme insbesondere von Opioidpflastern anbieten. In Frankreich sind die Apotheken dazu gesetzlich verpflichtet.

Pflaster richtig lagern

Pflaster dürfen keinesfalls länger bei höheren Temperaturen gelagert werden. Die Patienten sind darauf hinzuweisen, dass die Pflaster nach Möglichkeit bei Temperaturen unter 25 °C, keinesfalls aber über 30 °C aufbewahrt werden sollen. Bei höheren Temperaturen ändert sich die Arzneistoffverteilung innerhalb der verschiedenen Schichten im System, der Arzneistoff kann beispielsweise aus dem Reservoir in die Adhäsivschicht diffundieren, was ein völlig verändertes Abgabeverhalten zur Folge haben kann. Flüchtige Wirk- und Hilfsstoffe können verdunsten, was wiederum zu Konzentrationsänderungen und damit auch zu veränderten Freigabegeschwindigkeiten führen würde.


Literatur:

Kircher, W.: Arzneiformen richtig anwenden. 3. Auflage in Vorbereitung. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart


Anschrift des Verfassers:

Dr. Wolfgang Kircher

Fachapotheker für Offizinpharmazie und Arzneimittelinformation

St. Barabara-Apotheke

Hauptstraße 24

82380 Peißenberg

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