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Arzneimittelsicherheit
TCM-Drogen sicherer machen – Unkontrollierte Importe von chinesischen Heil
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) haben Ende Mai diesen Jahres vor erheblichen Risiken gewarnt, die durch die Anwendung von bei uns weitgehend unbekannten Pflanzen und Pflanzenteilen der in der traditionellen chinesischen Medizin verwendeten Drogen entstehen können.
Analysen von Landesuntersuchungsämtern und des Zentral–laboratoriums Deutscher Apotheker e.V. sowie zahlreiche internationale Studien hätten gezeigt, dass aus China importierte Drogen
- verschiedene, nicht eindeutige Bezeichnungen tragen können, so dass Verwechslungen (zum Teil mit fatalem Ausgang) aufgetreten sind.
- erhebliche Schwermetallbelastungen mit Blei, Cadmium oder Quecksilber aufweisen können,
- nicht selten mit Pestiziden verunreinigt sind.
Darüber hinaus wird auf bewusste Verfälschungen verwiesen, indem zu Pulverdrogen oder daraus hergestellten Mischungen – nicht deklariert – synthetische Arzneistoffe wie Corticosteroide, Antidiabetika, Barbiturate oder Antirheumatika beigemischt wurden, um die Wirksamkeit zu erhöhen.
Pflanzliche Drogen der traditionellen chinesischen Medizin gelangen ohne Zweckbestimmung in den Handel. Sie gelten daher nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG, sondern werden als Lebensmittel eingestuft. Eine Verpflichtung, die pflanzlichen Zubereitungen auf Identität, Reinheit und Gehalt zu prüfen, besteht somit nicht. Die AMK und die DPhG sind der Ansicht, dass TCM-Drogen zu Krankheiten heilenden, lindernden oder ihnen vorbeugenden Zwecken angewendet werden und es sich daher um Arzneimittel und nicht um Ausgangsstoffe handelt. Zur Risikominimierung halten sie es für geboten, pflanzliche TCM-Drogen der Apothekenpflicht zu unterstellen. Darüber hinaus müsse eine möglichst rasche Bewertung erfolgen, welche Pflanzen oder Pflanzenteile auf Grund ihrer Inhaltsstoffe der Verschreibungspflicht unterliegen sollten. Auch die Hauptversammlung der Deutschen Apotheker hat im Rahmen des Deutschen Apotheker-Tages 2006 einen entsprechenden Antrag gestellt und die Resolutionen der AMK und der DPhG ausdrücklich unterstützt.
Wir haben mit Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, dem wissenschaftlichen Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), über die Problematik gesprochen.
d:
Wie groß ist der Markt für chinesische Heilpflanzen in Deutschland? Was sind die Hauptvertriebswege?
Schubert-Zsilavecz:
Bei den Arzneimitteln der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) handelt es sich um rund 6000 Produkte aus überwiegend pflanzlichen, seltener tierischen und mineralischen Ausgangsstoffen. Insgesamt finden rund 600 Pflanzen Verwendung, wovon rund 100 als potenziell toxisch einzustufen sind. Alljährlich gelangen schätzungsweise rund 500 Tonnen Drogen bzw. Fertigprodukte nach Deutschland, wobei ein großes Problem darin zu sehen ist, dass ein nicht unerheblicher Teil über den Internetvertrieb ins Land kommt.
d:
Welche Gefahren bergen chinesische Heilpflanzen? Was muss getan werden, um eine Behandlung mit chinesischen Heilpflanzen sicherer zu machen?
Schubert-Zsilavecz:
Wie die Reihenuntersuchungen des ZL belegen, stellen vor allem Kontaminationen mit Schwermetallen, Aflatoxinen und toxischen Inhaltsstoffen wie Aristolochiasäure ein großes Problem dar. Vor diesem Hintergrund ist die Etablierung eines Qualitätssicherungssystems unverzichtbar, welches gewährleistet, dass autorisierte Importeure nur unbedenkliche und geprüfte Ware ins Land bringen. Das ZL sieht in diesem Bereich seine Verantwortung vor allem darin, den Prozess der Qualitätssicherung zu katalysieren und voranzutreiben. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass erste Gespräche mit Importeuren sehr positiv verlaufen sind.
d:
Chinesische Heilpflanzen sollen als Arzneimittel eingestuft und der Apotheken- oder gegebenenfalls der Verschreibungspflicht unterstellt werden. Apotheker wären dann für die Prüfungen auf Identität, Reinheit und Gehalt verantwortlich. Wie soll das in der Praxis aussehen?
Schubert-Zsilavecz:
Nach meiner Einschätzung wird es darauf hinauslaufen, dass nur ausgewählte Apotheken den Bedarf decken werden. Ich sehe das aber nicht als Nachteil. Zum einen ist der Markt zwar wachsend, aber noch nicht so groß, dass jede Apotheke qualitätsgesichert Arzneimittel der TCM abgeben müsste, zum anderen würde eine Spezialisierung einzelner Apotheken dazu beitragen, dass die Qualität der abgegebenen Produkte in höchstem Maße gewährleistet wäre. Fakt ist aber, dass die Qualitätsprüfung durch den Apotheker nur das Ende eines transparenten Prozesses der Qualitätssicherung sein kann.
d:
Herr Prof. Schubert-Zsilavecz, wir danken Ihnen für das Gespräch! du
Da Drogen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) nicht als Arzneimittel gelten, unterliegen sie auch nicht den im Arzneimittelgesetz vorgesehenen Prüfungen. Die Gefahren liegen auf der Hand: Mit Verfälschungen, Verwechslungen, Schwermetall- und Pestizidbelastungen muss gerechnet werden. Überprüfbare, qualitäts–ge–sicherte Vertriebswege und die Einführung der Apothekenpflicht, gegebenenfalls der Verschreibungspflicht, sollen die Behandlung mit TCM-Drogen sicherer machen.?66
Nicht nur bessere Kontrollen, auch fundierte Ausbildung notwendig!
Auch die Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (AGTCM) tritt wie die AMK und die DPhG für eine bessere Kontrolle und eine dadurch erhöhte Sicherheit der chinesischen Arzneidrogen ein, hält aber andere Konsequenzen für erforderlich:
Die AGTCM sieht zwei wesentliche Aspekte, die für die Sicherheit der Therapie mit chinesischen Arzneimitteln elementar sind:
Die Qualität der Arzneidrogen
Wenn es um die Qualität geht, ist es sicherlich wichtig, zwischen Fertigpräparaten einerseits und Einzelarzneimitteln in Form von Rohdrogen oder Granulaten andererseits zu unterscheiden. Für Fertigmischungen gibt es tatsächlich viele Bedenken bezüglich der Sicherheit, vor allem, wenn sie aus Ländern mit sehr laxem Arzneimittelgesetz importiert wurden.
Für Rohdrogen und Einzelgranulate dagegen existieren inzwischen ausreichend gute Möglichkeiten der Identitäts- und Qualitätskontrolle, sodass es z. B. möglich ist, Verwechslungen verschiedener Stephania-(fang ji)Arten durch den eindeutigen Negativ-Nachweis von Aristolochiasäure auszuschließen. Weiterhin dienen die verschiedenen Präparierungsverfahren (pao zhi) innerhalb der chinesischen Medizin dazu, Toxizitäten aufzuheben oder abzumildern, auch hier muss die Unbedenklichkeit einer per se toxischen Substanz zuverlässig nachgewiesen werden.
Dies alles fällt in den Verantwortungsbereich der Großhändler und Apotheken, so dass über die Apothekenpflicht hinaus eine entsprechend fundierte Ausbildung des darin tätigen Personals nachgewiesen werden sollte.
Ausbildungsstandards der verordnenden Personen
Ähnlich liegt der Fall bei der Verschreibungspflicht. Diese verfehlt ihr Ziel, wenn die verschreibenden Personen, also mit westlicher Medizin vertraute Ärzte/Innen, nicht oder unzureichend in chinesischer Medizin ausgebildet sind. Sinnvoller wäre es, die Verordnung von chinesischen Arzneidrogen an den Nachweis einer qualifizierten Ausbildung zu koppeln. Das Kurrikulum dieser Ausbildung muss selbstverständlich die Thematik der Arzneimittelsicherheit, Toxizitäten, unerwünschte Wirkungen, etc., umfassend behandeln. Zusammenfassend möchten wir betonen, dass die chinesische Arzneimitteltherapie eine sichere Methode ist, vorausgesetzt die daran Beteiligten, ApothekerInnen und Therapeut–Innen verfügen über eine fundierte Ausbildung und ausreichende Erfahrung. Deshalb sollte die Forderung nach mehr Arzneimittelsicherheit mit der Forderung nach besseren Ausbildungsstandards und deren Nachweis verknüpft werden, wie sie beispielsweise von der AGTCM für TherapeutInnen, aber auch für ApothekerInnen angeboten wird. Die rein formale Forderung nach Apotheken- oder Verschreibungspflicht wird dem fundamental wichtigen Anliegen nicht gerecht.
Dr. Anna Mietzner, Fachbereich für Chinesische Arzneitherapie der AGTCM, Wallstr. 36, 10179 Berlin
Ein Zusammenschluss verschiedener Fachgesellschaften, das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA, www.ctca.de), sammelt seit einiger Zeit das Wissen zu dieser Thematik durch Literaturstudium und Auswerten von Erfahrungsberichten und tritt für die Beachtung von Sicherheitsstandards durch die Therapeuten ein.
Zu den Fachgesellschaften zählt auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher TCM-Apotheken (TCM-Apo Ag. www.tcm-apo.de) und die Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin e. V. (www.dwgtcm.com) sowie die Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e. V. (www.agtcm.de).
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