Arzneimittel und Therapie

Aus der Forschung: Impfstoff gegen Alzheimer

Die Alzheimer-Demenz wird durch Ablagerungen des neurotoxischen Amyloid-β-Peptids ausgelöst. Spezifische Antikörper gegen dieses Peptid können den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Bei der Entwicklung eines klinisch verwendbaren Impfstoffs gegen die Alzheimer-Demenz stehen Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Ziel ist es, die Bildung der unlöslichen Aggregate im Hirngewebe zu begrenzen, die als histologisch sichtbare Plaques abgelagert werden.

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz in den Industrienationen. Sie verursacht kognitive Störungen und Persönlichkeitsveränderungen, die schwerwiegende Beeinträchtigungen im Alltagsleben und einen volkswirtschaftlich bedeutsamen Pflegeaufwand nach sich ziehen. Nach Angaben der Europäischen Kommission [1] waren im Jahr 2000 innerhalb der EU schätzungsweise 5,3 Millionen Menschen von verschiedenen Formen der Demenz betroffen. Das Risiko, an Demenz zu erkranken, steigt drastisch mit zunehmendem Alter – von weniger als 0,2% bei unter 60-Jährigen über etwa 13% bei den 80- bis 84-Jährigen auf etwa 36% bei 95- bis 99-Jährigen. Diese Zahlen veranschaulichen die Bedeutung wirksamer Therapieansätze für die Behandlung oder Prävention der Alzheimer-Demenz.

Suche nach dem auslösenden Agens Derzeit verfügbare Medikamente wie Acetylcholinesterasehemmer oder Psychopharmaka lindern lediglich die Symptome der Demenz, ohne ihre Ursache, das Fortschreiten der neurodegenerativen Schäden, zu begrenzen. Angriffspunkt für die Entwicklung einer ursächlichen Therapie ist das auslösende Agens der Alzheimer-Krankheit: Das neurotoxische Amyloid-β-Peptid, das durch fehlerhafte enzymatische Spaltung eines für die Nervenfunktion wichtigen Zelloberflächenproteins (Amyloid-Vorläuferprotein) gebildet wird und dessen unlösliche Aggregate im Hirngewebe als histologisch sichtbare Plaques abgelagert werden. Die Bildung dieser Plaques zu begrenzen ist das Ziel eines neuen Therapiekonzepts, der Alzheimer-Impfung, mit der die körpereigene Abwehr in die Lage versetzt werden soll, durch spezifische Antikörper das Amyloid-β-Peptid zu eliminieren.

Bei Mäusen erfolgreich ... Das Potenzial dieser Strategie zeigte sich bereits 1999 im Tiermodell an Mäusen, die mit einem defekten humanen Amyloid-Vorläuferprotein ausgestattet sind und mit zunehmendem Alter Alzheimer-ähnliche Symptome zeigen (Alzheimer-Mäuse). Antikörper gegen das 42 Aminosäuren umfassende Amyloid-β-Peptid verzögerten bei jungen Alzheimer-Mäusen das Einsetzen der Plaque-Bildung und begrenzten bei älteren Tieren das Fortschreiten der Krankheit [2]. Weiterhin wurden deutliche Verbesserungen im kognitiven Verhalten festgestellt. Der Erfolg stellte sich sowohl bei aktiver als auch bei passiver Immunisierung ein. Der Wirkungsmechanismus der Antikörper ist noch nicht abschließend geklärt. Vermutlich wird das an Antikörper gebundene Amyloid-β-Peptid über Fc-Rezeptoren von Mikrogliazellen aufgenommen und anschließend abgebaut. Außerdem verringert sich der Anteil des unlöslichen Amyloid-β-Peptids in den Plaques zugunsten einer löslichen Fraktion in der Cerebrospinalflüssigkeit und im Serum [3]).

... bei Menschen problematisch Eine erste klinische Studie zur Erprobung der Amyloid-β-Immunisierung musste vorzeitig abgebrochen werden, da 6% der Patienten entzündliche Reaktionen entwickelten – eine Komplikation, die im Tiermodell nicht aufgetreten war. Nachuntersuchungen der Probanden zeigten allerdings, dass auch beim Menschen die Bildung von Antikörpern gegen das Amyloid-β-Peptid mit einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und – post mortem histologisch nachweisbar – mit verringerter Plaque-Bildung korreliert.

Neuer viel versprechender Ansatz Jüngste immunologische Erkenntnisse amerikanischer Wissenschaftler lassen jetzt auf einen Durchbruch für die Entwicklung eines sicheren Impfstoffs hoffen. Das Amyloid-β-Peptid besitzt zwei getrennte antigene Bereiche: Die für die Antikörperbildung wichtigen B-Zell-Epitope liegen am Aminoterminus des Amyloid-β-Peptids und sind getrennt von den entzündungsauslösenden T-Zell-Epitopen am Carboxyterminus. Ein synthetisches, nur die B-Zell-Epitope umfassendes Peptid von 15 Aminosäuren wirkte bei Mäusen immunogen, wenn es in doppelter Ausfertigung – als Tandem – intranasal mit Adjuvans verabreicht wurde. Bei Alzheimer-Mäusen korrelierten hohe Antikörpertiter gegen dieses Peptid mit einer signifikanten Verringerung der Plaque-Bildung und einer Tendenz zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten. Spezifische zelluläre Immunreaktionen, die eine Entzündung einleiten könnten, waren nicht nachweisbar [4]. Zu untersuchen bleibt, ob sich durch Kopplung des Peptids mit einem neutralen T-Helferzell-Epitop die Antigenität noch weiter erhöhen lässt, ohne gegen das Amyloid-β-Peptid gerichtete entzündliche Reaktionen auszulösen.

Impfstoff mit nicht-viraler Plasmid-DNA Eine völlig andere Strategie verfolgt ein Team aus Japan und der Schweiz [5]. Sie konstruierten einen DNA-Impfstoff, der nach Injektion in Muskeln oder Haut über längere Zeit die Bildung geringer Mengen des Amyloid-β-Peptids und seine Freisetzung aus diesen Geweben bewirkt, so dass kontinuierlich Antikörper dagegen gebildet werden. Bei derart behandelten Alzheimer-Mäusen war die Plaque-Bildung im Gehirn in ähnlicher Weise reduziert wie nach Immunisierung mit Peptid. Obwohl in diesem System das komplette Amyloid-β-Peptid als Antigen verwendet wurde, war auch hier keine entzündungsfördernde T-Zellaktivierung nachweisbar. Die verwendete nicht-virale Plasmid-DNA gilt als sicher und kann im Gegensatz zu der Peptidimmunisierung ohne Adjuvans appliziert werden. Die Übertragbarkeit der vorliegenden Ergebnisse auf den Menschen zu untersuchen ist jetzt die Herausforderung für die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs, der die Plaque-Bildung und somit das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz aufhalten kann, ohne Nebenwirkungen wie Entzündungsreaktionen oder Mikroblutungen im Gehirn auszulösen. Als ergänzende Maßnahme wird die Stimulierung der an der Beseitigung des Amyloid-β-Peptids beteiligten Mikrogliazellen diskutiert.

Dr. rer. nat. Annette Hille-Rehfeld

Zum Weiterlesen

Alzheimer oder das Ende der Erinnerung. Ein Überblick und Ausblick anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages. DAZ 2006, Nr. 37, S. 52–64. www.deutsche-apotheker-zeitung.de

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