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Industrie und IQWiG auf Konfrontationskurs
Dr. Heinz-Werner Meier, Deutschland-Chef von Sanofi-Aventis, zog ein "kritisches Fazit" der Nutzenbewertung – und sorgte damit für einen provokanten Start der VFA-Veranstaltung. So widerstrebt es den Herstellern, dass die Nutzenbewertung bislang ausschließlich aufgrund randomisierter klinischer Studien (RCT) mit patienten-orientierten Endpunkten im Vergleich zur Standardtherapie durchgeführt wird. Diese allein vom IQWiG ausgewählten Endpunkte gingen weit über die Kriterien der europäischen Zulassungsbehörde EMEA hinaus und seien überdies im Methodenpapier des Instituts nicht klar festgeschrieben.
Ebenso liege die Auswertung der Evidenz allein beim IQWiG – eine entsprechende Beschreibung im Methodenpapier sei auch hier Fehlanzeige. Meier monierte zudem, dass die Bewertung bereits zu einem Zeitpunkt erfolge, da Langzeitdaten rein praktisch noch nicht vorliegen könnten. Die Industrie sei letztlich ohne Übergangfrist vor neue Tatsachen gestellt worden. Teure Studien – etwa zu Insulinanaloga –, deren Design mit den Zulassungsbehörden abgestimmt wurden, seien vom IQWiG ohne weitere Begründung abgelehnt worden. Meier warf dem Institut zudem eine mangelnde Objektivität und Transparenz vor. Bislang habe man den Eindruck, es gehe nicht um den Nutzen für Patienten, sondern lediglich um Kosten.
Außerdem bleibe im Dunkeln, welche Ein- und Ausschlusskriterien es bei der Studienauswahl gebe. Auch die Auswahl der herangezogenen Gutachter missfällt Meier: Statt die weltbesten Experten zu rekrutieren, wähle man nur solche "aus dem Dunstkreis" Sawickis. Welche Meinung diese vertreten, sei bereits vorab absehbar. Er habe daher "wenig Hoffnung", dass die künftigen Kosten-Nutzenbewertungen des IQWiG besser laufen werden, sagte Meier.
Methodenpapier wird überarbeitet Sawicki wies die Anschuldigungen zurück: "Wenn das stimmen würde, müsste ich sofort zurücktreten." Es sei nicht wahr, dass das IQWiG keine internationalen Standards bemühe; insbesondere sei die Transparenz gewährleistet. Sämtliche Schritte der Nutzenbewertung seien publiziert – "wohlwissend, dass diese eine Angriffsfläche bieten". Jeder könne nachlesen, warum Studien abgelehnt werden und welche Gutachter für das IQWiG tätig sind.
Die Offenlegung dieser Namen habe gar dazu geführt, dass einige der Gutachter bedroht worden seien und daraufhin ihre Arbeit für das Institut beendet hätten. Dies sei nicht zuletzt deshalb schmerzhaft, weil sich nur wenige Experte für die aufwändige Arbeit bewerben – denn für einen Bericht müssten rund 100 Arbeitstage eingeplant werden. Sawicki verwies zudem darauf, dass die Methoden des Instituts derzeit überarbeitet werden. Insbesondere soll nun eine allgemeine Definition des patientenrelevanten Nutzens aufgenommen werden. Dass diese zuvor nicht zu finden war, habe schlicht daran gelegen, dass sich weltweit noch niemand an diese Definition gewagt hatte. Künftig sollen neben Mortalität und Morbidität auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität, der interventions- und erkrankungsbezogene Aufwand sowie die Patientenzufriedenheit als Kriterien herangezogen werden. Sawicki verteidigte zudem die bevorzugte Heranziehung von RCTs: Diese seien teilweise leichter durchzuführen als umfangreiche Kohortenstudien und würden überdies nachweislich seltener durch nachfolgende Forschung widerlegt.
Ungenügende Studienlage Der IQWiG-Leiter spielte den Ball an die Industrie zurück: Er sieht das Problem der Nutzenbewertung darin, dass die vorhandenen Studien häufig durch eine mangelhafte Durchführung und Berichtsqualität gekennzeichnet sind. So sei oft zu beobachten, dass der Anteil positiver Studienergebnisse maßgeblich von der Finanzierung und der Art der Endpunkte abhängig ist. Studien mit unerwünschten Ergebnissen würden immer wieder als "Geschäftsgeheimnis" zurückgehalten – für Sawicki schlicht ein "unethisches" Vorgehen gegenüber den rekrutierten Probanden. Der IQWiG-Leiter hat dennoch Hoffnung, dass sein Institut und die Industrie künftig besser zusammenarbeiten können. So habe es bereits ein gutes Gespräch mit Dr. Steffen Wahler vom VFA gegeben – und dieser fand zum Abschluss-Symposium auch einige versöhnliche Worte.
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