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Ernährung aktuell
Basiswissen Ernährung (Folge 6): Vitamin D braucht Sonne
Die Vitamin-D-Familie umfasst eine Reihe an Verbindungen, die sich alle durch eine antirachitische Aktivität auszeichnen und den Calciferolen zuzuordnen sind. Zu den bedeutensten Verbindungen gehören Vitamin D3 (Cholecalciferol) und Vitamin D2 (Ergocalciferol) [1]. Es gibt nur eine geringe Anzahl an Lebensmitteln, die Vitamin D in bedeutenden Mengen enthalten. Dazu gehören Lebertran, fetter Fisch wie Hering, Leber, mit Vitamin D angereicherte Margarine und Eigelb (Tab. 1). Lagerung und Zubereitung beeinflussen die Vitamin-D-Aktivität nicht wesentlich; lediglich gegenüber Sauerstoff und Licht ist Vitamin D empfindlich [2].
Das in tierischen Lebensmitteln vorkommende Vitamin D3 wird unter Lichteinwirkung aus 7-Dehydrocholesterol gebildet. Das seltener auftretende Vitamin D2, das in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten ist, wird aus dem Provitamin Ergosterol gebildet. Vitamin D2 unterscheidet sich von Vitamin D3 lediglich durch eine Doppelbindung sowie eine Methylgruppe. Beide Vitamine weisen jedoch die gleiche Vit–aminaktivität auf.
Da der Mensch Vitamin D unter günstigen Bedingungen bei Sonnenexposition in ausreichenden Mengen endogen synthetisieren kann, ist es per se kein Vitamin. Das aus Cholesterol gebildete 7-Dehydrocholesterol wird in der Haut unter UV-Strahlung der Wellenlänge 290-315 nm zum Prävitamin D3, welches unter Wärmeeinwirkung in aktives Vitamin D3 umgewandelt wird [3].
Oral aufgenommenes Vitamin D3 gelangt mit den Chylomi–kronen über das lymphatische System in den Dünndarm, wo es zu bis zu 80% absorbiert werden kann; durch Nahrungsfette, Milch und Gallensäure wird die Absorption begünstigt [1]. In der Leber wird Vitamin D3, das sich als Prä-Pro-Hormon definieren lässt, am C-Atom 25 hydroxyliert und es entsteht das Pro-Hormon Calcidiol (25-Hydroxy-Cholecalciferol). Dieser Metabolit wird anschließend in der Niere am C-Atom 1 hydroxyliert, so dass das Vitamin D-Hormon Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol) entsteht, das wie ein Steroidhormon wirkt [3]. Dieser letzte Schritt unterliegt jedoch einer strengen Regulation. Während Parathormon (PTH) und ein niedriger Phosphatspiegel die Hydroxylase aktivieren, wirkt das Produkt Calcitriol hemmend auf die enzymatische Bildung desselbigen. Indirekt über PTH beeinflussen u. a. auch Calcium, Östrogen, Glucocorticoide, Calcitonin, Wachstumshormone und Prolactin die Calcitriol-Bildung. Ziel dieser Regulationsmechanismen ist die Homöostase von Calcium und Phosphat.
Am Zielorgan wird Calcitriol an ein intrazelluläres Rezeptorprotein gebunden und in den Zellkern transportiert, wo der entstandene Vit–amin-Rezeptor-Komplex die Transkription verschiedener hormonsensitiver Gene bewirkt. –Dies wiederum führt zu Änderungen in der Proteinsynthese und den daraus resultierenden biologischen Wirkungen [1]. Das pflanzliche Ergochalciferol wird auf gleichem Weg metabolisiert. Ausgeschieden wird Vitamin D vorrangig renal in Form von Calcitrinsäure oder unverändert über die Galle [2, 4].
Funktionen von Vitamin D Die zentrale Bedeutung von Vitamin D3 ist die Calciumhomöostase. Zu den vier klassischen Zielorganen sind Darm, Knochen, Niere und Nebenschilddrüse zu zählen. An der Regulation des Calcium-, aber auch des Phosphathaushalts, sind die beiden Hormone Calcitonin, das den Calciumspiegel senkt, und das antagonistisch wirkende Parathormon beteiligt.
Wie Vitamin D auf den Calciumtransport im Darm wirkt, ist bisher nur partiell geklärt. Calcitriol induziert über eine Transkriptionssteigerung des entsprechenden Gens eine verstärkte Synthese des calciumbindenden Proteins Calbindin-D sowie einer ATPase, einer alkalischen Phosphatase, Phytase u.a. Daneben kommt es zu einer erhöhten Lipidsynthese, wodurch sich die Membranlipide verändern können. Der Calciumtransport kann jedoch nicht allein durch Calbindin-D erklärt werden, da dessen Synthese zu langsam ist. Vitamin D kann jedoch auch unabhängig von einer Genaktivierung wirken, so dass der Calciumtransport innerhalb von wenigen Minuten möglich ist [1, 3, 5].
Das zweite wichtige Zielorgan ist der Knochen. Durch die Aktivitäten von Osteoklasten und Osteoblasten herrscht im Knochen eine Homöostase zwischen Demineralisation – der Freisetzung von Calcium und Phosphat – und Mineralisation. Da Vitamin D die Funktion der Bereitstellung von Calcium für den Organismus hat, ist es für die Demineralisation zuständig. Durch Calcitriol werden vermehrt Osteoklasten aus Makrophagen gebildet, andererseits werden die Osteoblasten zur Ausschüttung eines Faktors angeregt, der die Osteoklastenaktivität stimuliert [3].
Die Niere hat die Funktion, die Metabolisierung von Calcidiol zu Calcitriol zu kontrollieren. Möglicherweise beeinflusst Calcitriol die renale Rückresorption von Calcium und die Exkretion von Phosphat in den distalen Nierentubuli, um somit Einfluss auf deren Homöostase zu nehmen. Die Aufgabe der Nebenschilddrüse in Bezug auf Calcitriol ist wechselseitig. Auf der einen Seite stimuliert PTH die Calcitriolsynthese in der Niere und auf der anderen Seite kann ein erhöhter Vitamin-D-Plasmaspiegel die Ausschüttung von PTH senken.
Neben diesen klassischen Zielorganen konnten in den vergangenen Jahren weitere Gewebe und Zellen gefunden werden, die Rezeptoren für Calcitriol aufweisen. Z. B. beeinflusst es im Pankreas die Insulinausschüttung. Weiterhin steigert es in einigen Gehirnabschnitten die Aktivität der Cholinacetyltransferase, beeinflusst im Muskel direkt den Calciumtransport und hat in der Haut anscheinend einen Einfluss auf das Zellwachstum und die differenzierung. Rezeptoren für Calcitriol existieren auch in Hämatopoesezellen, in Zellen des Immunsystems und in diversen Tumorzellen, wo es eine hemmende Wirkung auf die Zellproliferation ausübt.
Für all diese neuen Zielorgane sind noch weitere Untersuchungen notwendig, um herauszufinden, ob Calcitriol und deren Analoga neue therapeutische Möglichkeiten bieten können [1].
Vitamin D-Mangel und die Folgen Eine mangelhafte Vitamin-D-Versorgung führt zu Störung der Calcium-Homöostase und des Phosphatstoffwechsels. Das klassische Bild ist die Rachitis, die beim wachsenden Organismus auftritt und die Osteomalazie beim Erwachsenen. Markant ist der erniedrigte Calcium- und Phosphatserumspiegel, der durch eine inadäquate intestinale Resorption und renale Reabsorptin der beiden Mineralstoffe zustande kommt. Parallel dazu steigt die Aktivität der alkalischen Phosphatase. Als Reaktion auf den erniedrigten Calcium-Serumspiegel kommt es zum Hyperparathyreodismus. Zu Beginn des Mangels ist noch Calcitriol vorhanden, das gemeinsam mit PTH eine Demineralisation des Knochens herbeiführt, die schließlich zur Rachitis bzw. Osteomalazie führt [1]. Rachitis, die bei Säuglingen und Kleinkindern auftreten kann, äußert sich durch Deformierungen des Skeletts und Aufreibungen im Bereich der Wachstumsfugen, die durch Symptome wie dem rachitischen Rosenkranz, O-Beinen, weichen Schädelknochen oder einem Quadratschädel gekennzeichnet sind. Weiterhin kommt es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit sowie zu einer Reduktion der Muskelkraft und des Muskeltonus.
Osteomalazie ist durch eine Demineralisierung und Umbauvorgänge des voll entwickelten Knochens gekennzeichnet. Markant sind die bandförmigen Umbauzonen, die "Looser". In diesen Bereichen können Spontanfrakturen auftreten. Auch kommt es zu langsamen Verbiegungen der tragenden Knochen, generalisierten Skelettschmerzen und zur Ausbildung einer Myopathie. Bei einer suboptimalen Vitamin-D-Versorgung kann Osteoporose auftreten. Ursache ist die Verminderung des organischen und anorganischen Knochengewebes und die gleichzeitige Vergröberung seiner Strukturen. Gehäuftes Auftreten von Hüftfrakturen sind die Folge einer Osteoporose.
Erkennen lässt sich ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel aber auch am Plasmaspiegel von Calcidiol im Bereich von < 10 nmol/l Serum. Bei suboptimaler Versorgung (10-25 nmol/l) ist bereits der PTH-Spiegel erhöht [2].
Die Therapiemöglichkeiten bei Vitamin-D-Mangel sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Kinder und Alte sind oft unterversorgt Mit Ausnahme von bestimmten Erkrankungen sowie im Alter ist der menschliche Organismus nicht auf die exogene Vitamin-D-Zufuhr angewiesen, solange die Haut hinreichend der Sonne ausgesetzt ist. Doch vor allem in Jahreszeiten wie Frühling und Winter aus geografischen, klimatischen oder kulturellen Bedingungen sowie durch Luftverschmutzung, Alkohol, Nicotin o. ä. ist dies nicht immer gegeben (Tab. 3).
Besonders problematisch sind Kinder mit einer dunklen Hautfarbe. Aufgrund einer geringeren Eigensynthese sind sie verstärkt auf die exogene Zufuhr von Vitamin D angewiesen. Auch für vegan ernährte Kinder, die nicht ausreichend mit Calcium versorgt sind, besteht ein hohes Risiko. Rachitis ist heute vor allem dann möglich, wenn mehrere ungünstige Faktoren wie pigmentierte Haut und zu wenig Sonnenexposition gemeinsam auftreten.
Personen im Alter weisen eine verminderte Eigensynthese in der Haut auf. Gleichzeitig kann der Darm Calcium und Vitamin D schlechter resorbieren. Ein besonders hohes Vitamin-D-Mangel-Risiko haben Personen, die in Seniorenheimen leben oder über einen längeren Zeitraum im Krankenhaus sind, da sie sich weniger im Freien aufhalten.
Auch wird der Vitamin-D-Status von Krankheiten beeinflusst. Dazu sind u. a. Zöliakie, exkretorische Pankreasinsuffizienz sowie Fettverdauungs- und Absorptionsstörungen zu zählen. Erkrankungen der Leber und Nieren führen zu einer gestörten Umwandlung von Cholecalciferol in seine Metabolite. Aber auch Medikamente wie Antiepileptika und Schlafmittel führen durch die Beschleunigung des Stoffwechsels zu einem erhöhten Bedarf von bis zu 25 µg/d Vitamin D [4].
Vitamin-D-Intoxikation Bei den fettlöslichen Vitaminen sind lediglich bei Vitamin A und D Hypervitaminosen möglich. Eine Vitamin-D-Hypervitaminose tritt jedoch nicht bei übermäßiger Sonnenexposition oder Aufnahme großer Mengen von Vitamin-D-haltigen Lebensmitteln auf. Vielmehr ist die Ursache die Einnahme von pharmakologischen Dosen an Vitamin D im Rahmen der Selbstmedikation. Bei einer oralen Aufnahme von 1250 µg/d Vitamin D kommt es zu Symptomen wie Hypercalzämie, Hypercalzurie, Erbrechen, Schwindel, Muskelschwäche und Verkalkung der Organe, insbesondere der Leber, Niere und den Blutgefäßen [1]. Auch wurden tödlich verlaufende Vergiftungen beschrieben [2].
Die Calcitriolspiegel sind in der Regel nicht oder nur leicht erhöht, während der Calcidiolspiegel im Plasma stark ansteigt. Dadurch wird an den Calcitriolrezeptoren Calcidiol fälschlicherweise angelagert und eine identische hormonelle Wirkung auf die Zielorgane setzt ein.
Frühe Intoxikationserscheinungen lassen sich durch das Einstellen der Vitamin-D-Gabe und Reduktion der Calciumaufnahme beheben. In schwereren Fällen werden Glucocorticoide eingesetzt, um die Hypercalzämie zu normalisieren. Ein erhöhter Calciumspiegel ist aber auch durch die Gabe von Calcitonin senkbar. Werden Calcitriol oder seine Analoga bei verschiedenen Störungen der Calciumhomöostase eingesetzt, so ist die Gefahr einer Hypervitaminose aufgrund der schmalen Breite der Dosis-Wirkungsbeziehung gegeben; während einer solchen Behandlung müssen Blut und Urin ständig daraufhin überprüft werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann Calcitriol dauerhaft zur Therapie von Osteoporose eingesetzt werden [1].
Bis zu 50 µg Vitamin D/d gelten für Erwachsene als unbedenklich; bei dauerhafter Aufnahme von 95 µg Vitamin D/d wurden Fälle von Hypercalzämie beschrieben. Erhalten Säuglinge mehr als 25 µg Vitamin D/d, so muss dies immer mit gezielter Indikation geschehen und gleichzeitig von einer regelmäßigen Kontrolle der Calciumkonzentrationen im Plasma und der renalen Calciumausscheidung begleitet werden [2].
Bedarf und tatsächliche Zufuhr Solange die Sonnenexposition eines Individuums adäquat ist, bedarf es keiner alimentären Zufuhr von Vitamin D. Doch diese ist von Faktoren wie dem Breitengrad, der Jahres- und Tageszeit sowie der Kleidung, aber auch der Hautpigmentierung und dem Alter abhängig [4]. Die Zufuhrempfehlungen (Tab. 4) der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegen bei 5 µg Vitamin D/d und unterstellen eine unzureichende Eigensynthese des Vitamins. Für Schwangere und Stillende wird neuerdings nicht mehr von einem erhöhten Bedarf ausgegangen, da die Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit nur geringe Mengen Vitamin D an das Kind abgibt [3, 4].
Säuglinge in Europa – gestillte und nicht gestillte – sollen laut Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde ab dem Ende der ersten Lebenswoche bis zum Ende des ersten Lebensjahres 10-12,5 µg Vitamin D/d in Tablettenform erhalten. Dies kann im zweiten Lebensjahr während der Wintermonate fortgeführt werden. Bei Ernährung mit industriell hergestellter Säuglingsmilch kann die tägliche Dosis bis zu 20 µg betragen. Höhere Dosierungen kommen nur in Sonderfällen, z. B. bei Frühgeborenen und auf ärztliche Anweisung in Betracht [2, 4].
Ab dem 65. Lebensjahr erhöht sich die Zufuhrempfehlung der DGE von 5 µg/d auf 10 µg/d. Ob eine Erhöhung dieser Werte auf 15-20 µg/d sinnvoll ist, ist nach Meinung der DGE noch nicht ausreichend wissenschaftlich gesichert worden. Es wird jedoch empfohlen, dass ältere Frauen sich hinsichtlich eines Vitamin-D-Mangels untersuchen lassen sollten, um so in der postmenopausalen Phase häufig auftretende Hüftfrakturen vermeiden zu können Tatsächlich erreichen 92% der Männer und 80% der Frauen die Empfehlungen der DGE; allerdings sind es nur 69% der Senioren und ca. 50% aller Seniorinnen. Die für Senioren ab dem 65. Lebensjahr empfohlenen 10 µg/d sind mit der üblichen mitteleuropäischen Kost schwer erreichbar. Zusätzlich wird die Versorgung bei Personen erschwert, die ans Haus gebunden sind, so dass in Hinblick auf die Problematik Osteoporose dann eine Vitami-D-Supplementation erforderlich ist [4].
Katja Aue
In der letzten Folge unserer Serie "Basiswissen Ernährung" haben wir uns mit Vitamin A beschäftigt. Heute geht es mit Vitamin D. An und für sich ist der Mensch nicht auf eine Zufuhr des Vitamins über die Nahrung angewiesen. Dennoch kann es zu einem Mangel kommen, wie Sie unserem Artikel erfahren werden.
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