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Gefahrstoffe
Helmut HörathGefährdungsbeurteilung in der Apothek
Die Gefährdungsbeurteilung ist für die öffentliche Apotheke nicht so schwierig, wie es im ersten Augenblick erscheint, für den Leiter der Apotheke und das nichtpharmazeutische Personal jedoch außerordentlich wichtig.
Nicht nur Apotheker, sondern auch die zuständigen Behörden wissen [1], dass es in Apotheken aufgrund des gut ausgebildeten Fachpersonals, der strengen Überwachung durch die Berufsgenossenschaften und die Pharmazieräte selten zu schweren Unfällen kommt. Was könnte daher näherliegen, vor der Entscheidung, ob eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden soll, festzustellen: Wird schon nichts passieren! Bisher waren schwere Unfälle durch Gefahrstoffe in Apotheken äußerst selten und durch Haftpflichtversicherungen abgesichert. Das hat sich seit Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes (1. Januar 1996) und der neu gefassten Gefahrstoffverordnung 2005 (GefStoffV) am 1. Januar 2005 grundlegend geändert [2].
Beurteilung von Gefährdungen Apotheken müssen ebenso wie Hersteller, Pharmagroßhändler, Laboratorien, PTA-Lehranstalten, chemische und pharmazeutische Institute an Hochschulen, Ärzte, Tierärzte, Fachdrogisten u. dgl., die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, nach § 7 Abs. 1 GefStoffV vor Aufnahme der Tätigkeit Gefährdungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten beurteilen:
- gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Zubereitungen,
- Informationen des Herstellers oder Inverkehrbringers zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt nach § 6 GefStoffV,
- Ausmaß, Art und Dauer der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege,
- physikalisch-chemische Wirkungen,
- Möglichkeiten einer Substitution,
- Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Stoffmenge,
- Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und biologische Grenzwerte (BGW),
- Wirksamkeit der getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen,
- Schlussfolgerungen aus durch–geführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen.
- Schutzstufen und –maßnahmen
- Neueinstellungen,
- Änderung der Tätigkeit mit Gefahrstoffen,
- Einführung neuer Arbeitsmittel und neuer Technologien [3].
Gefahrstoffunfälle in der Apotheke Ein Unfall in der Apotheke durch Gefahrstoffe aller Art ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung kann den totalen Verlust des Vermögens des Apothekeninhabers oder seines Beauftragten zur Folge haben.
Entsprechende Fälle aus der Industrie sind bekannt: So hatten in einem chemischen Betrieb Arbeiter die mündlichen Anweisungen des zuständigen Abteilungsleiters nicht beachtet. Es kam beim Reinigen eines Kessels zu einer Explosion mit verheerenden Folgen.
Da eine formelle Gefährdungsbeurteilung nicht vorlag, musste der zuständige Abteilungsleiter (= beauftragte Person) für den gesamten Schaden, einschließlich der Personenschäden aufkommen. Haftpflichtversicherung und die Berufsgenossenschaft vertraten den Standpunkt, dass wegen der nicht durchgeführten Gefährdungsbeurteilung eine grobe Fahrlässigkeit vorlag, sodass eine Kostenerstattung nicht angezeigt sei [4].
In der Fachpresse wurde vor Jahren über einen vergleichbaren Unfall in einer Apotheke berichtet: Die Ehefrau eines Apothekers füllte in einem Abguss des Labors in der Nähe eines elektrischen Durchlauferhitzers mehrere Flaschen Wundbenzin ab. Dabei bildete sich ein Benzin-Luft-Gemisch, das sich durch einen Funken des Geräts entzündete. Die Frau erlitt schwere Verbrennungen und starb, das Labor wurde verwüstet [5].
Vielen Kollegen ist nicht bewusst, dass auch in der Apotheke alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (Rezeptur, Defektur, Analytik u. a.) nicht unter das Arzneimittelgesetz oder die Apothekenbetriebsordnung fallen, sondern in § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 3 Abs. 6 GefStoffV 2005 geregelt sind.
Wenn ein Unfall passiert... Beispiel eines möglichen Unfalls in einer Apotheke: Ein Apothekenmitarbeiter beauftragt einen 16-jährigen Auszubildenden an einem warmen Sommertag im Labor 20 Flaschen Wundbenzin abzufüllen. Der Lehrling verschüttet beim Abfüllen Benzin, das verdunstet; es bildet sich ein Benzin/Luftgemisch.
Während des Abfüllvorgangs schaltet sich der nebenstehende Ventilator automatisch ein. Ein Zündfunke entzündet das Benzin/Luftgemisch. Es entsteht ein Brand im Labor. Der Auszubildende überlebt schwer verletzt; er ist blind.
Folgen: Liegt eine schriftlich dokumentierte Gefährdungsbeurteilung vor, werden die Versicherungen für den Betriebsunfall aufkommen müssen.
Liegt keine Gefährdungsbeurteilung vor, werden der Apothekenleiter oder die beauftragte Person alle entstehenden Kosten übernehmen müssen. Die Berufsgenossenschaften und die Versicherungen werden von einer groben Fahrlässigkeit ausgehen, für deren Folgen sie nicht aufzukommen brauchen.
Hinzu kommt, dass dem Arbeitgeber, der gefährliche Tätigkeiten ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung durchführen lässt, nach § 25 Abs. 1, Nr. 1 und 2 GefStoffV ein Bußgeld durch die zuständige Behörde in Höhe von bis zu 50 000 Euro auferlegt werden kann.
Wollen wir hoffen, dass sich ein derartiger Unfall nicht ereignet. Es sollte aber gezeigt werden, dass der Verlass auf den Spruch: "Es wird schon nichts passieren!" gravierende Folgen haben kann.
Handlungshilfen zur Umsetzung der Gefahrstoffverordnung Alle Apothekenleiter oder ihre Beauftragten müssen vor Tätigkeiten mit Gefahrstoffen eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und zwar mit allen Beschäftigten, also einschließlich der Raumpfleger und der Hilfskräfte aller Art, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen oder ihnen ausgesetzt sind (§ 7 GefStoffV).
Die Bundesapothekerkammer hat Handlungshilfen zur Umsetzung der Gefahrstoffverordnung in Apotheken erarbeitet, die im Internet (www.abda.de/890.html) abgerufen werden können [6].
Diese Handlungshilfen sind für das pharmazeutische Fachpersonal gut geeignet, insbesondere die Hinweise auf die Schutzmaßnahmen bei den einzelnen Rezepturstandards.
Im Entwurf vom 19. April 2006 fehlen jedoch Grundlagen. Man kann davon ausgehen, dass das pharmazeutische Fachpersonal die Bedeutung der Gefahrensymbole sowie der R- und S- Sätze kennt. Das gilt aber nicht für Raumpfleger und sonstiges Hilfspersonal. So hatte eine medizinisch-technische Assistentin in einem Labor nach Dienstschluss Geräte mit Chromschwefelsäure gereinigt. Chromschwefelsäure ist bekanntlich eine sehr stark ätzende Flüssigkeit und entsprechend gekennzeichnet. Um der Gefahr der Beschädigung der Glasflasche vorzubeugen, hatte die MTA die Flasche mit der Chromschwefelsäure auf dem Fußboden unter dem Labortisch abgestellt, das Labor verlassen und die Tür abgeschlossen. Dann kamen die Raumpflegerinnen: sie zertrümmerten beim Reinigen des Fußbodens mit einem Schrubber die Flasche, wischten die Chromschwefelsäure mit Scheuertüchern auf und verätzten sich dabei die Hände. Wären den Putzfrauen die Gefahrensymbole bekannt gewesen, hätten sie den Kontakt mit der verschütteten Flüssigkeit wahrscheinlich vermieden und sich nicht verletzt.
Gegen die MTA wurde von der Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet.
Nach jetzigem Recht würde der Arbeitgeber oder sein Beauftragter und nicht die MTA verurteilt, wenn keine Gefährdungsbeurteilung vorgelegen hätte.
Um solche Schäden zu vermeiden, muss der Apothekenleiter oder die beauftragte Person zunächst allen Mitarbeitern wichtige Grundlagen vermitteln. Nach dem lateinischen Spruch: "Repetitio est mater studiorum" wird es auch dem pharmazeutischen Fachpersonal nicht schaden, wenn eine fachkundige Person Grundwissen zum Gefahrstoffrecht auffrischt.
Wer klärt auf? Wie soll man bei der Gefährdungsbeurteilung in einer öffentlichen Apotheke vorgehen? Zunächst muss geklärt werden, ob der Apothekenleiter diese Aufgabe selbst übernimmt oder eine fachkundige Person mit der Weitergabe der Grundlagen beauftragt. In jeder Apotheke gibt es Personen (Apotheker, PTA), die auch auf diesem Gebiet fachkundig sind und diese Aufgabe übernehmen können. Ist das nicht möglich, kann der Apothekenleiter auf einen Arbeitsmediziner oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zurückgreifen (§ 7 Abs. 7 GefStoffV).
Die Delegation von Pflichten des Arbeitgebers auf Führungskräfte ist ein Vertrag. Deshalb muss die Führungskraft damit einverstanden sein. Der Vertrag sollte aus Beweissicherungsgründen schriftlich geschlossen werden. Nach der Übernahme der Pflichten tritt die Führungskraft an die Stelle des Arbeitgebers [3].
Mitarbeiter der Apotheke sollten z. B. eine Urlaubsvertretung nur dann übernehmen, wenn vorher eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden ist (s. § 7 Arbeitsschutzgesetz).
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung 1. Informationsbeschaffung Zunächst werden allen Mitarbeitern die Gefahrensymbole, die Gefahrenbezeichnungen und die dazugehörenden R- und S-Sätze vorgestellt und anhand von Beispielen in der Apotheke vertieft. Da seit dem 1. Januar 2005 die Standgefäße mit gefährlichen Stoffen und Zubereitungen auch in Apotheken mit den R- und S- Sätzen gekennzeichnet sein müssen (§ 8 Abs. 4 GefStoffV) [7], ist es einfach, diese Informationen an die Mitarbeiter weiterzugeben.
Die meisten gefährlichen Stoffe befinden sich im Giftschrank und im Reagenziensatz im Labor. Der Standort weiterer gefährlicher Stoffe und Zubereitungen kann aus dem Gefahrstoffverzeichnis, das in jeder Apotheke vorhanden sein muss, entnommen werden.
2. Sicherheitsdatenblatt
Eine weitere wichtige Informationsquelle sind die Sicherheitsdatenblätter. Wer als Hersteller, Importeur oder erneuter Inverkehrbringer (z. B. als Großhändler) gefährliche Stoffe oder Zubereitungen in den Verkehr bringt, hat dem beruflichen Verwender bei der ersten Lieferung ein Sicherheitsdatenblatt in deutscher Sprache kostenlos zu übermitteln (§ 6 GefStoffV). Dieses Sicherheitsdatenblatt muss von einer fachkundigen Person erstellt, fachlich richtig und vollständig ausgefüllt sein.
Das gilt auch für Apotheken, die an Ärzte Gefahrstoffe als Praxisbedarf liefern. Nach § 14 GefStoffV stellt der Arbeitgeber sicher, dass die betroffenen Beschäftigten Zugang zu allen Sicherheitsdatenblättern haben, mit denen sie Tätigkeiten durchführen. Das Sicherheitsdatenblatt ist die wichtigste Informationsquelle über gefährliche Stoffe und deren Zubereitungen in der Apotheke. Im Rahmen der Informationsbeschaffung sollten die Inhalte des Sicherheitsdatenblattes eines häufig verwendeten gefährlichen Stoffes mit den Mitarbeitern besprochen werden. Da die Sicherheitsdatenblätter meist sehr umfangreich sind, empfiehlt es sich in der Apotheke wie folgt vorzugehen:
Beispiel: Wundbenzin, Hedinger Stuttgart, Stand: Juli 2006 Einstieg: Ziffer 15: Gefahrensymbole: F, Xn, N R- Sätze: R 11, 38, 51/53, 65, 67 S- Sätze: S 2, 9, 16, 23, 24, 33, 61, 62 §12 GefStoffV Brand und Explosionsgefahr! Weiter: Ziffer 11: Toxikologie: LD 50, oral: > 2000 mg/kg LD 50, dermal: > 2000 mg/kg LC 50: > 20 mg/l/4h Reizt die Haut CMR: negativ Vorsicht: bei längerem Hautkontakt und bei Verschlucken! Ziffer 8: PSA: geeignete Atemschutzgeräte, Nitrilkautschuk-Handschuhe Ziffer 3: Gefahren durch Verschlucken und durch Bildung explosionsfähiger Gemische Gegebenenfalls: Ziffer 4: Erste Hilfe Ziffer 13: Entsorgung
Je nach Gefährlichkeit des Stoffes sollten die einzelnen Positionen mit den Beschäftigten ausführlich besprochen werden.
Beispiel
Frage: Was bedeutet CMR?
Antwort: CMR ist die Abkürzung für carcinogen, mutagen, reproduktionstoxisch (krebserzeugend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend). Die CMR- Stoffe sind in drei Kategorien eingeteilt (Abb.):
Zur Kategorie 1 gehören Gefahrstoffe, die für den Menschen bekanntermaßen krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind. In der Kategorie 2 findet man die Verdachtsstoffe, bei der Kategorie 3 liegen nur Hinweise auf derartige Gefahren vor.
Die Kategorien 1 und 2 tragen das Giftsymbol und die Gefahrenbezeichnung "Giftig". Die Kategorie 3 erkennt man am Andreaskreuz und der Gefahrenbezeichnung "Gesundheitsschädlich".
Den CMR-Stoffen sind außerdem bestimmte R-Sätze (=Risiko-Sätze: "Bezeichnungen der besonderen Gefahren") zugeordnet. Wegen der großen Gefahr, die von diesen Stoffen ausgeht, sind die Kategorien 1 und 2 gemäß § 11 GefStoffV in der höchsten Schutzstufe 4 [8] zusammengefasst worden.
Gefahrstoffverzeichnis
Nach § 7 Abs. 8 GefStoffV hat der Arbeitgeber ein Verzeichnis [9] der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu führen, in dem auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter verwiesen wird. Das gilt nicht für Gefahrstoffe mit geringer Gefährdung für die Beschäftigten (§ 7 Abs. 9 GefStoffV).
Das Verzeichnis muss allen betroffenen Beschäftigten und ihren Vertretern zugänglich sein.
Es empfiehlt sich, einen Mitarbeiter der Apotheke zu beauftragen, alle erforderlichen Daten von neu eingehenden Gefahrstoffen ins Gefahrstoffverzeichnis einzutragen und zu prüfen, ob die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter in aktueller Fassung vorliegen und den betroffenen Beschäftigten zugänglich sind. Das gilt auch für Sicherheitsdatenblätter, die über CD-ROM aufzurufen sind, z. B. von Phagro, ChemDAT®Merck, Caelo und andere.
Allgemeine Gefahren in der Apotheke
Es gibt einige Stoffe in Apotheken, die eine besondere Gefahr für die Beschäftigten darstellen können. Auf diese Stoffe müssen alle Beschäftigten eindringlich hingewiesen werden:
- Explosionsgefährliche Stoffe, Kennbuchstaben E: Bei den Reagenzien befindet sich auch der explosionsgefährliche Stoff Pikrinsäure. Dieser Stoff ist mit Wasser phlegmatisiert, d. h. er ist in dieser Form nicht explosionsgefährlich solange er feucht ist. Wenn aber der Verschluss undicht oder nicht richtig zugeschraubt worden ist, so kann nach einer längeren Hitzeperiode das Wasser verdunstet sein. Aus dem harmlosen Reagenz ist dann ein gefährlicher Sprengstoff entstanden, der auf Schlag wie eine Granate explodieren kann [10].
Wenn eine Flasche mit ausgetrockneter Pikrinsäure der Raumpflegerin beim Abstauben auf den Boden fällt, explodiert die Pikrinsäure und führt zu schweren Verletzungen bis hin zum Tod.
- Brandfördernde Stoffe, –Kennbuchstabe O: Zu dieser Gruppe gehören u. a. die Chlorate und die Chromschwefelsäure. Die Gefahren, die von diesen Stoffen ausgehen, müssen auch dem nicht-pharmazeutischen Personal in der Apotheke bekannt sein.
Viele Gefahrstoffe haben gleichzeitig mehrere gefährliche Eigenschaften: So ist z. B. die Chromschwefelsäure als brandfördernd (Kennbuchstabe O) und ätzend (Kennbuchstabe C) gekennzeichnet. Wie gefährlich Chromschwe–felsäure ist, zeigt der o. g. Unfall in dem chemischen Labor eines Krankenhauses.
- Hochentzündliche und –leichtentzündliche Stoffe –(Kennbuchstabe F+ und F) Der wichtigste hochentzündliche Stoff in der Apotheke ist Diethylether ("Ether"). Hier müssen –alle Beschäftigten insbesondere auf die Brand- und Explosionsgefahren hingewiesen werden.
Dasselbe gilt für leichtentzündliche (Wundbenzin, Ethanol, Isopropanol u. a.) und entzündliche Stoffe und Zubereitungen [11].
Zündquellen können sein: Bunsenbrenner, Gasdurchlauferhitzer, Gas- und Elektroheizungen, Ventilatoren, Kühlschränke, Motoren und Schalter in der Nähe des Arbeitsplatzes [5].
Bei Tätigkeiten mit brennbaren Flüssigkeiten ist deshalb Vorsicht geboten: kein Um- und Abfüllen in der Nähe von Zündquellen. Wie die erwähnten Unfälle zeigen, können Zündquellen auch versteckt sein. Arbeiten mit brennbaren Flüssigkeiten nur in dafür geeigneten Abzügen!
- Sehr giftige (Kennbuchstabe T+) und giftige Stoffe (Kennbuchstabe T) und Zubereitungen sind in Apotheken in großer Zahl vorhanden. Sie müssen stets verschlossen oder so aufbewahrt werden, dass nur fachkundige Personen Zugang haben (§ 10 Abs. 3 GefStoffV).
Wenn der Giftschrank und der Schrank mit giftigen Reagenzien verschlossen sind, vereinfacht sich die Gefährdungsbeurteilung. Es empfiehlt sich, die Zugangsrechte in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung festzuhalten.
Werden Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden und fruchtbarkeitsgefährdenden Gefahrstoffen der Kategorien 1 und 2 (Kennbuchstabe T) durchgeführt, ist eine Abgrenzung der Gefahrenbereiche notwendig, z. B. durch Abschließen des Labors, Anbringen von Warn- und Sicherheitszeichen einschließlich des Zeichens "Rauchen verboten" (§11 Abs. 2 GefStoffV). Um Expositionen zu vermeiden, müssen die Raumpflegerinnen die Gefahren, die von solchen Gefahrstoffen ausgehen, kennen.
- Werden Zytostatika hergestellt, ist mit allen Betroffe–nen eine eigene Gefährdungsbeurteilung durchzuführen! Nach § 7 Abs. 7 GefStoffV kann der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung übernehmen, die ihm der Hersteller oder Inverkehrbringer mit geliefert hat, sofern er seine Tätigkeit entsprechend den dort gemachten Angaben und Festlegungen durchführt. Derartige Gefährdungsbeurteilungen werden z. B. von der Firma Medac zur Verfügung gestellt.
3. Exposition gegenüber Gefahrstoffen
Der Arbeitgeber oder sein Beauftragter (Apothekenleiter) muss Ausmaß, Art und Dauer der Tätigkeiten mit Gefahrstoffen beurteilen und die notwendigen Schutzmaßnahmen veranlassen. In Apotheken sind insbesondere die mit inhalativen, dermalen und physikalisch- chemischen Gefährdungen verbundenen Tätigkeiten zu beurteilen (§ 7 Abs. 5 GefStoffV).
Gefahren durch Einatmen von gefährlichen Stäuben (z. B. Herstellung von Salben mit dem mikronisierten, fruchtschädigenden Triamcinolonacetonid) sind durch Verlegung der Tätigkeit in einen gut funktionierenden, geeigneten Abzug zu vermeiden, um die anderen Mitarbeiter in der Apotheke nicht zu gefährden. Werden derartige Salben öfter hergestellt, ist die Verwendung von Verreibungen zu erwägen.
Auch die Verwendung von Partikel-filtrierenden Halbmasken (filtering face-piece, FFP) ist möglich. Diese Masken sind in drei Schutzstufen erhältlich [12]:
- FFP 1: Rückhaltevermögen 80%
- FFP 2: Rückhaltevermögen 94%
- FFP 3: Rückhaltevermögen 98%
Dermale Gefährdungen können durch geeignete Schutzhandschuhe ausgeschlossen werden. Welche Schutzhandschuhe geeignet sind, ergibt sich aus Ziffer 8 des Sicherheitsdatenblatts. Bei längeren Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ist die Durchbruchzeit des Handschuhmaterials zu beachten.
4. Physikalisch-chemische Wirkungen
Bei Gefahrstoffen mit physikalisch-chemischen Eigenschaften ist insbesondere die Brand- und Explosionsgefahr zu beurteilen und durch geeignete Schutzmaßnahmen in der nachfolgenden Rangordnung zu minimieren (s. § 12 GefStoffV):
a) gefährliche Mengen oder Konzentrationen von derartigen Gefahrstoffen sind zu vermeiden,
b) Zündquellen sind zu vermeiden (Beispiele siehe [5]),
c) schädliche Auswirkungen durch Brände oder Explosionen sind durch geeignete Maßnahmen auszuschließen.
In Apotheken ist die Exposition mit Gefahrstoffen wegen des gut ausgebildeten Personals gering. Das nichtpharmazeutische Personal muss aber auf derartige Gefahren und die notwendigen Schutzmaßnahmen besonders hingewiesen werden.
5. Substitution (§ 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 GefStoffV)
Stellt der Apothekenleiter fest, dass Stoffe mit geringerem gesundheitlichem Risiko erhältlich sind, so soll er den harmloseren Stoff verwenden, sofern das für ihn zumutbar ist. Da es in der Apotheke in der Regel keine –Alternativmöglichkeiten gibt, ist ein Ersatz der Gefahrstoffe durch weniger gefährliche Stoffe oft nicht möglich.
Ist eine Substitution nicht möglich, so hat der Apothekenleiter dafür zu sorgen, dass die Herstellung und Verwendung (sehr) giftiger Gefahrstoffe in einem geschlossenen System stattfindet (§ 10 GefStoffV, Schutzstufe 3[8]).
6. Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen in der Apotheke sind durch Arznei–bücher, das Arzneimittelgesetz, die Apothekenbetriebsordnung, Vorschriften der Berufsgenossenschaften (BGW) und dergleichen vorgegeben. Um Schwachstellen zu erkennen, ist es nützlich, den Fragebogen der BGW durchzuarbeiten.
Bei Beachtung dieser Vorgaben kann man davon ausgehen, dass die Arbeitbedingungen für die Beschäftigten bei Tätigkeiten mit –Gefahrstoffen optimal sind.
7. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und –biologische Grenzwerte (BGW)
Die Zahl der gefährlichen Stoffe in der Apotheke, für die es Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte gibt, ist gering. Die bestehenden AGW- und BGW-Werte findet man in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 900 und 903 [13]. Dazu gehören Ethanol, Ether, Isopropanol und andere.
Die Bestimmung von Arbeitsplatzgrenzwerten ist sehr aufwändig, weil dazu Arbeitsplatzmessungen erforderlich sind. Derartige Messungen erübrigen sich, wenn die Arbeiten unter einem geeigneten, gut funktionierenden Abzug durchgeführt werden. Eine Überschreitung der Grenzwerte ist bei Einhaltung der technischen Standards nicht zu befürchten.
8. Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen
Grundlage für die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist die Beachtung und –Einhaltung der Vorgaben im Sicherheits–datenblatt und der Schutzstufen (s. Nr. 10).
9. Schlussfolgerungen aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen
Nach § 16 GefStoffV muss der Arbeitgeber Beschäftigten, die u. a. Tätigkeiten mit Begasungsmitteln (z. B. Ethylenoxid- und Formaldehydbegasungen im Krankenhaus) oder mit CMR-Stoffen der Kategorien 1 oder 2 ausführen, arbeitmedizinische Vorsorgeuntersuchungen anbieten (siehe auch Anhang V Nr. 2 GefStoffV).
10. Schutzstufen und Schutzmaßnahmen [8]
Schutzstufe1: Einstieg ist für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die Schutzstufe 1 ("Tätigkeiten mit geringer Gefährdung"). Sie gilt für Tätigkeiten mit geringen Stoffmengen, geringer Exposition und guten Arbeitsbedingungen für gesundheitsschädliche, ätzende und reizende Gefahrstoffe. Der Arbeitgeber muss die einschlägigen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) beachten [13].
Wenn in Apotheken lege artis und unter Beachtung der o. g. Schutzmaßnahmen gearbeitet wird, kann man davon ausgehen, dass diese Vorschriften eingehalten werden. In Sonderfällen sind die TRGS 200, 220, 525, 555, 900, 905 und 907 heranzuziehen [13].
Die Schutzstufe 2 baut auf der Schutzstufe 1 auf. Sie gilt für Tätigkeiten bei normaler Gefährdung mit gesundheitsschädlichen, ätzenden und reizenden Gefahrstoffen. Da eine Substitution der Gefahrstoffe in der Apotheke meist nicht möglich ist, muss eine Verringerung der Gefährdung der Beschäftigten in folgender Rangfolge angestrebt werden:
a) durch geeignete Verfahren und technische Steuerungseinrichtungen
b) durch Schutzmaßnahmen an der Gefahrenquelle (z. B. Be- und Entlüftung)
c) durch persönliche Schutzausrüstung.
In der Apotheke wird nur die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung möglich sein. Die Beschäftigten müssen diese persönliche Schutzausrüstung benutzen (§ 9 Abs. 6 GefStoffV).
Die Schutzstufe 3 setzt die Einhaltung der Schutzstufen 1 und 2 voraus. Sie gilt für Tätigkeiten mit hoher Gefährdung, also mit (sehr) giftigen Gefahrstoffen. Da in der Apotheke eine Substitution der (sehr) giftigen Gefahrstoffe nicht möglich ist, muss die Tätigkeit mit diesen Gefahrstoffen in einem geschlossenen System vorgenommen werden. Ist die Herstellung und Verwendung der Gefahrstoffe in einem geschlossenen System nicht möglich, hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Gefährdung der Beschäftigten so weit wie möglich verringert wird, durch Messung und Einhaltung der Arbeitplatzgrenzwerte.
Die Schutzstufe 4 baut auf den Schutzstufen 1, 2 und 3 auf. Sie gilt für Tätigkeiten mit CMR-Stoffen der Kategorien 1 und 2; Tätigkeiten mit CMR-Stoffe der Kategorie 3 werden von der Schutzstufe 2 abgedeckt.
Die Schutzstufe 4 gilt in der Apotheke insbesondere für die Herstellung der Zytostatika, aber auch für Tätigkeiten mit anderen CMR-Stoffen, wie z. B. die Herstellung von bestimmten steroidhaltigen Salben. Eine Arbeitsplatzmessung dieser Gefahrstoffe ist mangels Daten zurzeit nicht möglich, weshalb nur die Abgrenzung der Gefahrenbereiche und Anbringung von Warn- und Sicherheitszeichen in Bereichen, in denen Beschäftigte diesen Gefahrstoffen ausgesetzt sind, machbar sind.
Tätigkeiten der Schutzstufe 4 dürfen nur durchgeführt werden, wenn die aufgrund der Gefährdungsbeurteilung ge–troffenen Schutzmaßnahmen ausreichen, um die Gefährdung auf in Mindestmaß zu verringern.
Ergebnis und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung Man kann davon ausgehen, dass bei Beachtung der o. g. Schutzmaßnahmen Gefährdungen für die Beschäftigten in der Apotheke ausgeschlossen werden können. Es ist eine Niederschrift über die Inhalte der Gefährdungsbeurteilung insbesondere über die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu fertigen. In dieser Niederschrift bestätigen alle Teilnehmer durch Unterschrift, dass sie die Inhalte der Gefährdungsbeurteilung verstanden haben und die erforderlichen Schutzmaßnahmen beachten werden.
Folgende Unterlagen sollten allen Teilnehmern ausgehändigt werden:
- Eine Liste der Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen
- die Hinweise auf besondere Gefahren (R-Sätze) [14]
- die Sicherheitsratschläge (S-Sätze) [14] Die Niederschrift ist am Ende von folgenden Personen zu unterschreiben:
- der fachkundigen Person, –die die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt hat
- dem Arbeitgeber, ggf. der beauftragten Person.
Eine Dokumentvorlage befindet sich auf den folgenden Seiten.
Zum Schluss ein dringender Rat an alle Arbeitgeber: Warten Sie nicht, bis ein Unglück passiert ist, sondern handeln Sie unverzüglich!
Nach § 7 Abs. 1 der Gefahrstoffverordnung darf ein Arbeitgeber –eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Was genau versteht man unter dieser Regelung? Wie geht man in der Praxis vor, um diese Bestimmung einzuhalten? Wie nimmt man eine Gefährdungsbeurteilung in der Apotheke vor? Der Beitrag zeigt, wie man bei einer Gefährdungsbeurteilung vorgeht.
Hier einige Beispiele für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in der Apotheke:
- Innerbetrieblicher Transport hochentzündlicher oder leichtentzündlicher Flüssigkeiten (Ether, Ethanol, Isopropanol) aus dem Arzneikeller ins Labor
- Abfüllen von Wundbenzin, Hoffmannstropfen oder anderen Stoffen mit gefährlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften in abgabefertige Packungen
- Umfüllen von Alkohol aus einem Vorratsgefäß in ein Standgefäß
- Mischen: Herstellung einer steroidhaltigen Salbe
- Lagern giftiger Stoffe im Giftschrank oder im Reagenzienschrank Bedienung der Salbenmaschine zur Herstellung einer Salbe mit gefährlichen Bestandteilen
- Entfernen von Salbenresten mit gefährlichen Stoffen aus einer Kruke (= Reinigen von Arbeitsgeräten)
- Verbrauchen: Titration einer alkalischen Lösung mit Salzsäure,
- Prüfen von Ausgangsstoffen.
Sicherheitsdatenblatt (§ 6 GefStoffV 2005)
Folgende Informationen können dem Sicherheitsdatenblatt entnommen werden:
- Stoff-/Zubereitungs- und –Firmenbezeichnung
- Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen
- Möglich Gefahren
- Erste-Hilfe-Maßnahmen
- Maßnahmen zur Brand–bekämpfung
- Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung
- Handhabung und Lagerung
- Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstung
- Physikalische und chemische Eigenschaften
- Stabilität und Reaktivität
- Angaben zur Toxikologie
- Angaben zur Ökologie
- Hinweise zur Entsorgung
- Angaben zum Transport
- Vorschriften
- Sonstige Angaben
Gefahrstoffe
Eine praxisnahe Einführung in das geltende Gefahrstoffrecht bietet das Buch "Gefährliche Stoffe und Zubereitungen" von Helmut Hörath. Das Buch ist ein unentbehrliches Hilfsmittel für alle, die mit gefährlichen Stoffen und Zubereitungen umgehen.
Ergänzend hierzu ist das Gefahrstoffverzeichnis erschienen. Es liefert Tabellen zu Dokumentationen von Reagenzien, gefährlichen Stoffen sowie Wirkstoffen zur Herstellung onkologischer Arzneimittel.
Helmut Hörath Gefährliche Stoffe und Zubereitungen. 6. Auflage, 712 Seiten. Preis: 39 Euro. Wissenschaftliche Verlags–gesellschaft mbH Stuttgart
Helmut Hörath Gefahrstoff-Verzeichnis nach Paragraph 7 Abs. 8 Gefahrstoffverordnung. Mit Hinweisen zur Einstufung und Kennzeichnung apothekenüblicher Stoffe und Zubereitungen. Preis: 19,80 Euro. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart. Diese Bücher können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de oder per Telefon unter: (07 11) 25 82 - 3 41 oder - 3 42
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