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- DAZ 40/2006
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Die Seite 3
Anfang September schrillten im Apothekerhaus die Alarmglocken: Bündnis 90/Die Grünen reichten einen Antrag ein, wonach der Deutsche Bundestag beschließen solle, das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken aufzuheben. Diese Partei sah in diesem Verbot Wettbewerbsbeschränkungen, sie argumentierte mit angeblich verschenkten Wirtschaftlichkeitsreserven, bemängelte die "kleinteilige Struktur des Apothekenmarkts", die keinen "effizienz- und effektivitätssteigernden Wettbewerb zwischen den Apotheken" zulasse. Ausstattung und Betrieb von Einzelapotheken seien deutlich teurer als bei größeren Einheiten. Die Grünen zitierten Fachleute, die mit einer solchen Liberalisierung der Arzneimitteldistribution Einsparungen in Höhe von bis zu zwei Milliar den Euro ausgerechnet hätten. Zu Gesicht bekam man solche Berechnungen nie. Die Einsparsummen standen immer nur als Schlagworte im Raum.
Der Antrag wurde zeitlich nicht ungeschickt gestellt. Erstens passte er zum Vorhaben des saarländischen Justizministers, der unumwunden dafür eintritt, das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken zu Fall zu bringen. Per Rechtsbruch hatte er schon mal – indem er sich auf Europarecht berief – einer niederländischen Kapitalgesellschaft den Fremdbesitz einer Apotheke in Saarbrücken erlaubt. Und zweitens sahen die Grünen wohl die Chance, die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei den laufenden Verhandlungen zu einer Gesundheitsreform leichter mit einfließen zu lassen: "Die Diskussion der letzten Jahre hat hinlänglich bewiesen", so die grüne Argumentation, "dass die Aufhebung von Fremd- und Mehrbesitzverbot gesamtwirtschaftlich geboten und gesundheitspolitisch vernünftig ist."
Alle Argumente überzeugten jedoch das Hohe Haus nicht. Der Grünen-Antrag wurde auf breiter Front abgeschmettert, von CDU/CSU, von SPD, von FDP, und auch die Linkspartei äußerte sich deutlich ablehnend. Sehr schön machte der Abgeordnete Dr. Wolf Bauer, selbst Apotheker, dem Bundestag den hohen Stellenwert des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Apotheken für unsere Gesellschaft, für die Arzneimittelversorgung und -sicherheit deutlich. Er verwies beispielsweise auf die Praktiken von Aktiengesellschaften, wie sie mit Mitarbeitern umgehen, was auch im Bundestag beklagt werde. Er legte auch unmissverständlich dar, dass die Europäische Union die primäre Zuständigkeit für die Regelung und Organisation der Gesundheitsfürsorge bei den Mitgliedstaaten belässt. Das heißt im Klartext: "Der rechtliche Rahmen, wer eine Apotheke betreiben darf bzw. wie eine Apotheke betrieben werden darf, fällt in den Handlungsbereich des jeweiligen Mitgliedstaates", so der Abgeordnete Bauer. Und selbst wenn ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegen würde, gäbe es durchaus Gründe, die eine Einschränkung rechtfertigen würden. "Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Beschränkungen grundsätzlich zulässig, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeinwohls entsprechen und verhältnismäßig sind", ergänzte Bauer.
Für den CDU-Abgeordneten ist auch nicht nachvollziehbar, dass sich der saarländische Justizminister nur auf ein Rechtsgutachten stützte, wo es doch ein weiteres Rechtsgutachten gebe, das zu einem gegenteiligen Schluss komme.
Bauer erklärte dem Bundestag auch, dass das Verbot des Fremd- und uneingeschränkten Mehrbesitzes dem Zweck dient, eine geordnete, verlässliche und kontrollierte Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Er vermisste beim Antrag der Grünen eine betriebs- und volkswirtschaftlich nachvollziehbare Rechnung, aus der ein Einsparvolumen der genannten zwei Milliarden Euro hervorgeht. Er bat die Antragsteller Nachweise vorzulegen, in welchen Ländern sich Sicherheit und Qualität der Arzneimittelversorgung nach Einführung von Fremd- und Mehrbesitz verbessert haben sollen und wo es aufgrund von Kettenapotheken günstigere Arzneimittelpreise für erstattungsfähige Arzneimittel gebe. Tja, da sehen die Grünen wohl alt aus: Auf diese Nachweise wird man wohl ewig warten müssen.
Bauer konnte dem Bundestag am Beispiel von Norwegen mit Fakten belegen, dass dort nach Einführung des Fremd- und Mehrbesitzes genau das Gegenteil von dem eingetreten ist, was die Grünen dadurch bezwecken wollten, nämlich weniger Wettbewerb: die flächendeckende Versorgung geriet in Gefahr, Rabatte werden nicht an Verbraucher und Kassen weitergegeben und eine Apothekenkette gibt beispielsweise bis zu 45 Prozent Generika vom zum selben Unternehmen gehörenden Hersteller ab.
Die Ablehnung des Grünen-Antrags auf breiter Front ist ein Grund zur Freude. Das lässt hoffen, dass der Bundestag den Wert des Fremd- und Mehrbesitzverbotes erkennt und vielleicht auch gegen mögliche Interventionen von Europa verteidigen wird. Ebenfalls erfreulich war in der vergangenen Woche, dass auch das Oberverwaltungsgericht – nach dem Verwaltungsgericht – die vorläufige Schließung der DocMorris-Apotheke bestätigt hat. Die Beschwerden von DocMorris und dem Minister hatten also keinen Erfolg. Das lässt für die noch ausstehenden Verhandlungen hoffen.
Peter Ditzel
Grund zur Freude – und Hoffnung
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