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Analytik
A. H. Schmidt et al.Teufelskralle aus dem Drogeriema
Zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen werden heute vermehrt pflanzliche Extrakte eingesetzt. Die besseren Präparate besitzen eine nachgewiesene Wirksamkeit und sind auch bei Daueranwendung gut verträglich.
Indikation und Qualitätsparameter der Teufelskralle
Arzneimittel mit Extrakten der sekundären Speicherwurzeln der Teufelskralle (Harpagophytum procumbens, Abb. 1) haben eine zunehmende Bedeutung in der unterstützenden Therapie degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates. Neuere klinische Studien [1, 2] und Anwendungsbeobachtungen [3, 4] bestätigten die Wirksamkeit bei diesem in den Monographien der Kommission E und der ESCOP genannten Anwendungsgebiet [5, 6] (weitere Indikationen: Appetitlosigkeit, dyspeptische Beschwerden).
Parameter der pharmazeutischen Qualität von Phytopharmaka sind die Art des Auszugsmittels, die Menge des Extraktes sowie das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV). Die Monographie "Teufelskrallenwurzel" der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes empfiehlt eine Tagesdosis von 4,5 g Droge bzw. die entsprechende Menge an Trockenextrakt [5].
Harpagosid kann als pharmazeutisch relevante Leitsubstanz der Teufelskrallenwurzel-Trockenextrakt-Präparate angesehen werden, denn klinische Studien deuten auf eine Korrelation des Harpagosidgehaltes und der Wirksamkeit hin [1, 11]. Daher sollte auf einen ausreichend hohen Harpagosidgehalt der Präparate geachtet werden.
Geprüfte Präparate
Auf dem deutschen Markt befinden sich unzählige Teufelskrallenwurzel-Trockenextrakt-Präparate. Für die vorliegende Untersuchung wurden im Laufe des Jahres 2004 wahllos sieben freiverkäufliche Präparate in Drogeriemärkten und Discountern in Berlin und vier apothekenpflichtige Präparate in Apotheken eingekauft. Bei den freiverkäuflichen Präparaten handelt es sich um Weichgelatinekapseln mit einer Nativextraktmenge von 43,2 bis 250 mg, bei den apothekenpflichtigen Präparaten um Filmtabletten mit einer Nativextraktmenge von 480 mg. Die apothekenpflichtigen Präparate und das freiverkäufliche Präparat F3 waren damals als Arzneimittel zugelassen; die übrigen freiverkäuflichen Präparate befanden sich in der Nachzulassung (Tab. 1). Bei allen Präparaten wurde der Gehalt an Harpagosid sowie die Freisetzung von Harpagosid gemessen.
Experimenteller Teil
In der Monographie "Teufelskrallenwurzel" des Europäischen Arzneibuches [7] wird eine Gehaltsbestimmung mittels Flüssigchromatographie (HPLC) an octadecylsilyliertem Kieselgel mit isokratischer Elution unter Verwendung von Methylcinnamat als internem Standard durchgeführt. Die Detektion der Verbindungen erfolgt mittels UV-Detektor bei 278 nm. Aufbauend auf dieser Methode haben wir eine schnelle HPLC-Analysenmethode ("Fast-HPLC") entwickelt und für Teufelskrallenwurzel-haltige Fertigarzneimittel validiert, die wir für diese Untersuchungen angewendet haben [8–10]. Beim Vergleich der Chromatogramme apothekenpflichtiger und freiverkäuflicher Präparate zeigen sich schon auf den ersten Blick die Gehaltsunterschiede (Abb. 2).
Die Bestimmung der Freisetzung von Harpagosid erfolgte nach der Methode "2.9.3 Wirkstofffreisetzung aus festen Arzneiformen" des Europäischen Arzneibuches [7]. Zum Einsatz kam die Blattrührer-Apparatur (paddle) Hanson SR8-Plus. Das Freisetzungsmedium war 900 ml 0,1 M Salzsäure und – im Falle der Weichgelatinekapseln – ein 2%iger Zusatz von Natriumlaurylsulfat als Lösungsvermittler. Die Drehzahl des Rührers betrug 100 Upm und die Temperatur des Wasserbads 37 °C. Proben wurden nach 15, 30, 45 und 60 min vollautomatisch gezogen und in die HPLC-Anlage transferiert, wo ihr Harpagosidgehalt bestimmt wurde (s. o.).
Ergebnisse und Diskussion
Dosierung und Harpagosidgehalt
Bei vier der sieben freiverkäuflichen Präparate liegt die vom jeweiligen Hersteller empfohlene Dosierung unter der von der Kommission E empfohlenen Dosierung der Teufelskralle; bei zwei Präparaten beträgt sie sogar nur ein Neuntel. Dagegen entsprechen drei freiverkäufliche und alle vier apothekenpflichtigen Präparate der Empfehlung der Kommission E (Tab. 2).
Bei der Bestimmung des Harpagosidgehaltes ergab sich folgendes Bild: Fünf der sieben freiverkäuflichen Präparate (F1, F2, F3, F6, F7) enthalten in der vom jeweiligen Hersteller empfohlenen mittleren Tagesdosis zwischen 2 und 13 mg Harpagosid, während zwei freiverkäufliche (F4, F5) und alle vier apothekenpflichtigen Präparate (A1, A2, A3, A4) Harpagosidwerte zwischen 18 und 25 mg aufweisen (Tab. 2). Auffällig ist, dass das freiverkäufliche Präparat F7, das je Kapsel ein Äquivalent von etwa 1 g Droge enthält (250 mg Extrakt bei einem DEV von 4:1), nur relativ wenig Harpagosid enthält; dies lässt auf eine minderwertige Extraktqualität oder eine unvollständige Extraktion schließen.
Freisetzung
Die Freisetzung von Harpagosid aus den Präparaten in 900 ml 0,1 M Salzsäure zeigte bei den Weichgelatinekapseln ein schlechtes Ergebnis, da hier die Trockenextrakte mit den öligen Trägerstoffen verklumpen. Erst der Zusatz von 2% Natriumlaurylsulfat als Lösungsvermittler verbesserte hier die Freisetzungsrate [12, 13]. Danach ergab sich folgendes Bild: Die freiverkäuflichen Präparate F1 bis F6 setzten nach 30 min weniger als 15% Harpagosid frei (F7: < 40%), während die apothekenpflichtigen Präparate A1 bis A3 eine nahezu 100%ige Freisetzung aufwiesen (A4: 53%; Abb. 3).
Da gemäß biopharmazeutischem Klassifizierungssystem (BCS) schnell freisetzende feste orale Darreichungsformen 85% des Wirkstoffs innerhalb von 30 Minuten freigesetzen sollen, sind Zweifel an einer einwandfreien Qualität der meisten untersuchten Präparate angebracht [14].
Wirtschaftlichkeit
Die Tagestherapiekosten der Präparate F4, F5 und F6 sind mit 0,67 bis 0,89 Euro vergleichbar mit denen der apothekenpflichtigen Präparate (0,62 bis 0,80 Euro). Legt man die empfohlene Tagesdosis der Kommission E zugrunde, müssten von den Präparaten F1 und F2 über 20 Kapseln pro Tag eingenommen werden, sodass die Tagestherapiekosten über 2,– Euro lägen, also etwa dreimal so hoch wie die zuvor genannten Präparate. Beim Präparat F7 sind die Kosten bei weitem am niedrigsten (Tab. 3).
Bewertung der Ergebnisse
Schon ein Blick auf die Deklaration der meisten freiverkäuflichen Teufelskrallenwurzel-Trockenextrakt-Präparate lässt erkennen, dass es ihnen an der nötigen Wirkstoffmenge mangelt, um mit der vom Hersteller empfohlenen Dosis die von der Kommission E empfohlene Tagesdosis von 4,5 g Droge zu erreichen. Bei den Präparaten F1 bzw. F2 wären beispielsweise über 20 Kapseln erforderlich, um auf eine Tagesdosis von 4,5 g Droge zu kommen.
Die Präparate F4 und F5 weisen sogar Mängel in der Deklaration auf, da das verwendete Extraktionsmittel nicht angegeben wird.
Die relativ wirkstoffreichen Präparate F4, F5 und F7 mit einem Äquivalent von ca. 1 g Droge pro Kapsel fallen durch einen – im Vergleich zu den apothekenpflichtigen Präparaten – niedrigen Gehalt an Harpagosid auf, der im Fall der Präparate F4 und F5 durch die höhere Dosierung ausgeglichen wird, nicht aber beim Präparat F7, dessen Harpagosidgehalt besonders niedrig ist. Dies ist der "Haken" des kostengünstigsten Präparates (s. o.): Um eine äquivalente Menge an Harpagosid aufzunehmen, müsste der Verbraucher eine wesentlich höhere Dosis zu sich nehmen als die aus dem Drogenäquivalent errechnete Menge; damit würde der Kostenvorteil dieses Präparates erheblich kleiner ausfallen. Hier ist die Beratung durch das Fachpersonal in der Apotheke gefragt.
Fazit
Ein Fazit aus den dargestellten Untersuchungen könnte lauten: Günstiger Preis, niedriger Wirkstoffgehalt, eingeschränkte oder gar keine Wirkung, enttäuschter Verbraucher – oder: Höherer Preis, hoher Wirkstoffgehalt, sichere Wirkung, zufriedener Patient. Die meisten Patienten sind nicht mündig genug, um zu erkennen, dass sie bei den meisten freiverkäuflichen Präparaten die Dosis so stark erhöhen müssten, dass sich der Kostenvorteil in sein Gegenteil verkehrt. Hier ist die Beratung durch das Fachpersonal in der Apotheke gefragt.
Apothekenpflichtige Phytopharmaka sind in der Regel qualitativ besser als freiverkäufliche Produkte, aber sie sind auch teurer. Legt man jedoch den Preis pro Extraktmenge zugrunde, sind die apothekenpflichtigen Präparate kostengünstiger als die billigen Produkte im Drogeriemarkt.
Qualitativ schlechte freiverkäufliche Präparate können generell dem Image der pflanzlichen Arzneimittel schaden, denn viele enttäuschte Verbraucher machen keinen Unterschied, wo sie ihre Arzneimittel erworben haben.
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