Arzneimittel und Therapie

Spanische Grippe: Erfolgreiche Serumtherapie auch bei Vogelgrippe?

Zwar ist es stiller geworden um die Vogelgrippe und die drohende Pandemiegefahr, doch im Hintergrund wird weltweit nach brauchbaren Strategien gesucht, mit denen eine näher rückende Influenzapandemie bewältigt werden könnte. Dabei besinnt man sich auch auf Methoden, die während der Spani–schen Grippe im Jahr 1918 angewendet worden sind.

Damals hatte man – in Anlehnung an die schon Anfang des 20. Jahrhunderts von Emil Adolf von Behring entwickelte Serumtherapie – Serum von rekonvaleszenten Grippepatienten zur Therapie neuer Influenzapatienten eingesetzt.

Aus dieser Zeit liegen einige wenige Studien vor, die Aufschluss über den Erfolg der Serumtherapie geben können. Sie wurden jetzt von einer amerikanischen Forschergruppe gesichtet. Auswertbar waren acht Studien mit insgesamt 1703 Patienten. Das Hilfe versprechende Serum hatten dabei meist Patienten mit einer schweren Influenzapneumonie erhalten. Als Vergleichsgruppe dienten die Daten von nicht passiv immunisierten Influenzapneumonie-Patienten aus dem gleichen Krankenhaus oder von der gleichen Station.

Frühzeitige Serumtherapie senkte Todesrate Die Todesrate konnte durch die passive Immunisierung gesenkt werden, statistisch signifikant war der Unterschied jedoch nur in drei Studien. In vier Studien war auch der Frage nachgegangen worden, ob ein frühzeitiger Beginn erfolgversprechender ist als eine passive Immunisierung im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium. Nur zwei von ihnen verfügen über eine Kontrollgruppe, so dass die Aussagekraft begrenzt ist. Trotzdem legen die Auswertungen den Schluss nahe, dass nur diejenigen von der passiven Immuntherapie profitiert haben, bei denen die Therapie in einem frühen Erkrankungsstadium begonnen worden ist. Das deckt sich mit den Erfahrungen, die mit einer passiven Immunisierung bei anderen Infektionskrankheiten gewonnen wurden.

Auf Vogelgrippe übertragbar? Die Autoren der Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass die Serumtherapie bei der Spanischen Grippe vielen Patienten das Leben gerettet hat. Sie sind der Meinung, dass auch bei Vogelgrippe eine passive Immunisierung mit Blutplasma von H5N1-Rekonvaleszenten wirksam sein könnte.

Hohe Sterblichkeit trotz Behandlung Bei einer humanen H5N1-Infektion ist die Gefahr sehr groß, dass die Patienten ein lebensbedrohliches Atemnotsyndrom oder ein multiples Organversagen entwickeln. Die WHO empfiehlt daher, die Patienten umgehend stationär mit Oseltamivir und weiteren intensivmedizinischen Maßnahmen zu behandeln. Trotz einer solchen Behandlung starben 30 bis 80% der ins Krankenhaus eingewiesenen H5N1-Patienten, bei einigen ließen sich resistente H5N1-Virenstämme nachweisen. Die passive Immunisierung könnte eine Alternative sein. Die neuen Methoden der Plasmaaufbereitung erlauben es, pro Woche 1000 bis 1200 ml Serum aus dem Blut eines von der Vogelgrippe genesenden Patienten zu gewinnen. Damit ließen sich gleich mehrere Patienten behandeln. Das Serum wäre schnell verfügbar und könnte vor allem dann helfen, wenn andere geeignete Medikamente wie antivirale Substanzen und Antibiotika rationiert werden müssen. du

Jeder neue Vogelgrippefall ist ein Risiko

Die Vogelgrippe ist immer noch eine Tierseuche, die in seltenen Fällen auf den Menschen überspringen kann. Offiziell sind bisher 236 Menschen (Stand 9. August 2006) an einer H5N1-Infektion erkrankt, 138 haben die Erkrankung nicht überlebt. In den meisten Fällen ließen sich die Infektionen auf Übertragungen durch infiziertes Geflügel zurückführen, doch in einigen wenigen Fällen muss auch von einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung ausgegangen werden.

Das Robert Koch-Institut weist ebenso wie die Weltgesundheitsorganisation weiter darauf hin, dass das Pandemierisiko derzeit so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht. Die effiziente Übertragung von Mensch zu Mensch ist H5N1 bislang noch nicht gelungen. Das Virus kann aber durch ständige Änderungen seines Erbguts oder – schlagartig – durch den Austausch ganzer Gene mit –humanen Influenzaviren die Fähigkeit erlangen, effektiver als bisher Menschen zu infizieren und vor allem effizient von Mensch zu Mensch übertragen zu werden.

Ein solcher Erbgutaustausch könnte in einem Menschen geschehen, der gleichzeitig infiziert ist mit einem Vogelgrippevirus und einem an den Menschen bereits angepassten, jeden Winter zirkulierenden, Grippevirus. Daher bedeutet jeder neue Vogelgrippefall beim Menschen ein gewisses Risiko, falls gleichzeitig die "üblichen" Grippeviren zirkulieren.

Die aktuelle Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, die gemeinsamen Vorbereitungen auf eine Pandemie auf nationaler und internationaler Ebene weiter rasch voranzubringen.

Quelle: Einschätzung des Robert Koch-Instituts zur aktuellen Situation der Vogelgrippe (Aviäre Influenza) Stand 26. Mai 2006. www.rki.de

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