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- DAZ 36/2006
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Die Seite 3
Das GMG mit dem Kombimodell war für die Apotheker ein klarer Schritt zur Honorierung als freie Heilberufler. Auch wenn die Apotheken jahrzehntelang mit wertabhängigen Aufschlägen überwiegend positive Erfahrungen gemacht haben, erschien der Festaufschlag als zeitgemäßer neuer Ansatz. Die Begrenzung der Einkaufsrabatte im AVWG schien den Weg zurück zur kaufmännischen Kalkulation endgültig zu verschließen. Doch möglicherweise haben die Politiker die Bedeutung ihrer eigenen Gesetze nicht zur Kenntnis genommen. Dies wäre noch die harmloseste Erklärung für die neuen Vorschläge zur Apothekenhonorierung im GKV-WSG-Entwurf, der offensichtlich im Widerspruch zum GMG und zum AVWG steht und erstaunlicherweise sogar von einem "Handelszuschlag" der Apotheken spricht. Die Apotheken werden hier wieder als Handelsstufe interpretiert, obwohl sie es hinsichtlich der Preisbildung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht mehr sind. Auch Professor Wille, Vorsitzender des Gesundheitssachverständigenrats, wollte die Apotheken in seinem jüngsten Gutachten wieder in dieser Rolle sehen und sie über eine Handelsspanne am Preiswettbewerb teilnehmen lassen.
Preiswettbewerb unterhalb von Höchstpreisen und möglicher Verzicht auf teilweise preisabhängige Zuzahlungen – wie im GKV-WSG-Entwurf vorgesehen – setzen wertabhängige und hinreichend große Handelsspannen voraus. Oder plakativ ausgedrückt: Wie ein Kaufmann kalkulieren kann nur, wer wie ein Kaufmann honoriert wird. Eine Bezahlung nach einer Gebührenordnung für freiberufliche Leistungen schließt insbesondere wertbezogene Nachlässe aus, weil eine wertbezogene Gegenposition auf der Einnahmeseite fehlt. Oder als Beispiel: Wer bei einem Einkaufspreis von 100 Euro nur 6,38 Euro plus 3 Euro aufschlagen darf, kann nicht auf 10 € Zuzahlung verzichten – und wahrscheinlich nicht mal auf einen für den Patienten spürbaren Teil davon. In einem solchen kaufmännischen Kontext kommt die Schattenseite des Kombimodells zum Tragen.
Ausländische Versandapotheken, die unabhängig von Rabattbeschränkungen einkaufen, haben dagegen andere Möglichkeiten. Das neue Gesetz würde die derzeitige Wettbewerbsverzerrung, die durch feste Preise in deutschen Apotheken entsteht, nicht beheben, sondern durch eine andere Ungleichheit ersetzen. Letztlich provoziert jedes Gesetz, das für Inländer gilt, die ausländischen Wettbewerber aber nicht trifft, ungleiche Rahmenbedingungen. Der eigentliche wettbewerbspolitische Sündenfall war daher, ausländische Wettbewerber in einem überaus streng regulierten Markt zuzulassen, ohne die Durchsetzung gleicher Regeln für alle Anbieter sicherstellen zu können. Diesen Fehler können nachträgliche Änderungen nicht mehr korrigieren, sondern vielleicht sogar eher verschlimmern.
Ob der Widerspruch zwischen der derzeit geltenden Preisbildung und den neuen Wettbewerbskonzepten im GKV-WSG-Entwurf auf Unkenntnis –beruht, mag bezweifelt werden. Die weniger harmlose Erklärung wäre eine schleichende Vorbereitung des Systems auf Apothekenketten. Denn Ketten könnten nur mit Handelsspannen und –Rabatten, aber nicht mit Freiberufler-Honoraren funktionieren. Nur so ist der von Politikern herbeigeredete Preiswettbewerb durch alle Handelsstufen wenigstens theoretisch denkbar. Nur so könnten Ketten die Oligopolgewinne einfahren, ohne die sich das Engagement auf diesem problematischen Markt für keine Kapitalgesellschaft rentieren würde. Dann wäre das neue Gesetz – wenn es so in Kraft treten sollte – einerseits eine Rolle rückwärts in Richtung kaufmännische Honorierung und andererseits vielleicht ein wohl kalkulierter Schritt in Richtung Kette. Im Zusammenhang mit der Entwicklung im Saarland ergäbe dies ein schlüssiges Gesamtbild.
Doch sollten wir nicht müde werden, die Vorteile des Apothekers als freier Heilberufler herauszuarbeiten. Einige Leser der DAZ 34 mögen sich daher gefragt haben, was eine Anzeige, die ganz offen auf eine baldige Änderung der geltenden Rechtslage ausgerichtet zu sein schien, in dieser Zeitung zu suchen hatte. Einige besorgte Rückmeldungen haben die dadurch hervorgerufenen Irritationen erahnen lassen. Was aber wirklich hinter diesem Apothekenverkaufsangebot steckte, verraten wir Ihnen auf Seite 22 in dieser Ausgabe.
Thomas Müller-Bohn
Rolle rückwärts
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