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- DAZ 35/2006
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Arzneimittel und Therapie
Brustkrebs: Trastuzumab schädigt das Herz
Brustkrebspatientinnen mit einem positiven HER-2-Rezeptor-Status profitieren von einer Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab, der sich gegen den bei diesen Patientinnen überexprimierten epidermalen Wachstumsfaktor HER-2 richtet. Betroffen davon sind 20 bis 30% aller Brustkrebspatientinnen. Sie können sowohl beim metastasierten Mammakarzinom als auch in der adjuvanten Behandlung des lokalen Mammakarzinoms auf eine erfolgreiche TrastuzumabBehandlung hoffen. Hochrechnungen zufolge könnte in der adjuvanten Therapie eine um Trastuzumab erweiterte Behandlung Rückfälle und die Sterblichkeit um etwa die Hälfte reduzieren.
Überraschend hohe Herzinsuffizienz-Inzidenz Doch obwohl Trastuzumab generell gut verträglich ist, wurde in Studien zum metastasierten Mammakarzinom eine überraschend hohe Herzinsuffizienz-Inzidenz beobachtet, insbesondere dann, wenn die Patientinnen zusätzlich mit Doxorubicin behandelt worden waren. Vor diesem Hintergrund wurde in den nachfolgenden Studien und hier vor allem in den Studien zur adjuvanten Therapie die Kombination von Trastuzumab mit Anthrazyklinen wie Doxorubicin nach Möglichkeit vermieden. Parallel dazu wurde die Herzfunktion der mit Trastuzumab behandelten Patientinnen engmaschig überwacht. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass unter einer adjuvanten Trastuzumab-Behandlung bei etwa 5% aller Patientinnen systolische Funktionsstörungen auftreten. Etwa 1% der Patientinnen wird eine symptomatische Herzinsuffizienz entwickeln. Schätzungen zufolge treten Herzfunktionsstörungen unter Trastuzumab-Behandlung im Vergleich zu einem Trastuzumab-freien Therapieregime vier- bis fünfmal häufiger auf.
Viele offene Fragen Die Beobachtungen werfen gravierende Fragen auf: Können Frauen, bei denen Herzfunktionsstörungen bekannt sind, mit Trastuzumab behandelt werden? Sollte auf Trastuzumab auch dann verzichtet werden, wenn die Herzerkrankung noch asymptomatisch ist? Prädestinieren die klassischen Risikofaktoren für Herzerkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und eine positive Familienanamnese für eine Trastuzmab-induzierte chronische Herzinsuffizienz?
Ist sie reversibel, wenn Trastuzumab abgesetzt wird? Nimmt ihre Inzidenz mit der Dauer der Trastuzumab-Behandlung zu?
Fragen, auf die eine soeben veröffentlichte retrospektive Analyse zumindest in einigen Punkten ansatzweise Antworten geben kann.
Kardiales Ereignis bei jeder vierten Patientin In der Studie wurden die Daten von 218 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom ausgewertet. Sie waren in der Zeit zwischen 1998 und 2003 mindestens ein Jahr lang mit Trastuzumab behandelt worden. Bei 49 Patientinnen (28%) trat ein kardiales Ereignis auf. Es war definiert als asymptomatischer Funktionsverlust der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) oder als manifeste Herzinsuffizienz. Eine Kardiotoxizität vom Schweregrad 3 wurde immerhin bei 19 Patientinnen (11%) festgestellt. Mit Ausnahme von drei Patientinnen besserten sich die Symptome der Herzinsuffizienz und die linksventrikuläre Herzfunktion nach Absetzen von Trastuzumab. Eine Patientin verstarb an Herzversagen.
Obwohl die Aussagekraft der Studie begrenzt ist, bestand ein höheres Risiko für Trastuzumab-induzierte Herzschäden bei Patientinnen mit schon bestehendem Diabetes mellitus oder koronarer Herzkrankheit. Ein erhöhter Blutdruck schien dagegen das kardiale Risiko unter Trastuzumab genauso wenig zu erhöhen wie ein fortgeschrittenes Alter.
Warum ist Trastuzumab kardiotoxisch? Die HER-2-Rezeptorfamilie ist in vielfältiger Weise an kardialen Entwicklungsprozessen beteiligt. HER-2-Rezeptoren sind bedeutend für die Kardiomyozytenfunktion, deren Wachstum, für Reparaturprozesse und ihr Überleben. So könnte eine Störung kardialer Reparaturmechanismen, an denen HER-2-Rezeptoren beteiligt sind, zu Herzfunktionsstörungen führen. Das könnte wiederum die besondere Gefährdung von mit Anthrazyklinen vorbehandelten Patientinnen erklären (s. Infokasten "Kardiotoxische Anthrazykline"). du
Die Kardiotoxizität von Anthrazyklinen erschwert die Therapie des Mammakarzinoms. Doch auch die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) kann das Herz schädigen, so die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten retrospektiven Untersuchung nach Trastuzumab-Behandlung beim metastasierten Mammakarzinom.
Anthrazykline wirken kardiotoxisch. Zwar haben die modernen Anthrazykline Epirubicin, Idarubicin und Mitoxantron eine größere therapeutische Breite als die klassischen Substanzen Doxorubicin und Daunorubicin, doch auch sie können das Herz schädigen. Bei allen Anthrazyklinen muss zwischen einer frühen, dosisunabhängigen und einer späten, dosisabhängigen Kardiotoxizität unterschieden werden.
Frühe Kardiotoxizität: Bei 40% aller mit Anthrazyklinen behandelten Patienten treten während oder unmittelbar nach der Anthrazyklininfusion kardiale Rhythmusprobleme auf, die aber bei den wenigsten klinisch evident werden. Diese Frühform der Kardiotoxizität steht in keinem Zusammenhang mit später auftretenden kardialen Problemen.
Späte Kardiotoxizität: Die dosisabhängige, später auftretende Herzschädigung lässt sich in vielen Fällen morphologisch nachweisen, führt aber nicht zwingend bei allen Patienten zu klinischen Symptomen. Charakteristisch für die Spätform ist eine Lipidperoxidation an der Mitochondrienmembran von Kardiomyozyten. Sie führt zur Myokardfibrose und damit zur Kardiomyopathie. Eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz mit potenziell tödlichem Ausgang entwickeln 5 bis 6% aller mit Anthrazyklinen behandelten Patienten.
Quelle: Oechsle, K.; Bokemeyer; C.: Kardiotoxizität und ihre therapeutischen Optionen. Im Focus Onkologie 10; 50 -55 (2004).
Langfristig kann auch die radioaktive Bestrahlung bei Mammakarzinom-Patientinnen den Herzmuskel schädigen. Unklar war bislang, ob das auch der Fall ist, wenn Patientinnen nach einer brusterhaltenden Operation mit einer Radiotherapie weiter behandelt werden. Dass auch sie nicht verschont bleiben, hat eine soeben veröffentlichte Untersuchung an 961 Patientinnen ergeben, die in den Jahren 1977 bis 1994 operiert und anschließend bestrahlt worden waren.
Nach zehn Jahren war noch keine erhöhte Inzidenz einer koronaren Herzkrankheit (KHK) festzustellen. Danach stiegen die Erkrankungsrate und die kardialen Todesfälle jedoch an. Bemerkenswert ist, dass Frauen mit linksseitigem Karzinom und damit nach linksseitiger Bestrahlung häufiger eine KHK entwickelten als Frauen nach rechtsseitiger Bestrahlung. 25% der linksseitig bestrahlten Frauen litten unter einer KHK, dagegen nur 10% der rechtsseitig bestrahlten Frauen. Bei der rechtsseitigen Bestrahlung liegt das Strahlenfeld außerhalb des Herzens, so dass das Herz in diesem Fall weniger geschädigt wird als bei linksseitiger Bestrahlung.
Quelle: Harris, E. E. R.; et al.: Late Cardiac Mortality and Morbidity in Early-Stage Breast Cancer Patients After Breast-Conservation Treatment. J Clin. Oncol. Online-Publikation vom 15. August 2006.
Im April 2006 erhielt Trastuzumab (Herceptin®) von der europäischen Zulassungsbehörde EMEA die erweiterte Zulassung für Patientinnen mit HER-2-positivem Brustkrebs im Frühstadium. Trastuzumab kann jetzt bei diesen Patientinnen im Anschluss an eine Operation und nach Durchführung einer Standardchemotherapie eingesetzt werden. Die Zulassung basiert vor allem auf Zwischenergebnissen der HERA (Herceptin Adjuvant)–Studie. Sie wurde im Dezember 2001 begonnen. Es handelt sich um eine randomisierte Multicenterstudie, an der zurzeit etwa 5100 Patientinnen mit HER-2-positivem Mammakarzinom teilnehmen. Sie werden nach einer standardmäßigen Chemotherapie und gegebenenfalls nach einer Strahlentherapie über 12 oder 24 Monate mit Trastuzumab behandelt. Die Zwischenauswertung hatte gezeigt, dass Trastuzumab nach einer Standard-Chemotherapie das Rückfallrisiko um 46% senken konnte.
Auch die britische Behörde NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) hat dem Einsatz von Trastuzumab beim frühen Mammakarzinom zugestimmt, die kardiale Funktion muss allerdings in dreimonatigen Abständen überprüft werden. Verschlechtert sich die linksventrikuläre Auswurffraktion um 10% oder sinkt sie unter einen absoluten Wert von 50%, soll die Therapie abgesetzt oder unterbrochen werden.
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