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- DAZ 35/2006
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Die Seite 3
"Et hät noch immer jut jegange" – sagt der Kölner. Doch Vorsicht. Selbst den hartnäckigsten rheini–schen Frohnaturen unter den Apothekern kommt ihr Optimismus abhanden. Ulla Schmidts BMG ist mit einem Arbeitsentwurf zum "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" (GKV-WSG) weit vorgeprescht. Er sei mit der Leitung nicht abgestimmt, heißt es. Das glaube, wer will. Der Entwurf schafft Fakten. Änderungen erfordern Kraft. Dürfen wir nach der "Kriegserklärung" durch den saarländischen CDU-Minister Hecken, Mitglied der Koalitionsverhandlungskommission zur Gesundheitsreform, noch hoffen, dass eine CDU/CSU, die schon intern nicht einig ist und der SPD beim Aushandeln der Eckpunkte ziemlich auf den Leim gegangen ist, gerade bei den apothekenrelevanten Regelungen noch einmal gründlich nachdenkt und auf Änderungen besteht?
Schon der Titel des "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes" ist ein Euphemismus, ein Etikettenschwindel. Wettbewerb setzt gleich lange Spieße voraus. Davon kann keine Rede mehr sein, wenn durch die angeheizte Kassenfusionitis den Leistungserbringern bald ein Monopol oder kompaktes Kassenoligopol gegenübersteht.
Dem Apothekensystem soll es an die Fundamente gehen. Die ABDA sieht sich getäuscht. Sie hatte 2004 das GMG (Umstellung der Apothekenhonorierung auf Fixbeträge mit einer geringen prozentualen Ergänzung) und in diesem Jahr das AVWG (Beschränkung der Rabatte) im Kern begrüßt. Der Apotheker werde damit in seiner Rolle als freier Heilberuf gestärkt. Dieser Kurs der Politik – so er denn beabsichtigt war, so es nicht nur um Geldbeschaffung ging – findet im GKV-WSG, wenn es nicht noch wesentlich geändert wird, ein abruptes Ende.
Die Gründe dafür sind schwer nachvollziehbar. Zwar sind die GKV-Ausgaben für Arzneimittel seit 1992 um rund 50% gestiegen. Das lag aber an dem massiven Anstieg der Strukturkomponente – neue, teure Spezialpräparate eroberten die Märkte, die Ausgaben in diesem Bereich verdoppelten sich zwischen 1992 und 2002 und seitdem nochmals um den gleichen Prozentsatz. Davon profitierten Apotheken spätestens nach Einführung des Fixhonorars nicht mehr. Die hochpreisigen Arzneimittel sind für Apotheken heute eher Risiko als Ertragsquelle. Das Preisniveau der "normalen" Arzneimittel liegt derzeit knapp unter dem von 1992. In diesem Bereich agieren über 90% der Apotheken. Die Anzahl der Verordnungen im GKV-Segment ist auf rund 60% des Niveaus von 1992 zurückgegangen (so die eher apothekenkritische FAZ vom 28. August 2006).
Die Koalition hat all das im Kern erkannt. Im Eckpunktepapier wird konstatiert, "maßgeblich für den ungebremsten Kostenanstieg bei der Arzneimittelversorgung" sei "unter anderem die zunehmende Zahl von Verordnungen teurer Arzneimittel". "Hochpreisige Spezialpräparate mit neuen Wirkstoffen ... haben einen Anteil von nur 2% an den Verordnungen, verursachen aber 20% der Arzneimittelausgaben".
Vor dem Hintergrund dieser Ursachenanalyse ist völlig unverständlich und ungerechtfertigt, dass die Apotheken erneut für die GKV zur Ader gelassen werden und wie ihnen – vor allem – ein brutaler Systemwechsel aufgezwungen werden soll:
- Zuzahlungs- und Spannenverzicht, weil Höchstpreise an die Stelle von Festpreisen treten. Einer Versandapotheke fällt der Verzicht leichter. Sie kommt, am Absatz und Umsatz orientiert, mit wenig qualifiziertem Personal aus und muss sich in allenfalls lächerlicher Weise am Notdienst und anderen kostenintensiven Serviceleistungen beteiligen. Die Apotheke vor Ort kann Verluste – wenn überhaupt – nur durch Qualitäts- und Leistungseinschränkungen finanzieren.
- Die Kassen dürfen – gegenüber Ärzten und Versicherten – einzelne Apotheken protegieren. Alle anderen Apotheken werden zu Lückenbüßern. Das ist unerträglich. Gleiches gilt, wenn den Kassen erlaubt werden soll, die Versorgung mit Praxis- und Sprechstundenbedarf einzelnen Apotheken zuzuschanzen.
- Unerträglich ist auch, dass Krankenhausambulanzen, die beim Einkauf nicht an die Arzneimittelpreisverordnung und die Rabattrestriktionen des AVWG gebunden sind, erlaubt werden soll, in den ambulanten Bereich Arzneimittel zu verkaufen.
- Nicht zuletzt der vorgesehene erhöhte Kassenrabatt: 23.000 Euro Ertragsverlust drohen der Durchschnittsapotheke. Er ist nur vermeidbar, wenn die Apotheke den gleichen Betrag durch Rabattverträge mit Krankenkassen hereinholen würde. Ein unrealistisches Ansinnen, denn dafür stehen nur Hersteller zur Verfügung, die noch keine Rabattverträge mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Zudem ist unklar, wie diese Regelung mit den Rabattrestriktionen zusammenpasst, die das AVWG den Apothekern verpasst hat.
Die Lunte liegt, sie glimmt. Jetzt sind Wut und Mut gefragt.
Dr. Klaus G. Brauer
Wettbewerb pervers
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