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Arzneimittel und Therapie
Mukopolysaccharidose: Enzymersatztherapie mit Galsulfase
Mukopolysaccharid-Speicherkrankheiten werden durch einen Mangel an spezifischen lysosomalen Enzymen hervorgerufen, die für den Katabolismus von Glykosaminoglykanen benötigt werden. MPS VI ist eine heterogene und multisystemische Störung, die durch den Mangel an N-Acetylgalaktosamin-4-Sulfatsulfatase gekennzeichnet ist. Diese lysosomale Hydrolase katalysiert die Hydrolyse der Sulfatkomponente des Glykosaminoglykans Dermatansulfat. Eine herabgesetzte oder fehlende Aktivität der N-Acetylgalaktosamin-4-Sulfatsulfatase resultiert in der Akkumulation von Dermatansulfat in vielen Zelltypen und Geweben, wodurch es zu zahlreichen funktionellen Störungen kommt.
Betroffene Patienten leiden unter einer Wachstumsretardierung, welche zu schwerer Behinderung führt. Zum Symptomkomplex gehören weiter Knochen- und Gelenkveränderungen (Dysostosis multiplex), sowie Beteiligung innerer Organe mit Hepatosplenomegalie, Herzklappenverdickung und Kardiomyopathie. Die geistige Entwicklung der Erkrankten verläuft jedoch normal.
Die klassische MPS VI verläuft im frühen Erwachsenenalter aufgrund ihrer kardialen Komplikationen, kombinierte Herzklappenverengung und Insuffizienz sowie Kardiomyopathie, tödlich. Durch die Enzymersatztherapie soll eine ausgeglichene Enzymaktivität wiederhergestellt werden, die ausreicht, um das akkumulierte Substrat zu hydrolysieren und eine weitere Akkumulation zu verhindern.
Ersatz des fehlenden Enzyms
Galsulfase ist eine Form des menschlichen Enzyms N-Acetylgalaktosamin-4-Sulfatsulfatase und wird gentechnisch mittels rekombinanter DNA-Technologie gewonnen. Sie wird in der Enzymersatztherapie bei Mukopolysaccharidose VI verwendet. Nach intravenöser Infusion wird Galsulfase rasch aus dem Blutkreislauf entfernt und von Zellen in die Lysosomen aufgenommen, höchstwahrscheinlich über Mannose-6-Phosphatrezeptoren.
So früh wie möglich behandeln
Wie bei allen lysosomalen Speicherkrankheiten sollte mit der Behandlung insbesondere bei schweren Formen so früh wie möglich begonnen werden, damit es nicht zu irreversiblen klinischen Manifestationen kommt. Vor allem junge Patienten unter fünf Jahren, die an schweren Erkrankungsformen leiden, sollten behandelt werden, auch wenn bisher keine Patienten unter fünf Jahren in die Studie der Phase III aufgenommen wurden.
Das empfohlene Dosierregime für Galsulfase beträgt 1 mg/kg Körpergewicht, gegeben einmal wöchentlich als intravenöse Infusion über vier Stunden. Die initiale Infusionsgeschwindigkeit wird angepasst, so dass circa 2,5% der gesamten Lösung während der ersten Stunde und der Rest (ca. 97,5%) in den nächsten drei Stunden infundiert werden.
Gute klinische Wirkung
Die mit Galsulfase durchge-führten drei klinischen Studien konzentrierten sich auf die Bewertung der systemischen Manifestationen von MPS VI wie Leistungsfähigkeit, Gelenkbeweglichkeit, Gelenkschmerzen und Steifigkeit, Obstruktion der oberen Atemwege, manuelle Geschicklichkeit und Sehschärfe.
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Galsulfase wurde in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie mit 39 MPS-VI-Patienten im Alter von fünf bis 29 Jahren bewertet. Die Mehrzahl der Patienten war bei der Vorstellung von kleinem Wuchs, nur eingeschränkt leistungsfähig und zeigte Symptome des Stütz- und Halteapparates. Die Patienten erhielten entweder 1 mg/kg Galsulfase oder ein Placebo jede Woche über insgesamt 24 Wochen. Der primäre Endpunkt für die Bestimmung der Wirksamkeit war die Zahl der in zwölf Minuten in Woche 24 zurückgelegten Meter im Vergleich zu den zu Studienbeginn bewältigten Metern. Die sekundären Wirksamkeitsendpunkte waren die Geschwindigkeit, mit der Treppen in drei Minuten überwunden werden konnten, und die Glykosaminoglykan-Ausscheidung von behandelten Patienten über den Urin im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten in Woche 24. Anschließend wurden 38 Patienten in eine offene Erweiterungsstudie aufgenommen, in der sie 1 mg/kg Galsulfase jede Woche erhielten.
Nach 24-wöchiger Therapie verbesserte sich bei mit Galsulfase behandelten Patienten die in zwölf Minuten gehend zurückgelegte Distanz um 92 ± 40 m gegenüber den mit Placebo behandelten Patienten. Die behandelten Patienten verbesserten sich im dreiminütigen Treppensteigtest um 5,7 Stufen pro Minute gegenüber den mit Placebo behandelten Patienten. Bei den behandelten Patienten ging die Glykosaminoglykan-Ausscheidung auf nahezu normale Werte zurück.
Nebenwirkungen
Sehr häufig traten Ohrenschmerzen, Dyspnoe und Bauchschmerzen auf. Häufige Nebenwirkungen waren: Pharyngitis, Gastroenteritis; Areflexie; Konjunktivitis, Hornhauttrübung; Hypertonie; Apnoe, verstopfte Nase; Nabelhernie; Gesichtsödem; Schmerzen in der Brust, Rigor, Unwohlsein.
Infusionsreaktionen, die durch ein wiederkehrendes Beschwerdemuster während der Galsulfase-Infusion gekennzeichnet sind, wurden bei 30 (56%) der 54 mit Naglazyme® behandelten Patienten quer durch alle klinischen Studien beobachtet. Die Reaktionen traten erstmals bereits in Woche 6 und bis zu Woche 55 der Prüfbehandlung sowie während multipler Infusionen auf, wenn auch nicht immer in aufeinander folgenden Wochen. In den klinischen Prüfungen konnten diese Reaktionen gewöhnlich durch eine Unterbrechung oder Verlangsamung der Infusionsgeschwindigkeit und durch eine (Vor-)Behandlung des Patienten mit Antihistaminika und/oder Antipyretika (Paracetamol) beherrscht werden, so dass der Patient die Behandlung fortsetzen konnte.
Die Mehrzahl der Patienten entwickelte innerhalb von vier bis acht Wochen nach Behandlungsbeginn IgG-Antikörper gegen Galsulfase. 52 der 54 mit Galsulfase behandelten Patienten (96%) quer durch alle Studien wurden positiv auf Antikörper gegen Galsulfase getestet. Die klinische Bedeutung dieser Antikörper ist nicht bekannt. In einem Fall kam es während dieser Studie zu einer Schlafapnoe.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
Bei der Behandlung von Patienten mit Atemwegsproblemen muss mit Vorsicht vorgegangen werden. Der Einsatz von Antihistaminika oder sonstigen sedierenden Arzneimitteln sollte beschränkt oder sorgfältig überwacht werden. Bei Patienten mit akuten fieberhaften Infekten oder Atemwegserkrankungen sollten die Galsulfase-Infusionen verschoben werden.
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Galsulfase bei Kindern unter fünf Jahren und bei Patienten über 65 Jahren sind nicht belegt. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Galsulfase bei Patienten mit Nieren- oder Leberinsuffizienz wurden nicht näher untersucht. Da kaum Erfahrungen zur Wiederaufnahme der Behandlung nach längerer Unterbrechung vorliegen, ist hier aufgrund des theoretisch erhöhten Risikos für eine Überempfindlichkeitsreaktion Vorsicht geboten.
30 bis 60 Minuten vor Infusionsbeginn können die Patienten prämediziert werden (Antihistaminika mit oder ohne Antipyretika), um unerwünschte Reaktionen zu minimieren. Außerdem kann die Infusionsgeschwindigkeit verlangsamt werden. Wie bei jedem intravenös angewendeten Proteinpräparat sind schwere Überempfindlichkeitsreaktionen vom Allergietyp möglich. Bei Auftreten dieser Reaktionen wird ein sofortiger Abbruch der Behandlung und die Einleitung einer entsprechenden medizinischen Behandlung empfohlen.
Keine vollständigen Informationen verfügbar
Galsulfase wurde unter "außergewöhnlichen Umständen" zugelassen. Das bedeutet, dass es aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht möglich war, vollständige Informationen zu diesem Arzneimittel zu erhalten. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) wird jegliche neuen Informationen, die verfügbar werden, jährlich bewerten, und falls erforderlich, wird die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels aktualisiert werden.
Die nicht abgebauten Glykosaminglykane werden in den Lysosomen gespeichert, wodurch der zelluläre Stoffwechsel gestört wird und die Zelle absterben kann. Betroffen sind das Skelettsystem, das ZNS, viszerale Organe, die Haut und das Endokard. Viele Mukopolysaccharidosen führen bereits in jungen Jahren zum Tod.
Je nach Art der Störung werden verschiedene Hauptformen der Mukopolysaccharidosen unterschieden, die wiederum in verschiedene Subtypen unterteilt werden. Diese Subtypen bezeichnen entweder verschiedene klinische Erscheinungsbilder desselben Enzymdefekts (z. B. milde und schwere Form eines Morbus Hunter) oder aber unterschiedliche biochemische Defekte eines klinischen Erscheinungsbilds (z. B. Morquio A und B). Bei fast allen Typen gibt es schwere und mild verlaufende Formen. Eine Zuordnung ist nur durch den klinischen Verlauf und die Geschwindigkeit, mit der die Krankheit fortschreitet, möglich.
- Typ I mit den Subtypen H (Pfaundler-Hurler-Syndrom, Hurler-Krankheit), S (Ullrich-Scheie-Krankheit), H/S (Hurler-Scheie-Variante)
- Typ II (Morbus Hunter, früher Typ V)
- Typ III Sanfilippo-Syndrom (T, mit den Typen A–D)
- Typ IV (Morquio-Syndrom, als Typ IV a = Galaktosamin-6-sulfatase-Mangel; als Typ IV b = Betagalaktosidasemangel)
- Typ VI (Maroteaux-Lamy-Syndrom)
- Typ VII (Morbus Sly, autosomal-rezessiv vererbbare Enzymopathie mit Mangel an b-Glucuronidase, die seltenste MPS)
Einführungsdatum: 1. März 2006
Zusammensetzung: 1 ml Lösung enthält 1 mg Galsulfase. Sonstige Bestandteile: Natriumchlorid, Natriummonohydrogenphosphat, Dinatriumhydrogenphosphat, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke
Packungsgrößen, Preise und PZN: 5 ml, PZN 4839389, nur an krankenhausversorgende Apotheken
Stoffklasse: Verdauungstrakt- und Stoffwechselprodukte, Enzyme. ATC-Code: A16AB
Indikation: langfristige Enzymersatztherapie bei Patienten mit bestätigter Diagnose einer Mukopolysaccharidose VI (MPS VI; N-Acetylgalaktosamin-4-Sulfatsulfatase-Mangel; aroteaux-Lamy-Syndrom).
Dosierung: 1 mg/kg Körpergewicht, einmal wöchentlich als intravenöse Infusion über 4 Stunden
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen: Infusionsreaktionen, die durch ein wiederkehrendes Beschwerdemuster während der Galsulfase-Infusion gekennzeichnet sind, wurden bei 30 (56%) der 54 mit Naglazyme® behandelten Patienten quer durch alle klinischen Studien beobachtet. Weitere unerwünschte Wirkungen: sehr häufig: Ohrenschmerzen, Dyspnoe, Bauchschmerzen, Schmerzen; häufig: Pharyngitis, Gastroenteritis, Areflexie, Konjunktivitis, Hornhauttrübung, Hypertonie, Apnoe, verstopfte Nase, Nabelhernie, Gesichtsödem, Schmerzen in der Brust, Rigor, Unwohlsein.
Wechselwirkungen: Wechselwirkungsstudien wurden nicht durchgeführt.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei der Behandlung von Patienten mit Atemwegsproblemen muss mit Vorsicht vorgegangen werden. Bei Patienten mit akuten fieberhaften Infekten oder Atemwegserkrankungen sollten die Galsulfase-Infusionen verschoben werden. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Galsulfase bei Kindern unter 5 Jahren und bei Patienten über 65 Jahren sind nicht belegt. Da kaum Erfahrungen zur Wiederaufnahme der Behandlung nach längerer Unterbrechung vorliegen, ist hier aufgrund des theoretisch erhöhten Risikos für eine Überempfindlichkeitsreaktion Vorsicht geboten. 30 bis 60 Minuten vor Infusionsbeginn können die Patienten prämediziert werden (Antihistaminika mit oder ohne Antipyretika), um unerwünschte Reaktionen zu minimieren. Wie bei jedem intravenös angewendeten Proteinpräparat sind schwere Überempfindlichkeitsreaktionen vom Allergietyp möglich.
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