Therapieprofile

K. LenneckeAktuelle Evidenz-basierte Migränetherapi

In der Selbstmedikation möchte eine Patientin ASS 500-Tabletten. Wir kommen ins Gespräch und erfahren auf Nachfrage, dass sie die Tabletten gegen regelmäßig auftretende Migräneattacken einnimmt. Die Patientin scheint sich ganz gut auszukennen, sie hat schließlich schon viel Erfahrung mit ihrer Therapie. Schließlich fragt sie: "Gibt es gegen Migräne in der Zwischenzeit nicht etwas Besseres?"

Migränekopfschmerzen mit der uralten Acetylsalicylsäure zu behandeln erscheint altmodisch. Schnell fallen einem modernere Migränetherapeutika ein, die eingesetzt werden könnten. Ist es sinnvoll, die altbewährte Therapie zu ändern und neuere Wirkstoffe einzusetzen? Zur Beantwortung solcher Fragen, bietet sich ein Blick auf die bestehenden Therapieleitlinien der entsprechenden ärztlichen Fachgesellschaften an.

Migräneattacken – mehr als nur Kopfschmerz

Bei der Migräne kommt es attackenweise zu heftigen, häufig einseitigen pulsierend-pochenden Kopfschmerzen. Ein Drittel aller Betroffenen gibt beidseitige Schmerzen an. Einseitiger Migränekopfschmerz kann innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke die Seite wechseln. Typisch für Migränekopfschmerz ist, dass er durch körperliche Bewegung stärker wird.

Gleichzeitig leiden fast alle Patienten bei einer Migräneattacke unter Appetitlosigkeit, zusätzlich unter Übelkeit (80%), Erbrechen (40 bis 50%), Lichtscheu (60%), Lärmempfindlichkeit (50%) sowie unter gesteigerter Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Gerüchen (10%). Bei 15% aller Migränepatienten tritt eine Migräne mit Aura auf. Vor den Kopfschmerzen zeigen sich neurologische Symptome, wie Sehstörungen, halbseitige Sensibilitätsstörungen, Hemiparese oder Sprachstörungen, die innerhalb einer Stunde wieder verschwinden.

Eine Migräneattacke dauert nach Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft vier bis 72 Stunden. Zwischen den Attacken besteht Schmerzfreiheit. Bei Kindern können die Attacken von kürzerer Dauer sein und können auch ohne Kopfschmerz als einzige Symptome Übelkeit, Erbrechen und Schwindel zeigen.

Im vereinfachten Sprachgebrauch werden starke Kopfschmerzen verschiedener Ursachen manchmal "Migräne" genannt, obwohl eine ärztliche Diagnose nicht vorliegt. Häufiger als Migräne ist der Kopfschmerz vom Spannungstyp, auch vereinfacht Spannungskopfschmerz genannt, oder Kombinationen aus beiden Kopfschmerzarten. Auch Clusterkopfschmerz, zervikogener Kopfschmerz oder Analgetika-induzierter Kopfschmerz können von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein (zur Unterscheidung der Kopfschmerzformen siehe Tabelle 1). Für verschiedene Kopfschmerzformen existieren unterschiedliche Behandlungsleitlinien. Deshalb ist für eine rationale Behandlung zunächst eine exakte Diagnose erforderlich.

Zur Diagnosestellung wird der Arzt eine ausführliche Anamnese erheben. Dazu gehören Fragen zur Kopfschmerzhäufigkeit, -dauer, -lokalisation, Schmerzqualität und -intensität, zu Schmerzmitteleinnahme, zu Begleitsymptomen und Triggerfaktoren. Zur Objektivierung der Information sollte der Patient über einige Wochen ein Kopfschmerztagebuch führen. Um die Schmerzintensität zu bestimmen, gibt es Schmerzskalen als Hilfsmittel.

Weitere diagnostische Maßnahmen, z. B. eine Anwendung von bildgebenden Verfahren, zum Ausschluss anderer Ursachen für Kopfschmerzen sind nur erforderlich bei

  • heftigen, unerträglichen Kopfschmerzen nach körperlicher Anstrengung,
  • Fieber, Meningismus,
  • atypischen Kopfschmerzen mit neurologischen Herdsymptomen,
  • neurologischen Ausfällen,
  • kontinuierlicher Verstärkung des Kopfschmerzes,
  • epileptischen Anfällen,
  • Änderung des Schmerzcharakters bei seit langer Zeit bestehendem bekanntem Kopfschmerz.

Evidenz-basierte Migränetherapie

Die Diagnose "Migräne" ist bei unserer Patientin von Seiten ihres behandelnden Arztes bestätigt. Ist denn nun die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) eine angemessene Behandlung oder nicht?

Geben Sie die Frage zurück: Wie nimmt sie die ASS-Tabletten im Verlauf ihrer Migräne ein? Wie lange wartet sie mit der Einnahme nach Auftreten der ersten Migränekopfschmerzen? Wie viel nimmt sie davon ein? Was unternimmt sie zusätzlich? Und die alles entscheidende Frage: Wie geht es ihr damit?

Die Erfolgskriterien für eine erfolgreiche Behandlung einer Migräneattacke in klinischen Studien sind

  • Freiheit von Kopfschmerzen nach zwei Stunden oder zumindest deutliche Verringerung der Schmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht innerhalb von zwei Stunden nach Anwendung des Migränemittels und
  • reproduzierbare Wirkung bei zwei von drei Migräneattacken.

Erreicht unsere Patientin diesen Erfolg mit ihrer Einnahme von ASS-Tabletten, gibt es keinen Anlass, etwas an ihrer Behandlungsstrategie zu ändern. Erreicht sie dieses Ziel allerdings nicht, halten die starken Schmerzen an oder reagiert sie mit Magenschmerzen auf die Einnahme von Acetylsalicylsäure, ist es notwendig und möglich die Therapie anzupassen. Eine anschließende Überlegung geht auf die Häufigkeit ihrer Migräneattacken. Leidet die Patientin häufig unter Migräne, besteht die Möglichkeit einer prophylaktischen Behandlung.

ASS und andere Analgetika – altbekannt und bewährt

Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac-Kalium und Paracetamol sind immer noch die Mittel der ersten Wahl bei leichten und mittelgradigen Migränekopfschmerzen. Die optimale Dosis bei alleiniger oraler Anwendung beträgt für ASS und Paracetamol mindestens 1000 mg, für Ibuprofen 400 bis 600 mg und für Diclofenac-Kalium 50 bis 100 mg. Neuere Studien belegen, dass die Wirksamkeit dieser Arzneistoffe ungefähr gleichwertig ist und der Wirksamkeit von 50 mg Sumatriptan entspricht.

Empfehlenswert bei allen Analgetika ist, die Kopfschmerzen bereits früh zu behandeln und nicht erst zu warten, bis die Schmerzstärke ansteigt. Sobald ein Patient merkt, dass sich eine Migräneattacke entwickelt, sollte er eine ausreichende Dosis des gewählten Arzneistoffs einnehmen. Die Wirkung tritt üblicherweise nach 30 bis 40 Minuten ein.

Acetylsalicylsäure (Dosis 1000 mg) wirkt am schnellsten in der löslich-gepufferten Form der Brausetablette (Aspirin® Migräne). Sie kann jedoch häufig zu Magenschmerzen und Übelkeit führen. Für Patienten mit Magen-Darm-Ulcera in der Anamnese ist die Anwendung von ASS nicht geeignet. Wegen der hemmenden Wirkung auf die Thrombozytenaggregation ist Acetylsalicylsäure für Patienten mit hämorrhagischer Diathese kontraindiziert. Das gleiche gilt für Patientinnen im letzten Schwangerschaftsdrittel.

Ibuprofen (Dosis 400 bis 600 mg, z. B. Aktren®) hat ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie ASS. Zusätzlich können bei hohen Dosierungen Ödeme auftreten. Bei Niereninsuffizienz ist die Anwendung kontraindiziert. Das gleiche gilt für Naproxen (Dosis 500 bis 1000 mg, z. B. Aleve®) und Diclofenac-Kalium (Dosis 50 bis 100 mg, z. B. Voltaren® dolo).

Als Alternative bei Magen-Darm-Ulcera oder Blutungsneigungen steht Paracetamol (Dosis 1000 mg) zur Verfügung. Hier gelten Leberschäden und Niereninsuffizienz als Kontraindikation. Der Wirkstoff wird nach rektaler besser als nach oraler Gabe resorbiert (Benuron® Supp.).

Opioide und Tranquilizer sollten zur Behandlung der Migräne nicht eingesetzt werden. Opioide haben eine begrenzte Wirksamkeit und führen häufig zu Erbrechen. Bei der für die Migräne typischen kurzfristig-hochdosierten Anwendung zeigen sie zudem ein hohes Suchtpotenzial.

Neuere Studien haben ergeben, dass die Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein wirksamer ist als die Kombination ohne Coffein oder als die Einzelsubstanzen. Die Studien wurden mit 500 mg ASS + 500 mg Paracetamol + 130 mg Coffein durchgeführt.

Ein generelles Problem der Analgetikaanwendung ist, dass ein regelmäßiger Gebrauch wiederum zu Kopfschmerz führen kann. Die in der Literatur veröffentlichten Grenzdosen schwanken (siehe Tabelle 2). Zur Sicherheit gilt die Empfehlung, dass Analgetika nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat eingenommen werden sollten (bei Einnahme mehrmals am Tag). Bei der Anwendung gegen Migräne reicht bei der langen Wirksamkeit der Analgetika (Wirkdauer sechs bis acht Stunden) meist eine einmalige Einnahme der empfohlenen Dosis zur Kupierung der Schmerzattacke aus.

Deshalb kann die Begrenzung auf < 15 Tage erweitert werden.

Rechtzeitig beginnen und ausreichend hoch dosieren

Häufig wirkt die analgetische Therapie nicht ausreichend gut, weil sie unterdosiert wird. Die empfohlenen Dosierungen von jeweils meist zwei Tabletten eines Arzneimittels sind notwendig. Viele Migränepatienten warten mit der Einnahme ihrer Schmerzmittel so lange ab, bis sie es nicht mehr aushalten, nehmen dann eine Tablette – das heißt nur die Hälfte der empfohlenen Dosis – ein oder sie nehmen gar keine Medikamente ein. Sie glauben, die Migränekopfschmerzen ertragen zu müssen, weil "ja doch nichts hilft", weil "zu viele Schmerzmittel schlecht sind", weil "Schmerzen ihren Sinn haben".

Wenn diese Patienten die Möglichkeit haben, sich aus ihrem Beruf, aus ihrem Alltagsleben zurückzuziehen, um die Migräneattacke zu überstehen, kann das für sie der richtige Weg sein. Häufiger ist es jedoch so, dass sie unter dem Druck stehen, nicht ausfallen zu dürfen, nicht krank sein zu können, schnell wieder leistungsfähig sein zu müssen. Jede Schmerzattacke setzt sie erneut unter psychischen Druck. Dieser Druck allein und das Arbeiten mit Kopfschmerzen führen zu Verspannungen der Nackenmuskulatur und zusätzlich zu Spannungskopfschmerz, der unzureichend behandelt oft chronifiziert.

Um eine lange Arbeitsunfähigkeit, psychischen Druck und eine Chronifizierung des Kopfschmerzes zu vermeiden, ist es sinnvoll, eine Migräneattacke frühzeitig wirksam zu behandeln.

Antiemetika – nicht nur gegen die Übelkeit

Die meisten Patienten leiden während der Migräneattacke unter gastrointestinalen Symptomen, wie Übelkeit und Erbrechen. Deshalb verordnet ihnen der behandelnde Arzt häufig Metoclopramid (MCP) oder Domperidon.

Fragen wir unsere Patientin, ob sie z. B. MCP-Tropfen zur Verfügung hat, so wird sie wahrscheinlich zustimmen. Bei der Frage, ob sie diese denn regelmäßig einnimmt, verneint sie. Sie nehme es nur, wenn sie sich übergeben müsste.

Die verordneten Antiemetika wirken aber nicht nur gegen die störenden Symptome, sondern sie führen zu einer Wiederanregung der Magenperistaltik und damit zu einer verbesserten Resorption der eingenommenen Analgetika oder Triptane. Sie sollten also nicht eingenommen werden, um Erbrechen zu behandeln, sondern als Co-Medikation, um eine analgetische Behandlung zu unterstützen.

Verwendet werden Metoclopramid (MCP) in einer Dosierung von 10 bis 20 mg peroral oder 20 mg rektal oder Domperidon (20 bis 30 mg peroral). Sie sind kontraindiziert bei Kindern unter 14 (MCP) bzw. zehn Jahren (Domperidon), bei Patienten mit Hyperkinesie, Epilepsie und Frauen in der Schwangerschaft. Parkinson-Patienten sollten auf das zentral wirksame Metoclopramid verzichten und ausschließlich Domperidon verwenden. Als Nebenwirkung bei langfristiger Anwendung treten innere Unruhezustände und sehr selten Dyskinesien auf.

Triptane – modern und hilfreich

Wenn Antiemetika in Kombination mit Analgetika in ausreichender Dosierung nicht entsprechend wirken, stehen Migränepatienten Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptor-Agonisten (siehe Tabelle 3), nach den Wirkstoffnamen auch "Triptane" genannt, zur Verfügung. Sie werden eingesetzt bei mittelgradig bis schweren Migränekopfschmerzen und wenn andere Analgetika nicht ausreichend wirken.

In Studien zeigt sich, dass sie im Durchschnitt nicht oder nur gering besser sind als ASS plus MCP. Allerdings wirken sie bei 60% der Patienten, die mit Acetylsalicylsäure nicht ausreichend behandelt werden können.

Triptane wirken zu jedem Zeitpunkt innerhalb einer Migräneattacke, sie können also auch erst im Verlauf der Kopfschmerzattacke eingenommen werden. Neu ist die Erkenntnis, dass sie doch umso besser wirken, je früher sie eingenommen werden. Sobald ein Patient weiß, dass sich eine Migräneattacke anbahnt, sollte er sein Triptan einnehmen. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient eindeutig seine Migräne von einem Spannungskopfschmerz unterscheiden kann. Denn Triptane sind spezifische Migränemittel, die beim Spannungskopfschmerz nicht wirken.

Wichtig: den Einnahmezeitpunkt beachten

Die möglichst frühzeitige Einnahme gilt jedoch nur bedingt für Patienten, die unter einer Migräne mit Aura leiden. Unter einer Aura wirken die Triptane nicht. Das Medikament sollte erst nach Abklingen der Aura mit Beginn der Kopfschmerzen eingenommen werden.

Bei lang andauernden Migräneattacken kann es vorkommen, dass der Kopfschmerz bei Nachlassen der pharmakologischen Wirkung der Triptane wieder aufkommt (headache recurrence). 15 bis 40% der Patienten sind davon betroffen. In diesem Fall kann der Patient eine zweite Dosis anwenden. Der Einnahmeabstand zwischen beiden Dosen sollte je nach Wirkstoff zwei bis vier Stunden nicht unterschreiten.

Die auf dem Markt befindlichen Arzneimittel mit Triptanen als Wirkstoff unterscheiden sich in ihrer Wirkkinetik. Die kürzeste Zeit bis zum Wirkeintritt besteht für die subkutane Gabe von Sumatriptan (ca. zehn Minuten), Nasensprays wirken im Allgemeinen schneller als Tabletten oder Sublingualtabletten. Im Schnitt dauert es 30 bis 60 Minuten bis zum Wirkeintritt. Der Wirkungseintritt von Naratriptan und Frovatriptan ist im Vergleich mit anderen Triptanen verzögert, er liegt bei bis zu vier Stunden. Vorteil dieser Mittel ist die geringere Rate an wieder auftretenden Kopfschmerzen (headache recurrence) und eine niedrigere Rate an Nebenwirkungen.

Um diese headache recurrence zu vermeiden, kann es auch hilfreich sein, gleichzeitig mit dem Triptan oder um einige Stunden versetzt ein langwirksames Analgetikum einzusetzen. Sollte bei einer Migräneattacke die erste Dosis allerdings einen Kopfschmerz nicht gebessert haben, hilft auch eine zweite Dosis nicht. Zeigt ein Triptan bei drei aufeinander folgenden Migräneattacken keine Wirkung, kann ein anderes Triptan wirksam sein.

Kontraindikationen beachten

Mögliche unerwünschte Wirkungen der Triptane sind Enge- und Hitzegefühl im Brust- und Halsbereich und Übelkeit. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen, wie z. B. Myokardinfarkt, schwere Herzrhythmusstörungen und Schlaganfall, wurden bei der Anwendung von Sumatriptan in einer Häufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet. Bei fast allen diesen Patienten lagen Kontraindikationen vor. Triptane sind kontraindiziert bei Herzinfarkt, transitorischen ischämischen Attacken oder Schlaganfall in der Anamnese, bei koronarer Herzkrankheit, Koronarspasmen, peripheren vaskulären Erkrankungen, Hypertonie oder schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Eine Kombination mit Ergotaminderivaten und anderen Triptanen ist wegen des gesteigerten Risikos von Koronarspasmen zu vermeiden. Es liegen noch keine Erfahrungen bei Kindern unter zwölf Jahren und Patienten über 65 Jahren vor. Das gleiche gilt für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit.

Alle Triptane können zu einer Zunahme der Attackenfrequenz und zu einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz führen. Triptane sollten deshalb nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat eingenommen werden.

Ergotaminderivate – mit Vorsicht und Bedacht

Das höchste Risiko für Analgetika-bedingte Kopfschmerzen birgt die Einnahme von Ergotaminderivaten. Der entstehende Ergotamin-Kopfschmerz ist von einer Migräneattacke kaum zu unterscheiden.

Empfohlen wird Ergotamin daher nur noch bei sehr langen Migräneattacken und häufigem Wiederauftreten von Kopfschmerzen. Patienten, die ihre Migräne erfolgreich mit Ergotamin behandeln, unter keinen Nebenwirkungen leiden und keine Dosissteigerung benötigen, können weiterhin damit behandelt werden. Auf dem Markt steht nur noch Ergotamintartrat (Ergo-Kranit® Migräne) zur Verfügung. Auch hier gilt die zeitliche Begrenzung der Einnahme auf maximal zehn Tage im Monat.

Häufige unerwünschte Wirkungen des Ergotamins sind Erbrechen, Übelkeit, Kältegefühl, Muskelkrämpfe und Dauerkopfschmerzen. Es gibt eine Reihe von Anwendungbeschränkungen für Mutterkornalkaloide. Sie dürfen nicht eingesetzt werden in Schwangerschaft und Stillzeit, bei Kindern unter zwölf Jahren, Patienten mit multiplen vaskulären Risikofaktoren, dazu gehören schlecht eingestellte Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris, Myokardinfarkt in der Vorgeschichte, Morbus Raynaud, arterielle Verschlusskrankheit der Beine, transitorische ischämische Attacken oder Schlaganfall. Außerdem gelten schwere Leber- und Niereninsuffizienz als Kontraindikationen.

Migräneprophylaxe – besser vorbeugen

Bei häufigen Migräneattacken wird eine Migräneprophylaxe empfohlen. Die Indikation ist folgendermaßen festgelegt:

  • bei drei und mehr Migräneattacken pro Monat,
  • bei Migräneattacken, die regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten,
  • bei Attacken, die auf eine Therapie entsprechend den Empfehlungen nicht ansprechen,
  • bei intolerablen Nebenwirkungen der empfehlungsgerechten Therapie,
  • bei Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme der Analgetika häufiger als an zehn Tagen im Monat,
  • bei komplizierten Migräneattacken mit lang anhaltenden Auren.

Die Prophylaxe ist sinnvoll, um die Häufigkeit der Schmerzattacken zu reduzieren und damit die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und lange Arbeitsausfallzeiten zu verhindern, aber auch um die Akutbehandlung zu minimieren und das Risiko des Analgetika-bedingten Kopfschmerzes gering zu halten.

Mittel der ersten Wahl sind immer noch die Betablocker Metoprolol und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin, und die Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure (siehe Tabelle 4). Während Valproinsäure nicht für die Migräneprophylaxe zugelassen ist, ihre Anwendung also einen off-label-use darstellt, steht für Topiramat mit Topamax® Migräne ein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung. Migräneprophylaktika der zweiten Wahl sind neben Bisoprolol, Naproxen, Gabapentin (off-label-use), ASS, Magnesium und Amitriptylin auch Pestwurz (Petasites hybridus) und Mutterkraut (Tanacetum parthenium, engl. Feverfew, franz. Partenelle). Pestwurz (Petadolex®) hat seine Wirksamkeit in zwei placebokontrollierten Studien bewiesen. Mutterkraut ist in anderen Ländern als Migränetherapeutikum zugelassen, z. B. in der Schweiz (Arkokaps® Partenelle) oder in Canada (Tanacet® 125 mg).

Allgemeine Maßnahmen

Neben der medikamentösen Therapie werden alle Migränepatienten auch ihr Verhalten während der Migräneattacken ändern. Da körperliche Anstrengung den Schmerz steigert, werden die Patienten sich ruhig verhalten, sich zurückziehen und möglichst in einem abgedunkelten Raum abwarten, bis die Attacke vorüber ist. Manche Auslöser von Migräneattacken sind vermeidbar. So kann der Patient versuchen, einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus einzuhalten und bestimmte Speisen und Alkoholika zu meiden. Andere Auslöser, wie Stress, Wetterwechsel, Lärm, Licht, Gerüche und Hormonschwankungen lassen sich nur bedingt beeinflussen. Allerdings gibt es in der Zwischenzeit wissenschaftliche Belege dafür, dass Ausdauersportarten, wie Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren einen positiven Effekt auf Stärke und Häufigkeit von Migräneattacken haben.

Zudem können einige psychologische Entspannungstechniken helfen, mit der Migräne umzugehen. Eindeutige Belege gibt es z. B. für die progressive Muskelentspannung nach Jacobson und das thermale Finger-Biofeedback. Die Beurteilung anderer Verfahren, wie autogenes Training, Yoga, Meditation oder Hypnose, ist auf Grund fehlender Untersuchungen nicht möglich.

In der Selbstmedikation möchte eine Patientin ASS 500-Tabletten. Die Patientin scheint sich ganz gut auszukennen, sie hat schließlich schon viel Erfahrung mit ihrer Therapie. Schließlich fragt sie: "Gibt es nicht gegen Migräne in der Zwischenzeit etwas Besseres?" Migränekopfschmerzen mit der uralten Acetylsalicylsäure zu behandeln erscheint altmodisch. Schnell fallen einem modernere Migränetherapeutika wie die Triptane ein, die eingesetzt werden könnten. Ist es sinnvoll, die altbewährte Therapie zu ändern und neuere Wirkstoffe einzusetzen? Zur Beantwortung solcher Fragen bietet sich ein Blick in die aktuellen Therapieleitlinien der entsprechenden ärztlichen Fachgesellschaften an, die wir für Sie aufgearbeitet haben.

Empfehlungen zur Migränetherapie

Empfehlungen zur Migränetherapie – orientiert an den aktualisierten Leitlinien der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). www.dmkg.de www.dgn.org

Tipp

Triptane wirken besser, wenn sie zu Beginn einer Migräneattacke eingenommen werden, solange der Kopfschmerz noch leicht oder mittelschwer ist.

Tipp

Antiemetika sollten nicht nur eingenommen werden, um Erbrechen zu behandeln, sondern als Co-Medikation, um eine analgetische Behandlung zu unterstützen.

Therapie der Migräneattacke und Migräneprophylaxe

Die wichtigsten Empfehlungen und der jeweilige Evidenzgrad (A bis C) nach den aktualisierten Leitlinien der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie:

  • Die 5-HT1B/1D-Agonisten sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken (A).
  • Ergotamin ist bei Migräne wirksam. Allerdings ist die Wirksamkeit in prospektiven Studien schlecht belegt (B).
  • Nicht-Opioidanalgetika und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sind bei der Behandlung der Migräne wirksam (A).
  • Die Wirksamkeit nicht-medikamentöser Verfahren wurde in kontrollierten Studien kaum untersucht (C).
  • Bei häufigen Migräneattacken sollte eine Migräneprophylaxe begonnen werden (A).
  • Migräneprophylaktika der ersten Wahl sind die Betablocker (A) Metoprolol und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin (A), und die Antikonvulsiva Valproinsäure (A) und Topiramat (A).
  • Migräneprophylaktika der zweiten Wahl sind der Betablocker Bisoprolol (B), Naproxen (B), Acetylsalicylsäure (C), Magnesium (C), Pestwurz (B), Mutterkraut (B) und Amitriptylin (B).
  • Die medikamentöse Therapie sollte durch nicht-medikamentöse Verfahren der Verhaltenstherapie (A) und durch Ausdauersport (B) ergänzt werden.
  • Patienten mit einer hochfrequenten Migräne (3– drei Attacken/Monat) sowie erheblicher Einschränkung der Lebensqualität sollten einer psychologischen Therapie zugeführt werden (A).

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.