- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 8/2005
- Die Integrierte ...
Management
Die Integrierte Versorgung – Modell der Zukunft?
Für die Umsetzung der Integrierten Versorgung sind sowohl flächendeckende Konzepte wie der im Dezember zwischen Hausärzteverband, Deutschem Apothekerverband und der Barmer Ersatzkasse abgeschlossene "Vertrag zur Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken", der für Apotheker wie für Ärzte als sog. Beitrittsvertrag konzipiert ist, denkbar als auch solche mit regionalem Bezug, bei denen das Konzept in der Regel von den beteiligten Leistungserbringern entwickelt wird.
Der Vorteil der Beitrittsverträge liegt auf der Hand. Für die beitretenden Leistungserbringer entfällt der nicht zu unterschätzende Aufwand für Konzeption und Ausarbeitung des Versorgungsangebotes, der dem Abschluss eines Integrationsvertrages vorausgeht.
Für einzelne Leistungserbringer oder Zusammenschlüsse einzelner Leistungserbringer, die zudem zunächst die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für einen Vertragsabschluss schaffen müssen, stellt hingegen der zeit- und kostenintensive Aufwand zur Entwicklung eines Integrationsmodells ein erhebliches unternehmerisches Risiko dar, denn der Abschluss von Integrierten Versorgungsverträgen ist freiwillig und damit selbst bei einem überzeugenden Konzept keineswegs garantiert. Dabei kann man derzeit beobachten, dass sich Krankenkassen beim Abschluss von Integrationsversorgungsverträgen häufig leichter durch aufgezeigte mögliche Einsparpotentiale als durch weiterentwickelte integrative Versorgungsstrukturen überzeugen lassen.
Angebot begrenzen – Risiko minimieren
Darüber hinaus sollten die Beteiligten bei Verträgen, die die Übernahme der Budgetverantwortung insgesamt oder für definierte Teilbereiche vorsehen (vgl. § 140c SGB V), berücksichtigen, dass sie damit einen Teil des Morbiditätsrisikos übernehmen, da aus der Vergütung für die Integrierte Versorgungsform sämtliche Leistungen, die von den Versicherten im Rahmen des vertraglichen Versorgungsauftrages in Anspruch genommen werden, zu vergüten sind. Um das wirtschaftliche Risiko kontrollieren zu können, besteht für Leistungsanbieter die Möglichkeit, das Versorgungsangebot auf spezifische Krankheitsbilder mit kalkulierbarem Aufwand beschränken.
Für den Abschluss eines Integrationsversorgungsvertrages ist aber nicht nur von Bedeutung, einen geeigneten Vertragspartner auf Kassenseite zu finden, sondern auch, dass Patienten gewonnen werden können, die sich vom Vorteil der Integrierten Versorgung überzeugen lassen. Die zu erwartenden Reaktion der Versicherten auf die neuen Versorgungsangebote darf noch zu den noch nicht ausreichend abzuschätzenden Unbekannten im Zusammenhang mit der Umsetzung Integrierter Versorgungsverträge gezählt werden.
Auch wenn Integrierte Versorgungsangebote verbesserte Leistungsstrukturen vorsehen und über die bereits im Rahmen der Regelversorgung geschuldete qualitätsorientierte Zusammenarbeit der Leistungsanbieter untereinander hinausgehen, hängt der dauerhafte Erfolg eines Versorgungsangebotes auch davon ab, ob sich eine ausreichende Anzahl an Versicherten bereit findet, an den neuen Versorgungsformen teilzunehmen.
Verbesserte Versorgung als Anreiz
Für Versicherte ist nach dem Gesetz die Teilnahme an Projekten zur Integrierten Versorgung freiwillig (§ 140a Abs. 2 Satz 1 SGB V), so dass für diese Anreize bestehen müssen, damit sie sich für die integrierte Versorgung entscheiden. Mit der Reformierung der Vorschriften zur integrierten Versorgung zum 01.01.2004 durch das GMG hat der Gesetzgeber aber die ursprüngliche Boni-Regelung (§ 140g SGB V a. F.), die die Möglichkeit eröffnete, Versicherten für die Teilnahme an der Integrierten Versorgung einen Bonus zu gewähren, ersatzlos gestrichen.
Der Gesetzgeber steht nunmehr auf dem Standpunkt, dass die Möglichkeit der Bonusgewährung den Spielraum für die auszuhandelnde Vergütung verengt und damit der Bereitschaft der Leistungserbringer zum Einstieg in die Integrierte Versorgung abträglich sein könnte. Damit verbleibt im Wesentlichen als Anreiz für die Versicherten, dass diese eine qualitativ verbesserte, patientenorientierte Versorgung erwarten dürfen. Dies wiederum setzt eine ausreichende Information der Versicherten über die Inhalte und Vorzüge des Integrierten Versorgungsvertrages voraus, um sie vom Vorteil der Teilnahme zu überzeugen.
Es sind aber auch mögliche Nachteile mit der Teilnahme an der Integrierten Versorgung verbunden, die für die Teilnahmebereitschaft der Versicherten von Bedeutung sein können. Bei der Inanspruchnahme von Leistungen durch Versicherte ist in Integrierten Versorgungsformen zugleich eine Konzentration auf die am Integrationsvertrag beteiligten Leistungserbringer verbunden. Dies mag bei Verträgen wie dem "Vertrag zur Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken", der dem Versicherten letztlich noch eine Auswahl unter verschiedenen am Vertrag beteiligten Leistungserbringern belässt, nicht so stark ins Gewicht fallen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Patienten nur bedingt Einschränkungen bei der freien Wahl der Leistungserbringer in Kauf nehmen.
Darüber hinaus sind datenschutzrechtliche Bedenken, dass die Integrierte Versorgung den "gläsernen Patienten" fördert, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Für die Vertragspartner eines Versorgungsvertrages sieht § 140b Abs. 3 SGB V vor, dass diese eine Dokumentation sicherzustellen haben, die allen an der Integrierten Versorgung Beteiligten zugänglich sein muss. Der reibungslose, zeitnahe und umfassende Informationsaustausch zur Koordination der Behandlungsabläufe unter den Leistungserbringern darf angesichts der Ziele der Integrierten Versorgung als notwendig angesehen werden, andererseits führt er aber auch dazu, dass den Beteiligten mehr Informationen über den Patienten zur Verfügung stehen als dies in der Regelversorgung der Fall ist.
Höhere Beiträge unwahrscheinlich
Mit einer kurzfristigen zusätzlichen Belastung der Versichertengemeinschaft durch höhere Beitragssätze durch den Abschluss von Integrationsversorgungsverträgen ist indessen wohl nicht zu rechnen. Zwar regelt § 140b Abs. 4 Satz 2 SGB V die gezielte Aufhebung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für Integrationsversorgungsverträge, die bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, so dass die Krankenkassen ohne eigenes finanzielles Risiko den hohen Investitionskosten bei der Umsetzung von Versorgungsverträgen mit einer entsprechenden Beitragserhöhung Rechnung tragen dürfen.
Das Finanzvolumen der bestehenden Verträge schöpft aktuell aber nur einen Bruchteil der jährlich mit etwa 780 Millionen Euro zu veranschlagenden Anschubfinanzierung, die dem stationären und ambulanten Sektor entnommen wird, aus, so dass Beitragerhöhungen zwar nicht ausgeschlossen, aber dennoch nicht zu erwarten sind.
Nach einjähriger Umsetzungsphase seit Reformierung der gesetzlichen Vorgaben zeigen die bisher zur Integrierten Versorgung abgeschlossenen Verträge noch nicht, welches Potential in der Integrierten Versorgung steckt. Nur in den wenigstens Fällen liegen Integrationsmodellen tatsächlich Ansätze einer integrativen Weiterentwicklung der Versorgung zugrunde. Auch die Einbindung von Apotheken geschieht nur zögerlich, obwohl die Apotheken ihre pharmazeutische Kompetenz sinnvoll einbringen können. Für einen kurzfristigen Einstieg in die Integrierte Versorgung steht Apotheken zumindest der Weg über Beitrittsverträge wie dem Vertrag zur Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken offen.
Die Serie im Überblick Zu "Integrierte Versorgung" Teil 1 und 2 siehe DAZ Nr. 47 vom 18. 11. 2004, Seite 59 und DAZ Nr. 49 vom 2. 12. 2004, Seite 88.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.