Arzneimittel und Therapie

Kardiovaskuläre Verträglichkeit von Lumiracoxib

Im Vergleich zu herkömmlichen nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAID) zeichnen sich Coxibe durch eine gute gastrointestinale Verträglichkeit aus, die allerdings – zumindest bei Coxiben der ersten Generation wie Rofecoxib (Vioxx®) – mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko erkauft wird. Ist der Vorteil der Coxibe immer mit kardiovaskulären Nebenwirkungen verbunden oder gibt es substanzspezifische Unterschiede? Mit dieser Frage befasste sich die TARGET-Studie, in der Lumiracoxib mit Ibuprofen und Naproxen verglichen wurde.

Lumiracoxib ist ein neuer selektiver COX-2-Hemmer der zweiten Generation, der in Deutschland noch nicht zugelassen ist. Im Gegensatz zu den anderen Coxiben der zweiten Generation besitzt er ein Phenylessigsäure-Grundgerüst und enthält keinen Schwefel im Molekül. Die Grundstruktur zeigt eher eine Verwandtschaft zu Diclofenac als zu den anderen durchwegs trizyklischen Coxiben. Der pKa-Wert liegt bei 4,7.

Im Vergleich zu anderen Coxiben besitzt Lumiracoxib eine relativ kurze Plasmahalbwertszeit von drei bis sechs Stunden. Lumiracoxib (Prexige®; Hersteller Novartis) ist zur symptomatischen Therapie von Schmerzen und Arthritis in 17 Ländern zugelassen, unter anderem in Großbritannien, Australien und verschiedenen Ländern Lateinamerikas. Für Deutschland liegt noch keine Zulassung vor. Die Schweizer Novartis AG wird bei der US-Gesundheitsbehörde FDA möglicherweise nur eine eingeschränkte US-Marktzulassung für Lumiracoxib beantragen.

Die TARGET-Studie

Für die TARGET-Studie (The Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial) wurden 18.325 Osteoarthritis-Patienten im Alter von 50 Jahren oder älter randomisiert und erhielten ein Jahr lang entweder einmal täglich 400 mg Lumiracoxib (9156 Patienten), zweimal täglich 500 mg Naproxen (4754 Patienten) oder dreimal täglich 800 mg Ibuprofen (4415 Studienteilnehmer). 24% aller Patienten nahm zusätzlich niedrig dosierte Acetylsalicylsäure zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen ein. Der primäre Studienendpunkt war die Häufigkeit gastrointestinaler Komplikationen (Blutungen, Perforationen, Obstruktionen). Die Rate kardiovaskulärer Ereignisse wurde durch die Endpunkte Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen ermittelt. 61% aller Teilnehmer beendete die multizentrische Studie.

Unterschiedlicher Benefit

Für Patienten, die keine Acetylsalicylsäure einnahmen, betrug die kumulative Einjahres-Inzidenz gastrointestinaler Komplikationen nach Einnahme von Lumiracoxib 0,25% und 1,09% nach Einnahme von Ibuprofen oder Naproxen. Das bedeutet eine rund 80%ige Reduktion gastrointestinaler Ereignisse bei Einnahme des Coxibs im Vergleich zu Ibuprofen und Naproxen (p < 0,0001). Eine statistisch signifikante Reduktion gastrointestinaler Ereignisse ergab sich auch für die gesamte Studienpopulation (also nicht differenziert nach Acetylsalicylsäure-Einnahme), aber nicht für Patienten, die Acetylsalicylsäure einnahmen. Das heißt, nur Patienten, die keine Acetylsalicylsäure einnahmen, hatten deutlich weniger gastrointestinale Nebenwirkungen unter einer Coxib-Therapie als bei der Behandlung mit herkömmlichen nicht-selektiven Antirheumatika.

Die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse zeigte in den unterschiedlichen Behandlungsgruppen keine statistische Relevanz. Unter der Einnahme von Lumiracoxib lag die Rate bei 0,65%, unter der Einnahme von Naproxen und Ibuprofen bei 0,55%.

Kritischer Kommentar

Die TARGET-Studie wird in einem Begleitkommentar kritisch bewertet. Diesem zufolge sollte die niedere Rate kardiovaskulärer Komplikationen vorsichtig betrachtet werden, da viele Risikopatienten (z.B. Patienten mit Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronaren Bypässen oder kongestivem Herzversagen) von der Studie ausgeschlossen waren und nur weniger als 2% der Studienteilnehmer zu kardiovaskulären Risikopatienten zählten. Zu Bedenken ist ferner eine potenzielle Lebertoxizität des Coxibs, auf die ein erhöhter Transaminasenanstieg hinweist.

Die Kommentatoren der Studie ziehen folgende Bilanz: Bei Patienten, die keine niedrig dosierte Acetylsalicylsäure einnehmen, sind die gastrointestinalen Komplikationen reduziert, das Risiko einer potenziellen Lebertoxizität bleibt aber bestehen. Bei Patienten, die niedrig dosierte Acetylsalicylsäure einnehmen, ist es schwer, die Coxib-Einnahme zu rechtfertigen, da bei diesen Patienten der gastrointestinale Benefit des Coxibs weitgehend verloren geht, das kardiovaskuläre Risiko und die Hepatotoxizität aber bestehen bleiben.

Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

 

Quelle

Schnitzer, T.; et al.: Comparison of lumira- coxib with naproxen and ibuprofen in the Therapeutic Arthritis Research and Gas- trointestinal Event Trial (TARGET), re- duction in ulcer complications: randomi- sed controlled trial. Lancet 364, 665-674 (2004).
Topol, E.; et al.: A coxib a day won`t keep the doctor away. Lancet 364, 639-640 (2004).

 

Studien mit Daten zum kardiovaskulären Risiko von Coxiben

  • Die APPROVe-Studie war eine auf drei Jahre geplante Studie zur Prävention des Wiederauftretens kolorektaler Polypen bei 2600 Patienten mit kolorektalem Adenom. Nach 18-monatiger Einnahme von Rofecoxib erhöhte sich die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen auf das Doppelte. Folge: Marktrücknahme von Rofecoxib (Vioxx®).
  • Die VIGOR-Studie untersuchte die gastrointestinale Sicherheit von Rofecoxib im Vergleich zu Naproxen während rund neun Monaten. Auch hier zeigte sich eine deutlich erhöhte Inzidenz für myokardiale Infarkte in der Rofecoxib-Gruppe.
  • In der CLASS-Studie (Vergleich Celecoxib mit Ibuprofen/Diclofenac) wurde für Celecoxib keine erhöhte kardiovaskuläre Toxizität festgestellt. Allerdings war die Studiendauer auf sechs Monate beschränkt, so dass Aussagen zur Langzeiteinnahme fehlen. Ferner nahmen Risikopatienten zusätzlich niedrig dosierte Acetylsalicylsäure ein. Durch die Kombination von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und dem Coxib gingen zwar die gastrointestinalen Vorteile des Coxibs verloren, ein Ansteigen des kardiovaskulären Risikos konnte aber verhindert werden.

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