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DAZ aktuell
Krisenmanagement in der GKV nach St. Florian (Meinung)
Bei den Verantwortlichen bundesdeutscher Krankenkassen scheint wieder einmal Alarmstimmung zu herrschen. Grund der Nervosität sind, wie könnte es anders sein, die steigenden Ausgaben der Kassen bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen, die den Sachwaltern der Beiträge der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung dieses Landes schon bald wieder defizitäre Bilanzen bescheren dürften. Als Schuldige hat man schnell die üblichen Verdächtigen identifiziert, allen voran die Apothekerschaft, deren pharmazeutische Leistungen man im Jahr 2004 mit der Summe von 3,62 Mrd. Euro entlohnte, ein Betrag, der 2005 bei sinkender Packungsanzahl aber insgesamt gestiegenen Ausgaben für Arzneimittel wieder knapp erreicht werden dürfte. Der Anstieg der GKV-Arzneimittelkosten unterm Strich hat seine Ursache hauptsächlich in dem Wegfall der von der Industrie mittels des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) erzwungenen Rabatte.
Übrigens verdient auch der Staat mit der 16-prozentigen Mehrwertsteuer an den Arzneimittelkosten kräftig mit und hat auf diesem Wege 2004 ca. drei Mrd. Euro eingenommen. Auch über eine Absenkung dieses Betrages sollte im Rahmen der Kostendebatte bei Arzneimittel erneut diskutiert werden, zumal Deutschland hier nach Dänemark (25%), Österreich (20%) und der Slowakei (19%) an der Europäischen Spitze rangiert. In fast allen anderen EU-Ländern gilt für Arzneimittel ein reduzierter Mehrwertsteuersatz oder sogar gar keine Mehrwertsteuer.
Von Fakten dieser Art unbeeindruckt wollen die Krankenkassen den Betrag, den die Apotheken für ihre pharmazeutischen Leistungen erhalten, von 8,10 Euro pro Arzneimittel auf 6,10 Euro und damit um 25% senken, wobei derzeit schon ein Rabatt von zwei Euro zwangsweise abgezogen wird, der natürlich beibehalten werden soll. Abgesehen davon, dass ein solcher Kahlschlag die von den Apotheken geleistete flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung im bisher geleisteten Umfang mit ziemlicher Sicherheit beenden dürfte, kann man sich als Betroffener über so viel Dreistigkeit nur verwundert die Augen reiben. Denn den 3,62 Mrd. Euro für die Arzneimittelversorgung aufgewendeten Beträgen, die zur Bezahlung von 136.804 Beschäftigten in den 21.700 deutschen Apotheken ausgegeben werden, standen 2004 insgesamt 8,017 Mrd. Euro gegenüber, mit denen die Kassenfunktionäre sich selbst und ihre 144.000 Mitarbeiter für ihre Dienstleistungen entlohnten. Somit stehen durchschnittliche Pro-Kopf-Aufwendungen von 26.461 Euro pro Apothekenmitarbeiter 55.625 Euro pro Krankenkassenmitarbeiter gegenüber, das sind über 100% mehr. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, denn es dürfte wohl klar sein, wer bei diesem Benchmark vorne liegt...
Der gierige Griff nach den Apothekeneinkommen erstaunt aber auch noch in anderer Hinsicht. Der soeben von den Kassen selbst veröffentlichte Arzneimittelreport zeigt, dass im Jahr 2004 der Anteil der Arzneimittelausgaben an den GKV-Gesamtausgaben um fast zehn Prozent in Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes gesenkt werden konnte. Der GKV-Umsatz mit apothekenpflichtigen freiverkäuflichen Arzneimitteln sank im selben Zeitraum sogar um 67 Prozent! Wer eigene Insuffizienz damit zu kompensieren versucht, nach der Devise des St.-Floriansprinzips zu hoffen, dass das eigene Haus verschont bleibe und lieber das des Nachbarn angezündet werden sollte und mit dem Finger auf andere zeigt, offenbart ein eklatantes Maß an mangelndem Realitätssinn gepaart mit einem fast absoluten Mangel an Selbstkritik, aber dafür mit dümmlichem Sozialneid. Rechnerische Taschenspielertricks im Umgang mit seriösen Zahlen vermutet man bestenfalls auf einem Jahrmarkt, von Krankenkassenvertretern darf man aber eine gewisse Seriosität schon erwarten.
Es bleibt zu hoffen, dass die großen Simplifizierer aus diesem Lager von Politik und Medien als Gesprächspartner und Lieferanten von Fehlinformationen zukünftig nicht mehr ernst genommen werden.
Dr. Günther Hanke, Präsident der LAK Baden-Württemberg
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