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Recht aktuell
Apothekenwerbung mit der Erstattung der Praxisgebühr
I. Frust über die Praxisgebühr
Anschaulich hierzu ist der Tätigkeitsbericht der Wettbewerbszentrale, der Fälle wie das Angebot eines Möbelhauses, bei Einkauf und Vorlage der Praxisgebührquittung 10 Euro zu erstatten oder das Angebot eines Reisebüros, bei Buchung einer Reise im Wert von 250 Euro, die Praxisgebühr zu bezahlen, auflistet1. Apotheken wollen ebenfalls aus dem in der Bevölkerung nach wie vor vorhandenen Unmut über die Praxisgebühr Nutzen ziehen. Viele Apotheker haben im Rahmen eines Kundenbindungssystems eine 10 Euro-Prämie eingeführt. Ein Kunde, der bei Einkäufen aus dem Apothekenrandsortiment oder in sonstigen vorher im Rahmen des Kundenbindungssystems definierten Situationen eine bestimmte Anzahl von Bonuspunkten2, Talern, Prämienscheinen o. ä. gesammelt hat, kann diese nicht nur gegen attraktive Sachprämien in der Apotheke oder bei Kooperationspartnern eintauschen, sondern auch gegen 10 Euro in bar. Der findige Apotheker macht auf dieses Prämienangebot mit Schlagworten "Wir erstatten Ihre Praxisgebühr gegen 20 Bonustaler", "Zur Erstattung der Praxisgebühr" aufmerksam und fordert mitunter auch die Vorlage der Praxisgebührquittung. In diesem Beitrag soll beleuchtet werden, ob sich der Apotheker, der ein solches Angebot unterbreitet, wettbewerbswidrig verhält.
II. Adressaten der Praxisgebührregel
Die Grundlagen für die Einziehung der Praxisgebühr finden sich in §§ 28 Abs. 4, 61 SGB V. § 28 Abs. 4 SGB V bestimmt, dass gesetzlich Krankenversicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme einer ambulanten ärztlichen Versorgung, die nicht auf eine Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung 10 Euro zu bezahlen haben. Gemäß § 43b Abs. 2 SGB V hat die Zuzahlung der Arzt einzubehalten.
Der Apotheker wird nicht erwähnt. Er ist nicht Adressat des § 28 Abs. 4 SGB V. Er muss in seiner Funktion als Apotheker weder eine vierteljährliche Praxisgebühr beim Arztbesuch entrichten noch muss er die Praxisgebühr einziehen. Eine Verpflichtung zur Bezahlung der Praxisgebühr besteht für ihn nur, wenn er als Privatperson, die freiwillig gesetzlich versichert ist, ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.
III. Wettbewerbsrelevanz der Zuzahlungsvorschriften?
Durch ein Prämienangebot, bei dem der treue Apothekenkunde 10 Euro als Erstattung der Praxisgebühr erhält, wird § 28 Abs. 4 SGB V nicht unterlaufen. Der gesetzlich Versicherte hat bei einem Arztbesuch nach wie vor die Praxisgebühr zu entrichten; der Arzt diese einzuziehen. Ein Apotheker, der ein entsprechendes Angebot unterbreitet, verstößt damit nicht gegen §§ 28 Abs. 4, 61 SGB V. Darüber hinaus müsste man sich, falls man gleichwohl an einen Verstoß entgegen des Gesetzeswortlauts denkt, die Frage stellen, inwieweit Verstöße gegen §§ 28 Abs. 4, 61 SGB V überhaupt wettbewerbsrechtlich geahndet werden können. Nach §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG handelt nur unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Ob die Zuzahlungsvorschriften des Sozialgesetzbuches hierzu gehören, ist streitig. In einigen Entscheidungen, die zu ähnlichen Konstellationen ergangen sind, ist diese Frage nicht problematisiert worden3. Dabei haben das Oberlandesgericht Hamm4 ebenso wie das Landgericht Münster in der ersten Instanz5 den Zuzahlungsvorschriften eine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion abgesprochen. Begründet wurde dies damit, dass es sich ebenso wie bei der in der Entscheidung "Krankenkassenzulassung" des Bundesgerichtshofs6 betroffenen Regelung des § 126 SGB V um die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Ärzten, Apothekern und sonstigen Leistungserbringern im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie um öffentlich-rechtliche Vorschriften handelt. Die Eigenleistung der Versicherten soll die Krankenkassen entlasten, sie diente weder der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln noch dem Schutz der Mitbewerber noch dem Verbraucherschutz. Ein Mitbewerber könne deshalb aus ihrer Verletzung keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche herleiten. Das Oberlandesgericht Rostock7 hat sich dieser Auffassung im Ergebnis angeschlossen. Die Übertragung der Argumentation der Entscheidung "Krankenkassenzulassung", ist jedoch problematisch, da Fundament dieser Entscheidung § 69 Satz 1 SGB V ist. Diese Vorschrift bestimmt, dass das vierte Kapitel des SGB V die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend regelt. Diese Ausschlussvorschrift verbietet es, auf das Wettbewerbsrecht zurückzugreifen. Für die Zuzahlungsregelungen, die nicht im 4. Kapitel stehen, findet sich eine vergleichbare Norm jedoch nicht. Klarheit darüber, ob die Zuzahlungsvorschriften im Rahmen des § 4 Ziff. 11 UWG zur Anwendung kommen, wird damit erst eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs bringen.
IV. Unlauterkeit des Erstattungsangebots?
Während der Geltung des alten Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb8 ist bei der Erstattung der Praxisgebühr meist auf einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG abgestellt worden9. Die Praxisgebühr wolle ein Kostenbewusstsein bei den Versicherten hervorrufen und die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen reduzieren. Diese Intention des Gesetzgebers werde durch eine Erstattung der Praxisgebühr konterkariert, was sittenwidrig sei. Im neuen UWG ist das Sittenwidrigkeitselement nicht mehr enthalten. Es ist damit zu klären, ob das Angebot der Erstattung der Praxisgebühr im Rahmen eines Kundenbindungssystems objektiv unlauter ist. Das Landgericht Frankfurt am Main10 hat in einem Fall, in dem ein Apotheker unter der Überschrift "Wir ersetzen Ihre Arzt-Praxis-Gebühr gegen Taler; gegen Ihre Arzt-Praxis-Quittung und 20 Taler bekommen Sie von uns 10 Euro in bar" zutreffend nicht als wettbewerbswidrig angesehen. Der Apotheker sei nicht Normadressat der Vorschriften der §§ 28 Abs. 4, 61 SGB V. Ihm könne auch eine Beteiligung an einem Rechtsbruch seiner Kunden nicht vorgeworfen werden, da diese, um in den Genuss der Prämie zu kommen, zunächst selbst die Arztpraxisgebühr bezahlt haben müssen. Sie verhielten sich gesetzeskonform.
Ein Unterlaufen der gesetzgeberischen Zielrichtung, ein neues Kostenbewusstsein auf Patientenseite zu schaffen und die Patienten zu rationalerem Verhalten anzuhalten, das möglicherweise in einer solchen Werbung gesehen werden könne, sei nicht unlauter im Sinne des § 3 UWG. Zum einen sei es nicht die Absicht des Apothekers, den Gesetzeszweck zu vereiteln. Die Vereitelung werde von ihm allenfalls in Kauf genommen, um sein primäres Anliegen – die Werbung von Kunden – zu verwirklichen. Zum anderen sei es dem Gesetzgeber unbenommen, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass die Praxisgebühr gegenüber gesetzlich Versicherten anderweitig erstattet werde11. Auswirkungen auf die Volksgesundheit seien durch die Werbung nicht zu befürchten. Das Landgericht Frankfurt am Main hat auch einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG – unsachliche Beeinflussung der Kunden – abgelehnt und dies mit der Gegenleistung, die ein Kunde mit den gesammelten Bonuspunkten bzw. Bonustalern erbringen muss, begründet. Das Oberlandesgericht Rostock12 hat zutreffend in einem ähnlichen Fall keinen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb – anders als noch die Vorinstanz13 – bejaht.
Fazit
Diesen Entscheidungen ist zuzustimmen. Das Angebot von 10 Euro-Prämien im Rahmen von Kundenbindungssystemen, gleichgültig ob es sich um Bonuskarten, Taler, Paybackpunkte oder ähnliches handelt, ist wettbewerbsrechtlich zulässig. Dies gilt auch dann, wenn für die Inanspruchnahme der 10 Euro-Prämie die Vorlage der Quittung, die die Zahlung der Praxisgebühr belegt, gefordert wird. Der Kunde muss, um in den Genuss der Prämie zu kommen, eine Gegenleistung erbringen, nämlich seine Bonuspunkte oder Taler, die er andernfalls anderweitig einsetzen könnte, einlösen. Alleine das Wort Praxisgebührerstattung in seiner Werbung, das nach wie vor für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgt, führt weder zu einem Unterlaufen der Absicht des Gesetzgebers, das Kostenbewusstsein zu dämpfen, noch zu einem Wettbewerbsverstoß. Solche Marketingkonzepte sind deshalb wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
Fußnoten: 1 Vgl. hierzu etwa Apotheker Zeitung vom 21.02.2005 (Nr. 8/2005), S. 1, 8; Stuttgarter Zeitung vom 16.02.2005, S. 12 und auch die Beispiele bei Möller, WRP 2004, 520, 531, Fn 7. 2 Zur Ausweitung des Payback-Systems auf Apotheken vgl. DAZ 2005, 1133. 3 Vgl. etwa LG Hamburg, Urteil vom 29.06.2004, MD 2004, 1299; LG Hamburg, Urteil vom 18.11.2003, MD 2004, 1313. 4 Urteil vom 21.09.2004, Az. 4 U 74/04 – nicht rechtskräftig – 5 Urteil vom 26.03.2004, Az. 23 O 202/02. 6 BGH, WRP 2004, 337, 339. 7 Urteil vom 04.05.2005, Az. 2 U 54/04. 8 Bis zum 08.07.2004. 9 Siehe etwa Möller, WRP 2004, 530, 534; LG Hamburg, Urteil vom 29.06.2004, MD 2004, 1299. 10 Urteil vom 11.11.2004, Az. 2/3 O 241/04. 11 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.11.2004, Az. 2/3 O 241/04. 12 Urteil vom 04.05.2005, Az. 2 U 54/04. 13 LG Rostock, Urteil vom 17.11.2004, Az. 5 O 102/04.
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