Pharmaindustrie

Inprozess-Qualitätssicherung auf neuen Wegen

In der pharmazeutischen Industrie bahnen sich neuartige Wege der Qualitätssicherung an. Experten sprechen von einem echten Paradigmenwechsel. Im Zusammenhang mit der Bewertung von Qualitätsdossiers werden dadurch auch die Zulassungsbehörden vor neue Herausforderungen gestellt. Das Zauberwort heißt "PAT" ("Process Analytical Technologies").

Der Begriff "PAT" beschreibt ein System, in dem Echtzeitmessungen an Rohstoffen, Zwischenprodukten und Prozessparametern zur Erkennung und Kontrolle von kritischen Prozess- und Qualitätsparametern durchgeführt werden. Dies umfasst auch Methoden der systematischen Formulierungs- und Verfahrensentwicklung bzw. Prozessoptimierung (Design of Experiments (DoE)) und chemometrische Methoden zur multivariaten Datenanalyse, wie z.B. PCA (Principal Component Analysis) und PLS (Partial Least Squares Projections to Latent Structures).

PAT bietet die Möglichkeit einer kontinuierlichen Qualitätssicherung und Prozessvalidierung während des Herstellungsprozesses durch on-line, at-line oder in-line Messungen der relevanten Parameter. Durch die gewonnenen Kenntnisse können Zusammenhänge zwischen Prozessvariablen und Produkteigenschaften erkannt werden und die Prozess-Endpunkte zielgenau festgelegt werden. Die Vorteile für die pharmazeutische Industrie liegen auf der Hand:

  • Optimierung der Produktentwicklung
  • Verbesserung der Produktqualität
  • Verbesserung der Prozesskenntnis und dadurch - Minimierung von Fehlchargen - Rationalisierung der Inprozesskontrollen - Reduzierung der "time-to-market" - Reduzierung und/oder Eliminierung von Freigabeprüfungen am Fertigprodukt.

Ziel des Einsatzes von PAT ist letztendlich die Real-Time-Release (RTR), also die Chargenfreigabe im Sinne einer parametrischen Freigabe auf Basis von im laufenden Prozess erhobenen Daten, anstelle der separaten analytischen Freigabeprüfung am Fertigprodukt. Zur Entwicklung und vor Anwendung eines PAT-Systems sind jedoch vom Anwender zahlreiche, aufwändige Untersuchungen durchzuführen, da auch zukünftig die zusätzliche Angabe "konventioneller" Spezifikationen und Prüfverfahren im Zulassungsdossier erforderlich sein wird, um jederzeit eine Überprüfung der Qualität von Marktware zu ermöglichen. RTR-Spezifikationen und Prüfverfahren müssen mit der "konventionellen" Spezifikation und den zugehörigen Prüfverfahren korreliert werden, um dieses sicherzustellen. Dementsprechend wird vom Anwender zunächst doppelter Aufwand gefordert.

In der Lebensmittelindustrie gehört PAT bereits seit Jahren zum Produktionsalltag, in der pharmazeutischen Industrie stellt PAT eine zukunftsweisende Möglichkeit für Produkte mit großem Umsatzvolumen dar. Die FDA hat daher PAT zu einem der zentralen Punkte ihrer"GMP-Initiative for the 21st Century" gemacht und bereits im Jahr 2002 eine entsprechende interne PAT-Arbeitsgruppe etabliert. Auf europäischer Ebene wurde eine PAT-Group bei der EMEA ins Leben gerufen, die aus Qualitätsassessoren und GMP-Inspektoren zusammengesetzt ist.

Es ist bekannt, dass einzelne Elemente von PAT bereits jetzt in der pharmazeutischen Industrie zum Einsatz kommen, allerdings bislang überwiegend in der Form von zusätzlichen, freiwilligen Inprozesskontrollen, welche in den meisten Fällen den zuständigen Zulassungsbehörden nicht angezeigt werden. Seitens der Antragsteller besteht eine gewisse Verunsicherung hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen durch die Behörden. Aus diesem Grund hat die europäische PAT-Gruppe pharmazeutische Unternehmen aufgefordert, sog. "mock-applications" einzureichen, also Beispieldokumentationen, die dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch dienen sollen, wie viel Detailinformationen für die Etablierung eines PAT-Systems ausreichend und erforderlich sind.

Die o.g. Entwicklungen stellen auch aus regulatorischer Sicht eine Herausforderung dar. Das BfArM ist in diesen Prozess aktiv eingebunden und hat Anfang des Jahres eine interne PAT-Arbeitsgruppe der pharmazeutischen Qualität ins Leben gerufen mit dem Ziel, Expertise in den geschilderten Bereichen zu etablieren und einheitliche regulatorische Beurteilungsstandards zu schaffen. Da dies in sinnvoller Weise natürlich nur im kontinuierlichen Austausch mit der pharmazeutischen Industrie möglich ist, steht das BfArM gerne als Gesprächspartner zur Verfügung.

Kontaktadresse: BfArM-PAT-Arbeitsgruppe, Sabine Heinz, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn

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