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Selbstmedikation
Durchfall – wenn der flotte Otto ungerufen kommt
Akute Gastroenteritis
Ursache der akuten Gastroenteritis ("Brechdurchfall") sind meist Viren ("Magen-Darm-Grippe") oder Bakterientoxine (Lebensmittelvergiftung), die entweder durch Infektion oder durch Aufnahme bakteriell verunreinigter Lebensmittel in den Magen-Darm-Trakt gelangen, dort zu einer gesteigerten Ionensekretion und verminderten Ionenresorption führen und durch diesen Mechanismus aus dem Organismus wieder entfernt werden. Auf eine Phase mit plötzlich einsetzender Übelkeit und Erbrechen folgen Durchfälle, häufig in Kombination mit (leichten) Darmkoliken.
Anzeichen für diese Art der Durchfallerkrankung ist plötzlich einsetzende Übelkeit und Erbrechen gefolgt von wässrigen, breiigen Durchfällen. Eine solche akute Gastroenteritis ist selbstlimitierend. Durch die vermehrte Ausscheidung werden die Auslöser aus dem Körper eliminiert, die Durchfälle klingen nach wenigen Tagen ab. Danach folgen meist einige Tage der körperlichen Schwäche. Verdauungsstörungen, wie z. B. Appetitmangel, Völlegefühl nach kleinen Mahlzeiten und Verstopfung, können bis zu einer Woche anhalten.
Therapie der akuten Diarrhö
Die Therapie der akuten Gastroenteritis richtet sich nach den Symptomen. Das Wichtigste ist die orale Rehydratation. Die Beschwerden im Anschluss an eine Durchfallerkrankung lassen sich auf den Wasser- und Elektrolytverlust zurückführen. Rechtzeitiger Ersatz von elektrolytreicher Flüssigkeit können die Folgesymptome vermeiden. Zur Verfügung stehen in der Apotheke Glucose-Natrium-Kaliumchlorid-Mischungen (z. B. Elotrans®), die aufgelöst in Leitungswasser nach jedem Durchfall getrunken werden. Kontraindikationen in der Selbstmedikation sind Niereninsuffizienz und Herzinsuffizienz, hier ist eine Therapie unter ärztlicher Kontrolle erforderlich. Die Rehydratation lässt sich auch durch Hausmittel, z. B. durch das Trinken von fettarmer Brühe und gesüßtem schwarzen Tee, erreichen.
Hausmittel bei akuter Gastroenteritis
Um den toxinbildenden Bakterien den Nährboden zu entziehen, wird bei starken Durchfällen für ein bis zwei Tage Teefasten mit schwarzem oder grünem Tee empfohlen. Der Tee sollte jeweils 20 Minuten ziehen, um reichlich Gerbstoffe auszuziehen. Je nach Übelkeit sollte der Patient auf feste Nahrung verzichten. Empfohlen werden nur geriebene Äpfel, deren Pektine Bakterientoxine binden können. Nach ein bis zwei Tagen erfolgt dann ein langsamer Kostaufbau mit leichtverdaulicher fettarmer Nahrung, z. B. Zwieback und Haferschleimsuppen. Nach Rückgang der Durchfälle kann je nach Verträglichkeit schnell zur leichten Vollkost und schließlich zur normalen Kost übergegangen werden.
Bei Virusinfektionen kann auf das Fasten verzichtet werden und je nach Verträglichkeit frühzeitig normale Kost gegessen werden. Allerdings besteht nach Virusinfektionen häufig eine vorübergehende Lactoseintoleranz. Durch Einschränkung von Milchprodukten in der Nahrung kann sich die Verträglichkeit in wenigen Tagen bis Wochen wieder normalisieren.
Den Darm ruhig stellen?
Loperamid ist das Mittel der Wahl bei leichteren Durchfallerkrankungen, vor allem mit viraler Ursache. Als Opioid-Derivat hemmt es die Darmmotilität, der Durchfall stoppt in wenigen Stunden. Der Großteil der Viren oder Bakterientoxine ist durch die ersten Durchfälle bereits ausgeschieden, die körpereigene Abwehr verrichtet ihren Dienst an den restlichen Krankheitserregern. Die Anfangsdosis beträgt 4 mg Loperamid, nach jedem weiteren Durchfall werden 2 mg eingenommen, nicht mehr als 12 mg pro Tag.
Die Anwendung ist auf 48 Stunden begrenzt. Bessert sich der Durchfall in dieser Zeit nicht oder handelt es sich von vornherein um blutige Durchfälle, sind Motilitätshemmer abzusetzen, da die Ausscheidung der Toxine nicht weiter gehemmt werden darf. Kontraindiziert ist Loperamid zusätzlich noch in der Selbstmedikation bei Kindern unter zwölf Jahren, bei Darmverschluss und chronischen Darmerkrankungen, wie Colitis ulcerosa.
Unterstützende Therapie
Unterstützend finden bei leichteren Durchfallerkrankungen Gerbstoffe, z. B. Heidelbeeren oder Tanninalbuminat, Verwendung. Sie werden mit der Vorstellung eingesetzt, dass sie die obersten Schleimhautschichten abdichten und damit die Sekretion aus dem entzündeten Gewebe hemmen. Ihr Nutzen ist umstritten. Traditionell angewendet werden Adsorbenzien. Typischer Vertreter ist die Aktivkohle. Durch die große Oberfläche sollen Bakterientoxine und Viren gebunden und mit der Kohle zusammen ausgeschieden werden. Für eine Wirkung sind große Mengen, ca. 3 bis 4 g pro Tag, erforderlich. Diese Einnahmemenge wird nur selten erreicht.
Gut in die Therapie eingeführt haben sich Lyophilisate von Saccharomyces boulardii. Sie binden Toxine und hemmen gleichzeitig die Toxinbindung an die Darmmukosa. Sie werden auch zur Vorbeugung einer Reisediarrhö eingesetzt.
Eine Sonderstellung nimmt die Uzarawurzel ein. Sie wirkt motilitätshemmend auf den Dünndarm und enthält zudem Bitterstoffe, die die Magen-Darm-Motilität nach überstandener Durchfallerkrankung wieder normalisieren können. Wegen ihres Gehalts an herzwirksamen Glykosiden sind sie bei gleichzeitiger Behandlung mit Digitalis-Glykosiden kontraindiziert.
Zur Behandlung der sich an den Durchfall anschließenden Verdauungsstörungen, wie Appetitmangel und vorzeitiges Völlegefühl, bieten sich Bitterstoffe und pflanzliche Prokinetika an.
Reisediarrhö
Von Reisediarrhö spricht man, wenn Durchfallerkrankungen im Urlaub auftreten. Manchmal sind die Auslöser auch hier Virusinfektionen oder Lebensmittelvergiftungen, in den häufigsten Fällen sind sie jedoch durch dem Körper fremde E.-coli-Stämme ausgelöst. Die Therapie erfolgt auch hier symptomatisch. Wenn zusätzlich Fieber, ein schlechter Allgemeinzustand oder blutige Durchfälle auftreten, erfolgt eine ärztliche Antibiotikaverordnung nach Erregerbestimmung.
Bei Reisenden, die vor kurzer Zeit aus den Tropen zurückgekehrt sind, ist besondere Aufmerksamkeit auf Malaria, Amöbenruhr und Wurmerkrankungen (z. B. Schistosomiasis und Lambliasis) zu richten.
Schwere akute Durchfallerkrankungen
Blutig-schleimige Durchfälle und Durchfallerkrankungen, die auf die Therapie der Selbstmedikation nicht ansprechen, sind ein zwingender Grund, den Patienten in die ärztliche Behandlung zu schicken.
Als weitere Ursachen kommen in Frage
- Shigellen als Auslöser der Shigellenruhr, einer meldepflichtigen Krankheit,
- Entamoeba histolytica als Auslöser der Amöbenruhr,
- Salmonellen als Auslöser von Typhus, Paratyphus oder anderen Enteritiden,
- Aeromonas,
- Campylobacter jejuni,
- Yersinien oder
- Parasiten.
Die Therapie erfolgt individuell meist mit Unterstützung durch Antibiotika bzw. Antiinfektiva.
Medikamentös
bedingte Diarrhö
Bei untypischem Verlauf von Durchfallerkrankungen ist auch an Arzneimittel als Auslöser zu denken. Banal scheint dabei der Durchfall durch Laxanzienabusus. Ein Absetzen der Laxanzien verschafft schnelle Abhilfe. Nach der Einnahme von Antibiotika treten bei ca. 30% der Patienten harmlose Durchfälle auf, die durch eine Veränderung der Darmflora zustande kommt. Die Durchfälle verschwinden innerhalb weniger Tage, die Darmflora normalisiert sich durch Zufuhr der gewohnten Nahrung. Selten, aber gefährlich ist jedoch die pseudomembranöse Colitis, die während oder bis zu vier Wochen nach der Antibiotikatherapie auftreten kann. Sie wird durch Clostridium-difficile-Toxin ausgelöst und muss stationär behandelt werden.
Nimmt der Patient Digitalis-Glykoside ein, kann das Auftreten von Durchfall das Frühzeichen einer Intoxikation sein. Eine Spiegelbestimmung ist erforderlich. Bei Langzeiteinnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika kann sich eine Colitis mit wässrigen oder auch blutigen Stühlen entwickeln. Auch hier ist ärztliche Therapie erforderlich. Die Einnahme von Diuretika, Eisenpräparaten und Chenodesoxycholsäure kann zu Durchfällen führen. Hier erfolgt eine Dosisanpassung oder Präparatewechsel nach ärztlicher Verordnung.
Nahrungsmittelallergie – Nahrungsmittelunverträglichkeit
Relativ häufig, bei 10% der Bevölkerung, besteht ein Lactasemangel mit nachfolgender Unverträglichkeit von Milch und Milchprodukten. Weitere Beispiele sind Verzehr von Erdbeeren, Fischeiweiß oder Verwendung hoher Dosen an Zuckeraustauschstoffen.
Durchfälle bei Säuglingen und Kleinkindern
Die Behandlung von Durchfällen bei Säuglingen gehört in jedem Fall in die Hand eines Arztes. Kleinkinder ab zwei Jahren können bei leichten Verläufen nach Konsultation eines Kinderarztes selbst behandelt werden. Im Vordergrund der Behandlung steht die Rehydratation. Nur eine leichte Dehydratation kann mit oralen Elektrolytlösungen behandelt werden. Bei schwereren Flüssigkeitsverlusten erfolgt eine stationäre Rehydratation unter ständiger Kontrolle der Elektrolyte.
Die Beurteilung sollte einem Kinderarzt überlassen werden. Die Ursachen für Durchfälle bei Kindern können dieselben sein wie beim Erwachsenen. Zusätzlich ist bei Kleinkindern jedoch auch an Vergiftungen, z. B. durch Pflanzen wie Goldregen, Kartoffelbeeren, Eisenhut, Bucheckern, Heckenkirschen oder Faulbaumfrüchte, zu denken.
Chronische Durchfallerkrankungen
Bei länger als 14 Tage anhaltendem Durchfall spricht man von chronischer Diarrhö. Mögliche Differenzialdiagnosen lauten hier:
- Reizkolon ("funktionelle" Diarrhö),
- Colitis ulcerosa, Morbus Crohn,
- infektiöse Diarrhö,
- Medikamentöse Diarrhö,
- Neoplasien, z. B. Kolonkarzinom, Pankreaskarzinom,
- Divertikulitis,
- endokrin bedingte Diarrhö, z. B. Hyperthyreose, autonome Polyneuropathie, Zollinger-Ellison-Syndrom,
- Nahrungsmittelallergie,
- Zöliakie.
Eine ärztliche Diagnose und Therapie ist in jedem Fall erforderlich.
Wichtige Fragen im Beratungsgespräch
Wer ist der Durchfallpatient? Säuglinge, Kleinkinder, Patienten mit schweren Grunderkrankungen, alte multimorbide Patienten: zum Arzt! Wie lange haben Sie schon Durchfall? Bei länger als drei Tage andauernden Durchfällen: zum Arzt! Wie ist die Konsistenz des Stuhls? Blutig, schaumig, auffällig gefärbt: zum Arzt! Welche Beschwerden haben Sie zusätzlich? Fieber, starke Unterbauchkoliken: zum Arzt! Welche Arzneimittel nehmen Sie ein? Verdacht auf medikamentöse Diarrhö, multimorbide Patienten: zum Arzt!
Ärztliche Diagnose und Therapie der Diarrhö erforderlich
- bei Säuglingen und Kleinkindern: immer! Gefahr der Exsikkose
- bei Erwachsenen: – Diarrhödauer länger als drei Tage – Immundefekt – blutiger Stuhl – Exsikkosezeichen – schlechter Allgemeinzustand – schwerwiegende Grunderkrankung – Tätigkeit in Lebensmittel-verarbeitendem Betrieb!
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