DAZ aktuell

Einigung erzielt – Zwangsrabatt sinkt für sechs Monate

BONN (im). Der Zwangsrabatt, den die Apotheken den Kassen gewähren müssen, sinkt von 1. Juli bis 31. Dezember 2005 von 2 auf 1,85 Euro pro Arzneimittelpackung. Ab 2006 steigt er wieder auf 2 Euro und wird bis 2008 auf diesen Betrag eingefroren. Zugleich sind Rückzahlungsforderungen der Krankenkassen vom Tisch, die von den Apotheken die Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag verlangten.

Am 20. Mai präsentierte die Bundesgesundheitsministerin in Bonn ein Lösungspaket, auf das sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die Kassen einen Tag zuvor geeinigt hatten und für das Ulla Schmidt Unterstützung zusagte. Damit ist die Entscheidung der zuvor angerufenen Schiedsstelle hinfällig. Für den DAV hatten ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und DAV-Vorsitzender Hermann S. Keller sowie Dr. Sebastian Schmitz (ABDA-Geschäftsführer) und Dr. Hans Jürgen Seitz (künftiger ABDA-Hauptgeschäftsführer) verhandelt, für die Kassenseite war es der für den Arzneibereich federführende Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK).

Fast 40 Millionen für Apotheken

Die Senkung des Zwangsrabatts in der zweiten Hälfte dieses Jahres auf 1,85 Euro als Ausgleich für die gesunkene Zahl abgegebener Packungen bedeutet die Summe von 37 Millionen Euro für die Apotheken. Es gibt keine rückwirkenden Änderungen oder Nachzahlungen. Für die Jahre 2006 bis 2008 wird der Rabatt erneut auf zwei Euro angehoben und auf dieser Höhe eingefroren.

Streichung der Anpassung

Wie DAV-Chef Keller ausführte, haben Apotheker und Kassen der Ministerin gemeinsam vorgeschlagen, die Verhandlungen zur Anpassung des 2-Euro-Rabatts (§ 130 Sozialgesetzbuch V, Absatz 1a) zu streichen. Ulla Schmidt sagte zu, sich dafür einzusetzen. Sie verwahrte sich aber gegen den Vorwurf handwerklicher Fehler im GKV-Modernisierungsgesetz. Vielmehr sei es der Wille der Regierung gewesen, den Apothekern mit dem Fixum plus prozentualen Zuschlag eine feste Entlohnung zuzugestehen, und die Verhandlungen über die 8,10 Euro minus Kassenrabatt den Kassen und Pharmazeuten als Beteiligten zu übertragen. Künftig solle die Anpassung nicht länger durch die Selbstverwaltung, sondern den Gesetzgeber erfolgen, kündigte Schmidt als Neuerung an.

Befragt nach dem Grund gab Wolfgang Schmeinck, Vorsitzender des BKK-Bundesverbands, die völlig unterschiedlichen Positionen von Kassen und Apothekern in dieser Frage an. So hätten beim Ausgleichsbetrag allein für dieses Jahr das Angebot der Kassen (40 Millionen Euro) und die Forderung der Apotheken (390 Millionen Euro) so weit auseinander gelegen, dass eine Einigung nicht möglich gewesen sei. Hermann S. Keller vom DAV nannte dagegen keine konkreten Zahlen. Mit Nachdruck verwies Ministerin Schmidt auf den Wortlaut des Gesetzes, demzufolge nicht allein die Zahl abgegebener Packungen den Ausgleichsbetrag bestimmt, sondern auch die Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung.

DAV zufrieden

Der Vorsitzende des DAV Keller zeigte sich zufrieden mit der Lösung. Wichtig sei, dass Planungssicherheit für die Apotheken für die kommenden Jahre geschaffen worden sei. Intern herrscht Aufatmen im Verband, weil hier nicht ausgeschlossen wurde, dass im Streit um die Rabattanpassung das Pendel in der Zukunft auch gegen die Apotheker hätte ausschlagen können, der Rabatt hätte womöglich sogar noch heraufgesetzt werden können.

Die Neuregelung des Abschlags sei "im Paket tragbar", sagte Keller, womit er auf die Einigung beim Zankapfel Umsatzsteuer auf Herstellerabschläge anspielte. Im Kern ging es darum, ob der Firmenabschlag vom Herstellerabgabepreis mit oder ohne Umsatzsteuer berechnet werden soll, die Kassen hatten Retaxationen angedroht. Bemessungsgrundlage für diesen Rabatt ist der Herstellerabgabepreis ohne Steuer, hob Ulla Schmidt in Bonn hervor, was nun noch einmal per Gesetz klargestellt werden soll, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Das sei immer die Meinung des Gesetzgebers gewesen, habe aber zu Irritationen geführt, sagte sie mit Blick auf die Kassen, von denen einige bereits Nachforderungen von den Apotheken, die nur die Inkassostelle sind, verlangten. Wenn es zur Mehrwertsteuer auf Herstellerabschläge die Klarstellung im Gesetz gibt, wird dies die Krankenkassen voraussichtlich von Rechnungskürzungen an die Apotheken abhalten, meinte Wolfgang Schmeinck vom BKK-Bundesverband. Wie er sagte, wollen alle Spitzenverbände der Kassen in dem Sinn auf ihre Einzelkassen einwirken. Allerdings könne er "nicht versprechen", dass jede Kasse ihre Rückzahlungsansprüche aufgebe, setzte er vorsorglich hinzu. Unter Umständen könnte es zu ein bis zwei Klagen deswegen kommen.

Bürokratiewust verhindert

Wie Keller sagte, sind Retaxationen verhindert worden, konkret 6,2 Millionen Verwaltungsvorgänge, die Kassen und Apotheken über Gebühr strapaziert hätten. Auch BKK-Chef Schmeinck sprach insgesamt von einem guten Ergebnis der Selbstverwaltung, das unter dem Druck der Politik zustande gekommen sei. Wie er weiter meinte, hätte die Schiedsstelle dieses Paket – wegen der Umsatzsteuerregelung – gar nicht schnüren können. Der Spruch der Schiedsstelle wäre zudem nicht vor Juli zu erwarten gewesen. Mit dem Ergebnis würden weder Beitragssenkungen verhindert noch Erhöhungen ausgelöst. Die Finanzmittel entsprächen dem, was die Kassen den Apothekern in den Verhandlungen angeboten hätten.

Presseschau "Apotheker sind die Sieger" 

Den Kompromiss um den Zwangsrabatt kommentiert die Zeitung "Die Welt" vom 21. Mai 2005:
 

Der Weg weg vom Raffke- hin zum Saubermann-Image ist weit. Doch mit der Einigung im Streit um Rabattzahlungen haben die Apotheker am Freitag einen wichtigen Schritt gemacht. Sie verzichten auf Geld, das ihnen per Gesetz eigentlich zusteht. Das bringt ihnen zweifellos Punkte ein. Sowohl bei den Patienten, die nicht verstehen können, warum die Apotheker Geld bekommen sollen, wo doch alle anderen zahlen müssen. Als auch beim rot-grünen Koalitionspartner, dessen Sympathien für die Apotheker sich bislang doch eher in Grenzen hielten.

[...] Neben dem finanziellen und wirtschaftlichen Aspekt hat der Kompromiss aber auch noch eine politische Komponente. In der Erwartung, "die blockieren sowieso", waren die Apotheker in jüngster Vergangenheit von wichtigen Verhandlungen ausgeschlossen gewesen. Das soll sich unter dem neuen Verbandschef offenbar ändern. Mag Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den Kompromiss als Erfolg ihrer scharfen Kritik werten. Die eigentlichen Sieger sind die Apotheker.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.