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Arzneimittel und Therapie
Ovarialkarzinom: Deutsche Studiengruppe setzt weltweiten Therapiestandard
Früherkennung ist schwierig
Das Ovarialkarzinom ist eine eher seltene Tumorerkrankung (siehe Kasten). Es handelt sich um einen "stummen Tumor", es gibt keine Frühsymptome. Beim Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen liegt meist schon ein fortgeschrittenes Stadium vor. Der Tumor breitet sich vor allem im kleinen Becken aus. Die Therapie besteht daher zunächst in der möglichst vollständigen Entfernung des Tumorgewebes: Je weniger Resttumor verbleibt, desto besser ist die Prognose. Daran schließt sich eine Chemotherapie an (adjuvant bzw. palliativ). Die Chemotherapie kann eventuell verbliebene Tumorreste verkleinern und die Überlebenszeit verlängern.
Trotz dieser Primärtherapie erleidet die Mehrzahl der Patientinnen ein Rezidiv, ca. die Hälfte versterben innerhalb von 5 bis 7 Jahren. Eine Heilung ist bis heute nicht möglich. Rezidivtherapie bedeutet in erster Linie ein Hinauszögern des Prozesses, Palliation und Verbesserung der Lebensqualität.
Eierstockkrebspatientinnen intensiv betreut
Weltweit sind die Überlebenschancen im Laufe der letzten Jahrzehnte kontinuierlich gestiegen, Deutschland nahm bis in die neunziger Jahre hinein in der Statistik einen hinteren Platz ein. Ausgehend davon und von der Überzeugung, dass Verbesserungen notwendig und möglich erscheinen, wurde 1993 die Studiengruppe Ovarialkarzinom der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO OVAR) als Non-profit-Organisation gegründet.
Das Ziel der Arbeitsgruppe besteht darin, klinische Studien zu initiieren und durchzuführen sowie Fort- und Weiterbildung zu organisieren. Inzwischen sind von den ca. 1000 gynäkologischen Kliniken in Deutschland über 312 Mitglieder AGO OVAR. Die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft zeigt Erfolg: 15% aller Eierstockkrebspatientinnen in Deutschland werden im Rahmen von klinischen Studien therapiert – bei Brustkrebs oder Darmkrebs sind es nur 2 bis 4%.
Primärtherapie des fortgeschrittenen Karzinoms
Die Behandlung des Ovarialkarzinoms hat in den vergangenen zwanzig Jahren zwei Revolutionen erlebt. Die Standards kamen aus den USA. Der erste Umbruch war die Einführung der Platinverbindungen (Cisplatin [Cisplatin®, Platinex®] und Carboplatin [Carboplat®, Neocarbo®, Riocarbo®]) in die Therapie des Ovarialkarzinoms.
Vom Ende der 80er Jahre bis vor wenigen Jahren stellte die Chemotherapie mit einer Kombination aus einem Platinderivat und einer alkylierenden Substanz den therapeutischen Standard dar. Der zweite Fortschritt wurde Mitte der 90er Jahre durch Paclitaxel (Taxol®) erreicht.
Die Therapie mit Paclitaxel zusätzlich zu Platinverbindungen steigerte das mittlere Überleben nach 5 Jahren um 11%. Nachteilig war eine lange Infusionsdauer von 47 Stunden, d. h. eine ambulante Behandlung war nicht möglich bzw. bei kürzeren Zeiten stieg die Gefahr schwerer Nebenwirkungen.
OVAR-Studien 1 bis 3
Hier setzten nun die so genannten OVAR-Studien an, die das Ziel hatten, die Chemotherapie hinsichtlich Effektivität und Verträglichkeit zu optimieren. An der Studie OVAR-3 (prospektiv randomisierte Phase-III-Studie) waren 798 Patientinnen aus 137 Kliniken beteiligt. Sie hatten ein fortgeschrittenes Ovarialkarzinom (Stadien II bis IV) und erhielten Paclitaxel in der Kombination entweder mit Cisplatin oder mit Carboplatin.
Bei der Primärtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms konnte durch den Ersatz des Platinsalzes Cisplatin durch Carboplatin in der Kombination mit Paclitaxel eine gleich gute Wirksamkeit erreicht werden. Eine wesentliche Erleichterung bestand darin, dass nun eine ambulante Therapie möglich wurde. Lebensqualität und Verträglichkeit waren weitere Studienkriterien. Dabei zeigte sich, dass die Kombination Paclitaxel/Carboplatin besser verträglich war als die Kombination mit Cisplatin.
Belastende Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen sowie Neurotoxizität (Sensibilitätsstörungen) waren in der Carboplatin/Paclitaxel-Gruppe signifikant reduziert. Das Langzeitüberleben von Patientinnen mit Ovarialkarzinom hat sich in den letzten 30 Jahren kontinuierlich verbessert. Bei gut operierbaren Patientinnen wurde die 5-Jahres-Überlebensrate erstmals auf ca. 50% gesteigert. Nach Bestätigung durch amerikanische Forscher wurde diese Therapie zum weltweiten Standard der Primärtherapie.
Paclitaxel und Carboplatin auch zur Rezidivtherapie
Leider treten auch unter der besten derzeit verfügbaren Primärtherapie bei der Mehrzahl der Patientinnen Rezidive auf – ca. 20% Platin-refraktäre Frührezidive mit sehr schlechter Prognose und ca. 80% Platin-sensible Spätrezidive mit günstigerer Prognose. Lange Zeit konnte nicht geklärt werden, ob Rezidiv-Patientinnen von einer Kombinationstherapie gegenüber einer Platin-Monotherapie profitieren.
Mit dieser Frage befasste sich die unter deutscher Beteiligung durchgeführte Studie ICON 4/AGO OVAR-2.2. Daran waren 802 Patientinnen beteiligt, bei denen es nach mehr als sechs Monaten nach der Erstbehandlung zu einem Rezidiv gekommen war. Eine Hälfte erhielt eine Kombination aus Paclitaxel und Platinderivat, die andere Hälfte eine Monotherapie mit Platinderivaten oder eine Kombination mit Platin aber ohne Paclitaxel ("alter Standard").
Eine Kombinationstherapie aus Carboplatin und Paclitaxel erwies sich als günstiger im Vergleich zur Monotherapie. Nach einem Jahr lebten 50% der Patientinnen, die die Platin/Paclitaxel-Kombination erhalten hatten, noch progressionsfrei (Monotherapie 40%). Auch nach zwei Jahren bestand noch ein Vorteil zugunsten der Paclitaxel-Kombination (57% zu 50% Gesamtüberleben). Die Patientinnen mit Paclitaxel/Carboplatin lebten fünf Monate länger. Auch diese unter deutscher Beteiligung ermittelte Rezidivtherapie sollte zum weltweiten Standard werden.
Quelle
Prof. Dr. Jacobus Pfisterer, Kiel; Prof. Dr. Andreas du Bois, Wiesbaden: Fachpressegespräch "Deutsche Forscher erzielen Fortschritt in der Behandlung von Eierstockkrebs/AGO präsentiert aktuelle Bestandsaufnahme", Wiesbaden, 25. November 2003, veranstaltet von der Studiengruppe Ovarialkarzinom der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie und der Bristol-Myers Squibb GmbH, München.
Durch ihre Arbeit hat die Studiengruppe Ovarialkarzinom der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Therapiestandards für die Behandlung des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms geleistet. Durch die deutsche Studiengruppe wurde der neue weltweite Therapiestandard festgelegt: Carboplatin + Paclitaxel.
Studiengruppe Ovarialkarzinom
Die Studiengruppe Ovarialkarzinom der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO OVAR) wurde 1993 als Non-profit-Organisation gegründet. Das Ziel der Arbeitsgruppe besteht darin, die Therapie des Eierstockkrebses zu verbessern.
Sie initiiert klinische Studien, organisiert Fort- und Weiterbildungen und arbeitet in nationalen und internationalen Fachgremien mit. Die internationale Wertschätzung führte dazu, dass die deutsche Studiengruppe ab 2004 die Präsidentschaft der Gynecologic Cancer Intergroup übernehmen wird.
Zahlen zum Ovarialkarzinom
- in Deutschland ca. 8000 Neuerkrankungen pro Jahr
- Häufigkeitsgipfel im 6. und 7. Lebensjahrzehnt
- bei ca. 5% genetischer Hintergrund vermutet
- Früherkennung schwierig, daher schlechte Prognose
- 5-Jahres-Überlebensrate in frühem, lokal begrenzten Stadium (I + II): 60 bis 90% bei Stadium III > 35% bei Stadium IV 15 bis 20%
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