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- DAZ 4/2004
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Die Seite 3
Erinnern Sie sich noch an das vorige Jahr? An das Hin und Her um die Details der Gesundheitsreform? An den drängenden Zeitplan für das parlamentarische Hau-ruck-Verfahren, damit das GMG pünktlich zum 1. Januar in Kraft treten konnte? - Für die begründeten Bedenken der Leistungsanbieter war weder Zeit noch Raum. Die "Lobbyisten" sollten möglichst "ausgesperrt" werden.
Nach dieser Gesetzgebung im Eiltempo wundert sich die Gesundheitsministerin jetzt, dass noch nicht alle Einzelheiten geklärt sind. Mich wundert das nicht, denn wie soll die Selbstverwaltung mal eben über Weihnachten ein so komplexes Regelwerk mit grundlegenden Strukturveränderungen in praxistaugliche Regeln umwandeln? Wenn die Politiker nicht selbst genug Respekt vor der Arbeit der Bürger haben, sollte künftig vielleicht ein zeitlicher Mindestabstand zwischen der Verkündung und dem Inkrafttreten von Verwaltungsgesetzen verbindlich vorgeschrieben werden.
Doch die Ministerin gibt der Selbstverwaltung die Schuld und droht indirekt sogar mit der Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Was können die aber für die Probleme, wenn doch der Rat der Selbstverwaltung bei der Formulierung des Gesetzes nicht willkommen war?
Will das Ministerium jetzt nur von den Zumutungen ablenken, die das erzwungene Tempo für die Handelnden im Gesundheitswesen mit sich bringen musste? Oder war die Eile bei der Gesetzgebung vielleicht sogar gewollt, um jetzt das angebliche Versagen der Selbstverwaltung vorführen zu können und in der Bevölkerung Sympathie für die Abschaffung dieser ungeliebten freiberuflichen Instanz zu gewinnen?
Dabei entzündet sich der ganze Ärger fast nur an der Praxisgebühr. In der öffentlichen Wahrnehmung scheint sich die Gesundheitsreform nahezu auf diesen einen Aspekt zu reduzieren. Dies vermittelt zugleich interessante Einblicke in die Mentalität der Verbraucher und der Publikumsmedien: In der Vergangenheit waren sogar beträchtliche Steigerungen der Beitragssätze den Medien meist nur eine einmalige Meldung wert, in den Zeitungen üblicherweise im Wirtschaftsteil.
Dabei belastet beispielsweise eine Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte bei einem Jahreseinkommen von 30 000 Euro Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen mit 150 Euro pro Jahr. Bei der Praxisgebühr geht es dagegen um höchstens 40 Euro pro Jahr, falls tatsächlich in jedem Quartal ein Arzt aufgesucht wird. Doch diese geringere Belastung löst einen unverhältnismäßig viel größeren Effekt in der Öffentlichkeit aus.
Dies hat wahrscheinlich zwei Gründe: Erstens nehmen die meisten Menschen die Barzahlung aus der eigenen Tasche viel stärker wahr als den Abzug vor der Gutschrift des Gehalts. Zweitens - und das dürfte noch wichtiger sein - wird hier nicht das abstrakte Leistungsversprechen, sondern der konkret erlebte Arztbesuch in Rechnung gestellt.
Viele Menschen bemerken zum ersten Mal, dass die Leistung des Arztes etwas kostet. Der Arzt lebt nicht von irgendwelchen Almosen aus einem undurchschaubaren System, sondern vom Geld seiner Patienten. Bisher schien das allenfalls für den Apotheker zu gelten.
Damit hat die Praxisgebühr trotz aller Probleme einen großen Vorteil: Die Deutschen lernen endlich, dass Leistungen im Gesundheitswesen - direkt oder indirekt - von den Patienten bezahlt werden müssen. Das Kostenbewusstsein wird steigen, Verschwendung wird verhindert. In den Arztpraxen wird mehr Freiraum für die wirklich Kranken und für sinnvolle Prävention entstehen, wenn nicht jedes kleine Zipperlein sofort dem Arzt vorgestellt wird. Die Apotheke ist in manchen Fällen sicher eine sinnvolle Alternative.
Doch wenn insgesamt ein Vorteil entstehen soll, sind noch viele Probleme zu lösen: Vielleicht ist der Erhebungsaufwand größer als der einkommende Betrag. Welche Anreizwirkung sich Politiker bei Taschengeldempfängern im Pflegeheim versprechen, bleibt ein besonders dunkles Geheimnis. Für Durchschnittsverdiener könnte die Gebühr dagegen höher sein - wenn im Gegenzug die Beiträge sinken.
Unterschiedliche Tarife wären hierfür ein Lösungsansatz und zugleich ein wichtiger Schritt in Richtung auf individuelle Versicherungskonzepte und damit neue Finanzquellen für das System.
Thomas Müller-Bohn
Viel Lärm um wenig Geld
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