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Kampf gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz – mit allen rechtlichen Mitte
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Herr Professor Zuck, Sie vertreten die Apotheker im Kampf gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG). Eine erste Entscheidung in der Frage der einstweiligen Anordnung wird noch in diesem Monat erwartet. Kann man den zeitlichen Ablauf derzeit präzisieren?
Zuck:
Wir müssen zwei Verfahren unterscheiden: die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf die einstweilige Anordnung. In der Frage der einstweiligen Anordnung hat der Senat am 14. Januar beraten. Diese Entscheidung wird allerdings erst wirksam, nachdem sie den Betroffenen zugestellt ist. Damit ist noch in diesem Monat zu rechnen. Die Verfassungsbeschwerde hingegen ist noch nicht eingereicht. Hier läuft eine Jahresfrist. Der Zeitraum, innerhalb dessen über die Verfassungsbeschwerde entschieden wird, hängt aber auch vom Ergebnis in Sachen einstweiliger Anordnung ab. Ergeht diese, muss über die Verfassungsbeschwerde innerhalb eines halben Jahres entschieden werden. Wird sie abgelehnt, kann sich das Verfahren in die Länge ziehen. Das ist aber momentan eher ein sekundärer Aspekt.
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Zur Verfassungsbeschwerde: Erläutern Sie bitte – auch für juristische Laien verständlich – die formalen Gründe, warum das BSSichG der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte?
Zuck:
Wir rügen die Aufspaltung des Gesetzesvorhabens in das Zwölfte Sozialgesetzbuch (SGB) V-Änderungsgesetz und das BSSichG. Es wird hiermit versucht, kritische Vorhaben den nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen zuzuordnen und unwichtige den zustimmungspflichtigen. In diesem Zusammenhang ist es bedeutend, dass das Zwölfte SGB V-Änderungsgesetz noch gar nicht erlassen ist.
Ein weiteres zentrales Argument besteht darin, zu rügen, dass das BSSichG zustimmungspflichtig ist, weil alle Regeln, die Verwaltungsangelegenheiten betreffen, zustimmungspflichtig sind. Außerdem ist dies ein Eingriff in die Arzneimittelpreisverordnung, die ihrerseits zustimmungspflichtig war. Es müsste eigentlich jedem einleuchten, dass in ein insgesamt zustimmungspflichtiges Gesetz kein zustimmungsfreies Element nachträglich implantiert werden kann.
Zum formellen kommt das materielle Argument. Die Erhöhung der Rabatte in Verbindung mit der Abwälzung der Belastungen des Pharmagroßhandels auf eine durchschnittliche Apotheke ergibt folgendes Bild: Bei einem jährlichen Ertrag von durchschnittlich 120 000 Euro vor Steuern muss mit Einbußen von 60 000 Euro gerechnet werden. Bedenkt man, dass vom Gesamtumsatz 70 % auf den GKV-Umsatz fällt, dann muss man den 60 000 Euro die daraus resultierenden 84 000 Euro gegenüberstellen, d. h. den Apothekern werden mehr als zwei Drittel weggenommen. Zieht man dann noch in Betracht, dass es sich bei dieser Summe um einen Betrag vor Steuern handelt, wird deutlich, dass den Apothekern nichts mehr bleibt.
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Das Gericht muss ja nun die möglichen Folgen prüfen, die sich ergeben, wenn das Gesetz wie beabsichtigt in Kraft tritt, sich jedoch nachträglich dessen Verfassungswidrigkeit herausstellt. Es muss also die Folgen dieses Falles gegenüber dem umgekehrten Fall abwägen. Können Sie eine solche Abwägung genauer skizzieren?
Zuck:
Es gibt zwei Szenarien: Was passiert, wenn das Gesetz wirksam wird und sich später als verfassungswidrig herausstellt? Die ANZAG hat errechnet, dass mit der Umsetzung des Gesetzes 4000 Apotheken aufgeben müssen. Das bedeutet, dass bei diesem Szenario unwiderrufliche Folgen eintreten.
Im anderen Fall, wenn die einstweilige Anordnung erlassen wird und es sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Verfassungsbeschwerde ungültig ist, haben die Gesetzlichen Krankenkassen die damit verbundenen Einsparungen nicht erhalten. Das wäre schon deshalb nicht so schlimm, weil die Kassen zwischenzeitlich ohnehin die Beiträge erhöht haben. Außerdem hätten sie auch ohne die Einsparungen überlebt.
Konkret muss also abgewogen werden zwischen dem Ruin von 4000 Apotheken und den wirtschaftlich nicht wirklich gefährdeten Kassen. Die Wirtschaftslage der Apotheker ist also höher zu bewerten als diejenige der Krankenkassen.
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Als Anwalt müssen Sie sich auch in die Gegenseite versetzen. Wie begründet diese ihre Strategie?
Zuck:
Der Gesetzgeber lebt in dem Glauben, der Großhandel gehe die Apotheken nichts an und er dürfe seine Belastungen ohnehin nicht auf die Apotheker abwälzen. Nach Berechnungen von Ulla Schmidt wird die durchschnittliche Apotheke mit einer Summe von 16 000 Euro belastet. Vor diesem Hintergrund wird dann argumentiert, dass die Stabilität der Kassen so hochrangig ist, dass einzelne Beteiligte im System das aushalten müssten. Vor der Abwälzung durch den Großhandel von rund 44 000 Euro will man schlicht nichts wissen.
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Herr Professor Zuck, wir bedanken uns für das Gespräch!
Alle Anstrengungen, das In-Kraft-Treten des Beitragssatzsicherungsgesetzes zu verhindern, scheiterten. Jetzt kämpfen die Apothekerinnen und Apotheker mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Gesetz, das die Apotheken überproportional belastet und zum Ruin vieler Apotheken führen wird. Der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart, erläutert in unserem Interview, welche Verfahren laufen und wie sie zu beurteilen sind.
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