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Gemeinsame Leitlinie zur "guten Substitutionspraxis": Ärzte und Apotheker gemei
Auch aufgeschlossene Apotheker mussten feststellen, dass das Gesetz nicht ausgereift ist. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) machte sich daher schnell an die Arbeit, eine Leitlinie für eine "gute Substitutionspraxis" aufzustellen. Der von Henning Blume, Klaus G. Brauer, Theo Dingermann, Ernst Mutschler und Ilse Zündorf entwickelte Leitlinien-Entwurf wurde am 6. März dieses Jahres in Frankfurt/Main der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe DAZ 2002, Nr. 10, S. 1205 ff.).
Die DPhG erklärte, mit der Leitlinie dazu beitragen zu wollen, dass die Arzneimittelsicherheit beim Austausch zwischen wirkstoffgleichen Arzneimitteln nicht gefährdet wird und die Patienteninteressen gewahrt bleiben. Denn nach Auffassung der Pharmazeuten blieb bei der Fassung des Gesetzestexts die Qualität der Arzneimittelversorgung hinter dem Gedanken der Wirtschaftlichkeit zurück. Erwartet wurde, dass sich Ärzte und Apotheker mit der Leitlinie auseinandersetzen und in der Folge eine Optimierung der gesetzlichen Regelung vorgenommen werden kann.
Aut idem "entemotionalisieren"
Zum jetzigen Zeitpunkt geraten die streng wissenschaftlich orientierten Empfehlungen allerdings an einigen Stellen in Konflikt mit den Vorgaben des AABG. Damit sich auch der Gesetzgeber nochmals Gedanken über seine Regelung machen kann, wurde der Leitlinien-Entwurf am 23. August der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Gudrun Schaich-Walch überreicht. Das Besondere an diesem Termin im BMG war, dass die Übergabe einträchtig durch Mediziner und Pharmazeuten geschah. Dies ist insoweit ungewöhnlich, als die Bereitschaft von Ärzten und Apothekern in Arzneimittelfragen zusammenzuarbeiten gegen Null zu gehen scheint – jedenfalls auf der Funktionärsebene.
Dass die Meinungsverschiedenheiten von Standesvertretern nicht die ganze Wirklichkeit widerspiegeln, wollte die Präsidentin der hessischen Landesapothekerkammer Dr. Gabriele Bojunga dem Bundesministerium für Gesundheit beweisen. Mit der Intention, das Thema aut idem zu entemotionalisieren brachte sie den Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen mit Professor Henning Blume und Professor Manfred Schubert-Zsilavecz von der DPhG zusammen. Diese Vierer-Konstellation sollte der Politik das Signal geben, dass Ärzte und Apotheker durchaus zusammenarbeiten können.
Arzneimittelkommission der Ärzteschaft unterstützt Leitlinie
Müller-Oerlinghausen, frei von berufspolitischen Zwängen und unbeeindruckt von Instrumentalisierungsversuchen der pharmazeutischen Industrie, war für dieses Vorhaben schnell zu gewinnen. Er hält die Aut-idem-Regelung grundsätzlich für "nicht unsittlich", sondern durchaus sinnvoll für die Solidargemeinschaft. Erste Erfolge zeigen sich bereits: viele Preise für Generika sind gefallen. Dennoch bestehe erheblicher Nachbesserungsbedarf am AABG. Die DPhG-Leitlinie sei eine gute Grundlage, die Aut-idem-Regelung ärzte- und patientenverträglicher zu gestalten, erklärte Müller-Oerlinghausen im Anschluss an die Übergabe im BMG.
Kritik an der gesetzlichen Regelung
Blume und Müller-Oerlinghausen erläuterten ihre Kritik am geltenden Gesetz: Das AABG räumt Apothekern keine Möglichkeit ein, die Substitution abzuweisen. Bei der Dauermedikation, etwa bei einem gut eingestellten Epileptiker oder Diabetiker, müsse man sich jedoch genau überlegen, ob eine Substitution sinnvoll sei. Daher sollte eine Klausel geschaffen werden, die es dem Apotheker ermögliche, in solchen Fällen bzw. dann, wenn es Hinweise auf eine nicht bestehende therapeutische Gleichwertigkeit gebe, von einer Substitution abzusehen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass ein Informationstransfer zwischen Apotheker und Arzt gewährleistet sei. Der Arzt muss erfahren, welches Präparat seinem Patienten im Rahmen einer Aut-idem-Abgabe ausgehändigt wurde.
Patient im Mittelpunkt
Blume betonte, dass das Vertrauen der Patienten das A und O für eine gute Substitution sei. Ärzte und Apotheker müssten daher kooperieren. Ein Patient werde verstehen, dass die blaue Pille ebenso gut sei wie die rote, wenn sich der Arzt nur genügend Zeit für eine Erklärung nehme. "Hausaufgabe" des Apothekers sei es hingegen, den Arzt darüber zu informieren, welche Medikamente an seine Patienten ausgegeben worden seien. Von der pharmazeutischen Industrie forderte Blume mehr Transparenz und bessere Informationen über ihre Produkte.
Endgültige Leitlinie im kommenden Jahr
Bojunga, Blume, Schubert-Zsilavecz und Müller-Oerlinghausen bestätigten nach dem Treffen mit der Staatssekretärin, dass diese ihre Sorgen ernst genommen und zugesagt habe, sich für eine Nachbearbeitung der einschlägigen Regelungen im AABG einzusetzen. Im Ministerium wird nun ein interner Dialog über etwaige Änderungen und Anpassungen erwartet. Sobald das BMG sich wieder mit der DPhG und der AKDÄ in Verbindung setzt, soll der Entwurf eine endgültige Fassung erhalten.
Blume geht davon aus, dass es dann nur noch um Feinheiten gehen werde, der generelle Duktus der Leitlinie werde sicherlich bestehen bleiben. Schubert-Zsilavecz sagte, es sei zudem zu überdenken, wie den Apothekern praktikable Werkzeuge zur Umsetzung der Richtlinie an die Hand gegeben werden könnten. Denn die Apothekenwirklichkeit erfordert Entscheidungen in Sekunden.
Schon jetzt sprechen viele gute Gründe dafür, sich in besonderen Fällen zugunsten des Patienten über das AABG hinwegzusetzen und sich die Leitlinie zu Herzen zu nehmen, erklärte Blume. Damit dies keine rechtlichen Folgen hat, bleibt zu wünschen, dass die Diskussion um die Leitlinie seitens der Fachschaften und des Ministeriums intensiv und zügig erfolgt, sodass schon bald im nächsten Jahr eine Anpassung des AABG erfolgen kann.
Die von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eingeführte Aut-idem-Regelung erhitzt noch immer die Gemüter so mancher Standesvertreter der Ärzte und Apotheker. Ärzte sehen sich durch sie in ihrer Therapiehoheit verletzt und auch die Apotheker, die schon seit Jahren die Einführung einer Substitutionsregelung forderten, sind nicht zufrieden. Zu viele praktische Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten offenbarte die seit dem 1. Februar dieses Jahres geltende Regelung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG)
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